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4/12 20. Februar 2012 E-COMMERCE<br />
<strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS 25<br />
Der Like-Button von iLike löst gelernte Verhaltensmuster<br />
aus<br />
Duda gibt Website-Betreibern den Tipp,<br />
durch geschickt eingefädelte Befragungen<br />
die Gefühlslage der Nutzer zu erkunden.<br />
„Wir zeigen den Nutzern die Startseite eines<br />
Angebots und fragen zum Beispiel nach<br />
den spontanen Assoziationen, um die viszerale<br />
Ebene abzubilden“, so die Berlinerin.<br />
Direkte Fragen, ob einem Nutzer dieses<br />
oder jenes Element gefällt, sind verboten.<br />
Sie könnten den Befragten beeinflussen.<br />
Ähnlich geht auch Thorsten Wilhelm<br />
Neugier und Exklusivität in einem: Bei Birchbox<br />
bezahlen die Nutzer für Kosmetikpröbchen<br />
mit dem Einsatz der Kano-Analyse vor.<br />
Hierbei untersucht er, welche Elemente<br />
einer Website grundlegend wichtig sind,<br />
welche einen überdurchschnittlich positiven<br />
Eindruck hinterlassen und welche die<br />
Nutzer animieren können. „Ziel muss es<br />
sein, den Nutzer mit Begeisterungsfunktionen<br />
zu überraschen“, so Wilhelm. Im<br />
Test fand Wilhelm eine hohe Zustimmung<br />
auf der sogenannten Warenkorbzwischenseite.<br />
Das ist ein Layer, der eingeblendet<br />
wird, um zu bestätigen, dass der Nutzer ein<br />
Produkt in den Warenkorb gelegt hat. Auf<br />
Emotionale Aktivierung<br />
Eine Vielzahl von Beispielen kann die Bedeutung<br />
von Gefühlen für die Konversion illustrieren.<br />
Hier eine Auswahl:<br />
Vertrauen: Welche Rolle Vertrauen beim<br />
Checkout spielt, ist hinlänglich bekannt. Der<br />
Reno-Schuh-Shop verlängert diesen Ansatz<br />
aber auch in die Produktauswahl, indem Kinderschuhe<br />
verschiedener Hersteller nach einem<br />
einheitlichen Größensystem vermessen werden.<br />
So wissen Eltern, dass die Schuhe, die sie<br />
für ihre Kinder bestellen, auch passen. Folge<br />
für den Händler: Die Retourenquote sinkt.<br />
Bekanntes Muster: Der Psychologe nennt das<br />
Phänomen „kognitive Entlastung“. Bei einer<br />
Funktion, deren Effekte er zu kennen glaubt,<br />
denkt der Nutzer nicht mehr nach, sondern<br />
entscheidet spontan. Der Musik-Profilierungsdienst<br />
iLike etwa nutzt den bekannten Like-<br />
Button wörtlich, nämlich als Übermittlung von<br />
Präferenzen.<br />
Spielen macht Spaß: Stephen P. Anderson<br />
skizziert in einem lesenswerten Vortrag den<br />
positiven Einfluss spielerischer Elemente auf die<br />
Appetithäppchen: Ein sogenannter „Page<br />
Peel“ macht neugierig auf neue Inhalte<br />
dieser Seite bietet Esprit ergänzende Artikel<br />
an, um einen kompletten Look zusammenzustellen.<br />
„Die Nutzer haben hier<br />
die rosarote Brille auf, weil sie bereits in<br />
Kauflaune sind“, meint Wilhelm. Er empfiehlt<br />
den Shop-Betreibern eine Konkurrenzanalyse<br />
durchzuführen, um herauszufinden,<br />
wo aus emotionaler Sicht die Stärken<br />
und Schwächen der eigenen Site im<br />
Vergleich zur Konkurrenz liegen.<br />
Der Nutzen von Social Media<br />
Für Paul Marsden von Syzygy tut sich derzeit<br />
ein ganz neues Feld auf, die Gefühle<br />
der Nutzer anzusprechen. Auch er setzt<br />
Methoden der Befragung ein, rekrutiert<br />
seine Teilnehmer aber vorwiegend auf<br />
Facebook: „Die Fans einer Marke haben<br />
mehr Bereitschaft, einen solchen Fragebogen<br />
auszufüllen, weil sie sich selbst einen<br />
Nutzen davon versprechen.“<br />
Marsden empfiehlt Site-Betreibern, Facebook-Posts<br />
oder Facebook-Anzeigen dazu<br />
zu verwenden, um zum Beispiel Headlines<br />
oder Call-to-Actions für die Websites zu<br />
testen. „Wenn die Nutzer einen Post<br />
weiterleiten oder kommentieren, hat er sie<br />
emotional angesprochen“, sagt er. Unterdessen<br />
gilt es zu beachten, dass die Facebook-Fans<br />
häufig Power User einer<br />
Website sind und andere Probleme und<br />
Bedürfnisse haben als Neukunden und<br />
Erstbesucher.<br />
Auch hier kann Social Media helfen.<br />
Schon passives Social Media Monitoring,<br />
ohne dass explizite Fragen an die Community<br />
gestellt werden, ermöglicht dem<br />
Site-Betreiber, tiefere Erkenntnisse über<br />
die Probleme und Bedürfnisse seiner Ziel-<br />
Bereitschaft zur Angabe von Daten. Anderson<br />
zeigt den Profilierungsprozess bei Linkedin. Bei<br />
jeder angegebenen Information steigt die Säule<br />
mit der Prozentzahl der geleisteten Mitarbeit<br />
an. Auch iLike setzt spielerische Elemente ein, so<br />
gibt es in der Registrierungsphase ein Quiz. Damit<br />
sammelt der Nutzer Punkte und der Dienst<br />
erneut Daten.<br />
Neugier: Zahlreiche Websites setzen auf Page<br />
Peel, das umklappende Eselsohr in der rechten<br />
oberen Ecke, das nur einen Teil der Inhalte freigibt.<br />
Spannend ist auch der Ansatz von Tchibo<br />
oder Medion in ihren Online Shops. Hier sind<br />
stets die noch nicht bestellbaren Produkte der<br />
nächsten Woche zu sehen.<br />
Exklusivität: Alle Shopping-Clubs arbeiten<br />
nach diesem Prinzip. Registrierte Nutzer wissen<br />
mehr und erfahren Informationen schneller<br />
oder erhalten ganz besondere Angebote. Neuester<br />
Trend hier ist die Birchbox: Das ist ein<br />
Abo auf Kosmetikproben, die in einem tollen<br />
Paket verschickt werden. Der deutsche Klon<br />
heißt Glossybox.de und wird von den Samwer-<br />
Brüdern finanziert.<br />
gruppe zu bekommen. So<br />
fand etwa der Shampoo-Hersteller<br />
Schwarzkopf vergangenes<br />
Jahr heraus, dass die User<br />
nicht einfach nach Produkten<br />
suchen, sondern nach haarspezifischen<br />
Themen wie beispielsweise<br />
„Haare färben“<br />
Ausschau halten. Schwarzkopf<br />
baute die gesamte Seite um<br />
und stellte redaktionelle Artikel<br />
in den Mittelpunkt – mit<br />
dem Ergebnis, dass nicht nur<br />
die Verweildauer der Nutzer<br />
anstieg, sondern sich auch die<br />
Rankings bei Google verbesserten.<br />
Die Rolle der Gefühle<br />
Eine der wichtigsten Aufgaben beim Monitoring<br />
ist es herauszufinden, welche<br />
Sprache die Zielgruppe spricht und welche<br />
Schlüsselbegriffe sie verwendet. „Viele<br />
unserer Kunden bitten uns, ihre Texte<br />
auf die emotionale Qualität zu analysieren“,<br />
weiß Sabrina Duda. Und Saim Rolf<br />
Alkan, der sich mit seiner Agentur Aexea<br />
auf das Verbessern von Texten in Websites<br />
spezialisiert hat, bestätigt: „Subjektiv gefühlte<br />
bessere Lesbarkeit ist wichtiger als<br />
objektiv messbare.“ In einem Test fand<br />
Alkan heraus, dass User einen Text, der<br />
über mehrere Seiten verteilt wurde, emotional<br />
besser bewerteten als einen, der auf<br />
einer Seite zusammengefasst war. Und<br />
das, obwohl sie für den Prozess mehr Zeit<br />
benötigten.<br />
Starke Marken können<br />
es sich erlauben, mit<br />
Geheimnissen zu spielen<br />
Christian Sauer von Webtrekk<br />
hebt die Bedeutung von Texten<br />
auf den Call-to-Actions noch<br />
einmal hervor: „Das Hotel<br />
Dolce in München nutzt einen<br />
Button ,Jetzt Buchen‘ als Einstieg<br />
in die Reservierungsanfrage.<br />
Das ist zu verpflichtend<br />
und kann abschrecken.“<br />
Ein Paradebeispiel für den<br />
Einsatz von Social Commerce<br />
für die emotionale Anreicherung<br />
der Kaufentscheidung<br />
liefert Booking.com. Auf den<br />
Übersichtsseiten der Hotelzimmer<br />
stehen die letzten Verfügbarkeiten<br />
günstiger Zimmerangebote.<br />
Daneben erscheint die Anzahl der User, die<br />
sich gerade auf der Website befinden, und<br />
im Abstand von wenigen Sekunden wird<br />
jeweils eine Buchung eingeblendet, auch<br />
wenn sie nichts mit dem gerade betrachteten<br />
Angebot zu tun hat. Booking.com baut<br />
massiv emotionalen Druck auf die Kaufentscheidung<br />
auf, die bei den Nutzern aber<br />
nicht zum Stress führt. Im Gegenteil: Befragungen<br />
ergaben, dass Nutzer diese<br />
Zusatzinformationen als „besonders hilfreich“<br />
ansehen. ❚<br />
Frank Puscher<br />
Weitere Infos unter www.internetworld.de/webcode<br />
WEBCODE 1204024<br />
❚ Wie kann Social Media beim Texten helfen?<br />
❚ Die subtile Kunst der Verführung<br />
❚ Stimmungen versus Emotionen: eine Analyse