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Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...

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Seite 3<br />

in <strong>der</strong> westlichen Welt nichts an Aktualität eingebüsst hat, zeigt eine aktuelle Schätzung von<br />

Terre des Femmes für das bevölkerungsreichste deutsche B<strong>und</strong>esland Nordrhein-Westfalen, wo<br />

mehr als 5'600 Mädchen <strong>und</strong> Frauen von FGM betroffen o<strong>der</strong> bedroht seien 16 . Dass sich unter<br />

dieser Ausgangslage auch die Politik in Bewegung gesetzt hat, diese gravierende, ges<strong>und</strong>heitsschädigende<br />

o<strong>der</strong> gar lebensbedrohliche <strong>und</strong> sinnlose Menschenrechtsverletzung zu stoppen, ist<br />

nachvollziehbar <strong>und</strong> zu begrüssen. Zwar werden we<strong>der</strong> Präventionsmassnahmen noch neue<br />

Strafbestimmungen von heute auf morgen W<strong>und</strong>er bewirken. Es ist <strong>der</strong> selbstbetroffenen Somali-Deutschen<br />

FADUMO KORN jedoch beizupflichten, die sagt: "Wenn ich nur ein einziges Mädchen<br />

davor (gemeint: FGM) bewahren kann, hat sich mein Engagement bereits gelohnt" 17 .<br />

1.3. Männliche Beschneidung: Erwachendes Problembewusstsein für weit<br />

verbreitete Tradition<br />

Während sich die westliche Welt seit Jahren daran macht, FGM zu bekämpfen, ist in Europa,<br />

namentlich <strong>der</strong> Schweiz, das Problembewusstsein für die männliche Beschneidung an Urteilsunfähigen<br />

erst langsam am Erwachen 18 . So ist we<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Schweiz noch aus Deutschland 19 ein<br />

Fall bekannt, bei dem eine Staatsanwaltschaft nach einer Zirkumzision bei einem Knaben Anklage<br />

wegen Körperverletzung erhoben hätte. Dabei handelt es sich bei <strong>der</strong> Zirkumzision um<br />

den häufigsten operativen Eingriff überhaupt. Schätzungen zufolge ist weltweit ca. je<strong>der</strong> vierte<br />

Mann betroffen 20 . Zwar werden Beschneidungen gerade in den USA aus hygienischen/ präventiven<br />

Gründen vorgenommen 21 . In Europa aber spielen v.a. bei Juden <strong>und</strong> Muslimen religiöse<br />

Motive eine tragende Rolle. Das stiess in <strong>der</strong> Vergangenheit kaum auf Wi<strong>der</strong>stand 22 . Die breite<br />

Akzeptanz spiegelt sich etwa im Bericht <strong>der</strong> Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) zum<br />

Verbot sexueller Verstümmelungen vom 30. April 2010, wo es lapidar heisst: Die Beschneidung<br />

<strong>der</strong> Genitalien von männlichen Neugeborenen o<strong>der</strong> Kleinkin<strong>der</strong>n werde "gr<strong>und</strong>sätzlich nicht als<br />

problematisch erachtet" 23 . Eine <strong>der</strong>art <strong>und</strong>ifferenzierte Aussage zu einem Eingriff (am wohlgemerkt<br />

empfindlichsten Teil des männlichen Körpers), von dem man weiss, dass er aus religiösen<br />

Gründen häufig ohne Narkose erfolgt 24 , erstaunt doch sehr 25 . Immerhin scheint <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrat<br />

16<br />

NZZ vom 8. Januar 2011, Nr. 6, S. 2. Nordrhein-Westfalen hat knapp 18 Millionen Einwohner.<br />

17<br />

Zitiert in <strong>der</strong> NZZ vom 9. März 2006, Nr. 57, S. 51.<br />

18<br />

An<strong>der</strong>s dagegen in den USA <strong>und</strong> in Kanada, wo v.a. die medizinisch nicht notwendige Beschneidung höchst<br />

kontrovers diskutiert wird, vgl. H. PUTZKE, Festschrift, S. 670.<br />

19<br />

H. PUTZKE, Festschrift, S. 679. Vgl. auch <strong>–</strong> e contrario <strong>–</strong> den aktuelleren Aufsatz von R. D. HERZBERG "Religionsfreiheit<br />

<strong>und</strong> Kindeswohl" aus dem Jahr 2010.<br />

20<br />

MOSES/BAILEY/RONALD <strong>und</strong> "Beschnittene Männer <strong>–</strong> Schutz vor Gebärmutterhalskrebs".<br />

21<br />

In den USA wird bis zu 70 % aller männlichen Neugeborenen die Vorhaut weggeschnitten, C. JAERMANN, S. 33.<br />

Vgl. auch TRECHSEL/SCHLAURI, S. 4, A.<br />

22<br />

Verblüffend in diesem Zusammenhang <strong>der</strong> Beschluss des deutschen Landgerichts Hanau vom 2. Februar 2007<br />

(Beschluss 1 O 822/06), <strong>der</strong> festhält: Einer religiösen Beschneidung fehle "<strong>der</strong> Makel <strong>der</strong> Rechtswidrigkeit", weil<br />

es sich zum einen um eine "gute Tradition" handle, "die dem Vorbild des Propheten" folge. Zum an<strong>der</strong>en sei die<br />

Beschneidung ein "Ritus, <strong>der</strong> sich als erster Schritt eines Jungen in die männliche Erwachsenenwelt" verstehe.<br />

Zwar hob das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. diesen Beschluss auf, beschränkte sich dabei aber auf die Begründung,<br />

<strong>der</strong> Vater des Knaben habe die Zirkumzision ohne Erlaubnis <strong>der</strong> sorgeberechtigten Mutter veranlasst. Zitiert<br />

bei H. PUTZKE, Rechtsprechung, S. 1569.<br />

23<br />

Bericht RK-N 2010, S. 19.<br />

24<br />

C. JAERMANN, S. 32 <strong>und</strong> 34.

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