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Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...

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Seite 13<br />

wird <strong>der</strong> Eingriff jedoch primär aus kosmetischen Gründen durchgeführt 96 : So wird im Rahmen<br />

von Schönheitsoperationen nebst den kleinen (<strong>und</strong> seltener auch grossen) Schamlippen z.T. auch<br />

die Klitorisvorhaut entfernt o<strong>der</strong> zumindest gekürzt (sog. "clitoral unhooding"), damit diese<br />

nicht unter den grossen Schamlippen hervorragt. Nebst dem ästhetischen Nutzen bezweckt <strong>der</strong><br />

Eingriff mitunter auch, die Lust <strong>der</strong> Frau durch bessere Stimulierbarkeit <strong>der</strong> Klitoris zu erhöhen<br />

97 . So kann <strong>der</strong> Eingriff zu einer gesteigerten Empfindungsfähigkeit bei Frauen mit Orgasmusstörungen<br />

führen. Gemäss einer neueren Studie war dies allerdings nur gerade bei 9 % <strong>der</strong><br />

getesteten Frauen <strong>der</strong> Fall 98 .<br />

Wird die Klitorisvorhaut im professionellen medizinischen Rahmen entfernt, ist nach heutigem<br />

Kenntnisstand davon auszugehen, dass dadurch keine grösseren o<strong>der</strong> gar bleibenden Komplikationen<br />

verursacht werden 99 . An<strong>der</strong>s präsentiert sich die (eher unwahrscheinliche 100 ) Sachlage,<br />

wenn die Klitorisvorhaut unter unprofessionellen, unhygienischen Bedingungen, wie man sie<br />

von <strong>der</strong> traditionell afrikanischen FGM kennt, weggeschnitten wird. Wie erwähnt muss hier damit<br />

gerechnet werden, dass es nicht gelingt, die Verletzung auf die Klitorisvorhaut zu beschränken,<br />

so dass auch die Klitoris <strong>und</strong>/ o<strong>der</strong> das übrige Genitale verletzt werden. Dies gilt umso<br />

mehr, als die traditionellen Beschnei<strong>der</strong>Innen oftmals nur über marginale anatomische Kenntnisse<br />

verfügen. Hinzu kommt, dass <strong>der</strong> Eingriff ohne Narkose erfolgt. Da das äussere Genitale<br />

äusserst sensibel <strong>und</strong> sehr stark mit Nerven versorgt ist, erleiden die betroffenen Frauen also<br />

schier unvorstellbare Schmerzen. Diese haben häufig ein Trauma o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e psychische Störungen<br />

als Konsequenz. Zufolge mangeln<strong>der</strong> Hygiene äussern sich unmittelbare Komplikationen<br />

von FGM sodann in Infektionen mit Kin<strong>der</strong>lähmung, Hepatitis, Tetanus (= zumeist tödlich<br />

verlaufen<strong>der</strong> W<strong>und</strong>starrkrampf) o<strong>der</strong> HIV. Nicht selten endet FGM auch in einer lebensbedrohlichen<br />

Blutvergiftung (Sepsis). Insgesamt wird die Sterberate auf Gr<strong>und</strong> unmittelbarer Komplikationen<br />

nach FGM auf 3 <strong>–</strong> 7 % geschätzt 101 . Längerfristige Komplikationen von FGM sind u.a.<br />

chronische Beckeninfektionen, Abszesse o<strong>der</strong> Infertilität 102 .<br />

4.3.2. Rechtliche Qualifikation nach gelten<strong>der</strong> Rechtslage<br />

A. Typ Ib<br />

Nach Art. 122 StGB macht sich <strong>der</strong> schweren Körperverletzung strafbar, wer vorsätzlich einen<br />

Menschen lebensgefährlich verletzt (al. 1), wer vorsätzlich den Körper, ein wichtiges Organ o<strong>der</strong><br />

Glied eines Menschen verstümmelt o<strong>der</strong> ein wichtiges Organ o<strong>der</strong> Glied unbrauchbar macht,<br />

einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich o<strong>der</strong> geisteskrank macht, das Gesicht eines<br />

Menschen arg <strong>und</strong> bleibend entstellt (al. 2) o<strong>der</strong> wer vorsätzlich eine an<strong>der</strong>e schwere Schä-<br />

96 Wikipedia, Stichwort: Klitorisvorhaut.<br />

97 A. BORKENHAGEN, S. 106.<br />

98 Zitiert nach S. PREISS, S. 94.<br />

99 Für mögliche Komplikationen vgl. "Risiken <strong>und</strong> mögliche Komplikationen <strong>der</strong> Schamlippenverkleinerung".<br />

100 Unwahrscheinlich, weil man sich im Rahmen traditioneller Beschneidungen so gut wie nie mit <strong>der</strong> blossen Entfernung<br />

<strong>der</strong> Klitorisvorhaut zufrieden geben dürfte, da ein solches Resultat als "ungenügend" angesehen wird.<br />

101 M. ROSENKE, S. 48.<br />

102 Zu den erwähnten <strong>und</strong> weiteren unmittelbaren <strong>und</strong> langfristigen ges<strong>und</strong>heitlichen Komplikationen, den psychischen<br />

Konsequenzen, den Auswirkungen auf den Geburtsvorgang etc. vgl. z.B. BAUER/HULVERSCHEIDT,<br />

HOHLFELD/THIERFELDER/JÄGER, S. 953 f. <strong>und</strong> M. ROSENKE, S. 47 <strong>–</strong> 57.

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