Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...
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Seite 5<br />
<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> ersten Geburt ausgeführt. Bisweilen wird nach <strong>der</strong> Heirat eine noch drastischere<br />
FGM vorgenommen, weil etwa die bestehende dem Ehemann o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schwiegermutter als unzureichend<br />
erscheint 35 . Die zu behandelnde Frage nach <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> urteilsfähigen Frau,<br />
in (die traditionelle) FGM einzuwilligen, ist also durchaus von praktischer Relevanz.<br />
Wie kontrovers diese Frage diskutiert wird, lässt sich aus folgendem Umstand ableiten: Im<br />
Rahmen des laufenden Gesetzgebungsprojekts 36 um die Einführung eines Straftatbestands zur<br />
weiblichen <strong>Genitalverstümmelung</strong> sah die vorbereitende RK-N zunächst die explizite Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> <strong>Einwil</strong>ligung <strong>der</strong> volljährigen Frau vor. Nach den mehrheitlich negativen Rückmeldungen<br />
<strong>der</strong> Vernehmlassungsteilnehmenden wurde indes <strong>der</strong> betr. Absatz ersatzlos gestrichen 37 . Zusätzlich<br />
an Brisanz gewinnt die <strong>Einwil</strong>ligungs-Thematik mit Blick auf die eingangs erwähnten<br />
(Schönheits-) Operationen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Modifikationen im weiblichen Genitalbereich. Auch<br />
wenn <strong>der</strong> Vergleich von traditioneller FGM <strong>und</strong> "mo<strong>der</strong>nen" Modifikationen des Genitalbereichs<br />
(verständlicherweise) kritisiert wird, soll die vorliegende Arbeit <strong>–</strong> in Anbetracht <strong>der</strong> weiten<br />
WHO-Definition <strong>–</strong> diesem Aspekt trotzdem Rechnung tragen.<br />
Schliesslich sei die <strong>Einwil</strong>ligungs-Thematik anhand <strong>der</strong> Zirkumzision 38 unter umgekehrten Vorzeichen<br />
dargestellt: Hier ist <strong>Einwil</strong>ligung des urteilsfähigen, zureichend aufgeklärten Mannes<br />
allgemein anerkannt. Ob demgegenüber die stellvertretende <strong>Einwil</strong>ligung <strong>der</strong> gesetzlichen Vertreter<br />
für Zirkumzisionen bei Urteilsunfähigen tatsächlich, wie dies die RK-N in ihrem Bericht<br />
behauptet 39 , "gr<strong>und</strong>sätzlich unproblematisch" ist, o<strong>der</strong> ob hier nicht vielmehr eine tabuisierte,<br />
nicht zu rechtfertigende Körperverletzung vorliegt, sei am Schluss <strong>der</strong> Arbeit abgehandelt.<br />
2. <strong>Einwil</strong>ligung <strong>der</strong> verletzten Person im Allgemeinen<br />
2.1. Allgemeines<br />
Für den bereits von Ulpian 40 benutzten Gr<strong>und</strong>satz "nulla iniuria est, quae in volentem fiat", heute<br />
besser bekannt als "volenti non fit iniuria", finden sich im Alltag <strong>–</strong> vom juristischen Laien unbemerkt<br />
<strong>–</strong> unzählige Anwendungsbeispiele 41 . Dennoch wurde anlässlich <strong>der</strong> auf den 1. Januar<br />
2007 in Kraft getretenen Revision des Allgemeinen Teils des StGB auf eine Kodifikation <strong>der</strong><br />
<strong>Einwil</strong>ligung <strong>der</strong> verletzten Person verzichtet. Man wollte diese vielmehr <strong>der</strong> weiteren Konkretisierung<br />
durch Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung überlassen 42 . Entsprechend rechnet die h.L. die Ein-<br />
35 P. SCHNÜLL, S. 29 f.<br />
36 Vgl. dazu hinten 3.<br />
37 Bericht RK-N 2010, S. 20.<br />
38 Der Umfang dieser Arbeit lässt es nicht zu, auf die an<strong>der</strong>en, in Fn 2 genannten Arten <strong>der</strong> männlichen Beschneidung<br />
einzugehen. Die Ausführungen beschränken sich deshalb auf die verbreiteteste Variante <strong>der</strong> Zirkumzision.<br />
39 Bericht RK-N 2010, S. 19.<br />
40 Der römische Jurist Ulpian lebte von 170 bis 223 n. Chr.<br />
41 Bestens bekannt ist das Beispiel <strong>der</strong> Friseuse, <strong>der</strong>en Werk ohne <strong>Einwil</strong>ligung <strong>–</strong> Strafantrag vorbehalten <strong>–</strong> wenn<br />
nicht eine einfache Körperverletzung, dann zumindest eine Tätlichkeit darstellt. Man denke aber auch an einen Chiropraktiker,<br />
<strong>der</strong> in seiner Freizeit regelmässig mit bestem Wissen <strong>und</strong> Gewissen seine Ehefrau therapiert. Ohne<br />
Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Einwil</strong>ligung wäre sein Handeln nach Art. 126 Abs. 2 lit. b StGB von Amtes wegen zu verfolgen.<br />
42 BSK Strafrecht I-K. SEELMANN, Vor Art. 14, N 4.