Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...
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Seite 27<br />
kann geschädigt werden 168 <strong>und</strong> ein Schmerzgedächtnis entsteht 169 . Eine Untersuchung hat ergeben,<br />
dass zirkumzidierte Jungen, bei denen keine Betäubung erfolgte, ein signifikant höheres<br />
Schmerzempfinden haben im Vergleich zu Knaben, die entwe<strong>der</strong> gar nicht o<strong>der</strong> mit lokaler Betäubung<br />
zirkumzidiert wurden 170 . Hinzu kommt für die beschnittenen Knaben <strong>–</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />
gegenüber <strong>der</strong> Mutter <strong>–</strong> ein Gefühl des Vertrauensverlusts bzw. Verratenwordenseins 171 .<br />
5.2. Ges<strong>und</strong>heitsbezogene Argumente für eine Zirkumzision<br />
Von den Befürwortern <strong>der</strong> Zirkumzision, mitunter auch den religiösen 172 , wird gerne das Argument<br />
des ges<strong>und</strong>heitsbezogenen bzw. hygienischen Nutzens ins Feld geführt. Hier sind folgende<br />
Untergruppen zu unterscheiden:<br />
5.2.1. Medizinische Indikation<br />
Bei gewissen ges<strong>und</strong>heitlichen Beschwerden ist eine Zirkumzision bereits aus medizinischer<br />
Sicht angezeigt: So bei manifesten Phimosen (Verengung <strong>der</strong> Vorhaut, wobei <strong>der</strong> Erkrankte die<br />
Vorhaut nicht vollständig über die Eichel zurück ziehen kann) 173 , bei Balanitis/ Balanoposthitis<br />
(Entzündung <strong>der</strong> Eichel) sowie chronischen o<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong>kehrenden Harnwegsentzündungen.<br />
Von den genannten Krankheiten sind maximal 1 <strong>–</strong> 4 % aller Knaben betroffen, wobei es<br />
sich bei diesem Prozentsatz häufig um chronisch kranke Kin<strong>der</strong> handelt 174 . Gerade für Phimosen<br />
wird von ärztlicher Seite ausserdem darauf hingewiesen, eine Behandlung mit Salben verspreche<br />
in bis zu 95 % <strong>der</strong> Fälle den gleichen Erfolg 175 . Zumindest bei <strong>der</strong> Ärzteschaft in <strong>der</strong><br />
Schweiz herrscht die Meinung vor, eine Beschneidung sei möglichst zu vermeiden. Eine solche<br />
sei nur dann vorzunehmen, wenn eine eindeutige medizinische Indikation bestehe, zumal die<br />
Penisvorhaut mit dem Schutz <strong>der</strong> Eichel eine wichtige Funktion erfülle 176 .<br />
5.2.2. Beschneidung als Vorbeugung<br />
Bei Zirkumzisionen, für die keine kurativ-medizinische Notwendigkeit besteht, wird häufig ihr<br />
vorbeugen<strong>der</strong> Charakter als Rechtfertigungsgr<strong>und</strong> angerufen. So gibt es Studien, nach denen<br />
Zirkumzisionen präventiv wirken gegen Peniskrebs, die Infektion mit HIV, Syphilis, Gonorrhö<br />
(auch bekannt als: Tripper), Harnwegsinfektionen, Phimose o<strong>der</strong> Balanoposthitis. Gemäss einer<br />
168<br />
C. JAERMANN, S. 36, mit Verweis auf den kalifornischen Psychologen JAMES PRESCOTT.<br />
169<br />
H. PUTZKE, Festschrift, S. 678.<br />
170<br />
H. PUTZKE, Festschrift, S. 678.<br />
171<br />
R. D. HERZBERG, Rechtliche Probleme, S. 334. Vgl. auch die bei C. JAERMANN, S. 37, zitierte Grün<strong>der</strong>in von<br />
NOCIRC, MARYLIN MILOS, nach welcher man sich nicht w<strong>und</strong>ern müsse, wenn <strong>der</strong> "Krieg <strong>der</strong> Geschlechter" noch<br />
lange nicht beendet sei, zumal durch die Zirkumzision Sexualität <strong>und</strong> Gewalt das erste Mal aufeinan<strong>der</strong> träfen.<br />
172<br />
Vgl. z.B. B. FATEH-MOGHADAM.<br />
173<br />
Es wird von ärztlicher Seite aber auch darauf hingewiesen, gerade bei Phimosen verspreche eine Behandlung mit<br />
Salben in bis zu 95 % <strong>der</strong> Fälle den gleichen Erfolg. PUTZKE/STEHR/DIETZ, S. 786, mit weiteren Verweisen. Vgl.<br />
auch den Beobachter, wonach in <strong>der</strong> Schweiz jährlich ca. 4'000 Knaben wegen Phimosen operiert würden, <strong>der</strong>weil<br />
bis zu 90 % dieser Operationen überflüssig seien.<br />
174<br />
H. PUTZKE, Festschrift, S. 688; PUTZKE/STEHR/DIETZ, S. 786.<br />
175<br />
PUTZKE/STEHR/DIETZ, S. 786, mit weiteren Verweisen. Vgl. auch den Beobachter, wonach in <strong>der</strong> Schweiz jährlich<br />
ca. 4'000 Knaben wegen Phimosen operiert würden, <strong>der</strong>weil bis zu 90 % dieser Operationen überflüssig seien.<br />
176<br />
So RITA GOBET, Urologin am Kin<strong>der</strong>spital Zürich, zitiert im Beobachter.