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Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...

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Seite 10<br />

Mehrheit entschieden abgelehnt. Es wurde insbeson<strong>der</strong>e argumentiert, die betroffenen Frauen<br />

hätten angesichts <strong>der</strong> Stärke <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> <strong>Genitalverstümmelung</strong> <strong>und</strong> des damit einhergehenden<br />

ausserordentlich hohen sozialen Drucks, angesichts ihrer oft geringen Integration, fehlenden<br />

ökonomischen Autonomie <strong>und</strong> unsicheren Aufenthaltssituation faktisch keine Möglichkeit<br />

zur freien Willensbildung <strong>und</strong> Entscheidung. Ein klares Verbot würde sie vor dem genannten<br />

Druck <strong>und</strong> einem Loyalitätskonflikt bewahren. Auch wurde die Befürchtung geäussert, mit<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit zur <strong>Einwil</strong>ligung werde die potentiell positive Wirkung des Verbots auf die<br />

Präventionsarbeit abgeschwächt o<strong>der</strong> erschwert 76 . KILLIAS wies in seiner Vernehmlassung<br />

schliesslich darauf hin, mit <strong>der</strong> Legalisierung <strong>der</strong> sexuellen Verstümmelung gegenüber erwachsenen<br />

Frauen würde diese Praxis nicht eingeschränkt, son<strong>der</strong>n "recht eigentlich" legalisiert 77 .<br />

Im Bericht vom 30. April 2010 nahm die RK-N die von den Vernehmlassungsteilnehmenden<br />

geäusserte Kritik auf 78 <strong>und</strong> schlug in <strong>der</strong> Folge einen neuen Art. 124 StGB mit u.a. folgendem<br />

Wortlaut vor: "Wer die Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, unbrauchbar macht o<strong>der</strong><br />

in an<strong>der</strong>er Weise schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren o<strong>der</strong> Geldstrafe nicht<br />

unter 180 Tagessätzen bestraft" (Abs. 1). Eine Kommissionsmin<strong>der</strong>heit schlägt demgegenüber<br />

eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vor 79 .<br />

Der B<strong>und</strong>esrat unterstützt in seiner Stellungnahme vom 25. August 2010 die Vorschläge <strong>der</strong><br />

RK-N: Eine eigenständige Strafnorm sei aus politischen Gründen angezeigt. Dabei sei <strong>der</strong> Verzicht<br />

auf eine Regelung zur <strong>Einwil</strong>ligung zu begrüssen. Eine solche wäre verglichen mit den an<strong>der</strong>en<br />

Körperverletzungs-Tatbeständen einzigartig. Auch würde diese Regelung auf kaum lösbare<br />

Schwierigkeiten stossen, weil gewisse Handlungen, die unter den neuen Tatbestand fielen<br />

(z.B. Piercings, Tätowierungen o<strong>der</strong> ausschliesslich <strong>der</strong> Schönheit dienende Eingriffe) aber auch<br />

medizinische Eingriffe, beim Vorliegen einer rechtsgültigen <strong>Einwil</strong>ligung <strong>der</strong> Frau erfolgen sollen<br />

dürften. Es sei deshalb "ohne Zweifel" vorzuziehen, die <strong>Einwil</strong>ligung nicht explizit zu regeln,<br />

son<strong>der</strong>n die Frage <strong>der</strong> Rechtsprechung zu überlassen 80 .<br />

3.2. Stand <strong>der</strong> Dinge<br />

Der Nationalrat hiess die Vorlage am 16. Dezember 2010 mit 162 zu 2 Stimmen gut. Die NZZ<br />

kommentierte diesen Entscheid in ihrer Ausgabe vom 17. Dezember 2010 mit den Worten: "Es<br />

gibt Vorlagen, die sind <strong>der</strong>massen gut gemeint, dass man einfach nicht dagegen sein kann" 81 .<br />

Auch die Rechtskommission des Stän<strong>der</strong>ats beantragte letzterem am 5. Mai 2011 einstimmig,<br />

die beschlossene Vorlage anzunehmen 82 . Gemäss Auskunft des B<strong>und</strong>esamts für Justiz 83 ist vorgesehen,<br />

dass sich <strong>der</strong> Stän<strong>der</strong>at in <strong>der</strong> kommenden Sommersession 2011 mit dem Geschäft befassen<br />

wird.<br />

76<br />

Vernehmlassungsbericht, S. 6 <strong>und</strong> 10 <strong>–</strong> 13.<br />

77<br />

M. KILLIAS.<br />

78<br />

Bericht RK-N 2010, S. 20.<br />

79<br />

Entwurf für eine Än<strong>der</strong>ung des StGB.<br />

80<br />

Stellungnahme des B<strong>und</strong>esrats.<br />

81<br />

NZZ vom 17. Dezember 2010, Nr. 294, S. 11.<br />

82<br />

Jusletter 9. Mai 2011.<br />

83<br />

B<strong>und</strong>esamt für Justiz, Direktionsbereich Strafrecht, Fachbereich Straf- <strong>und</strong> Strafprozessrecht, ROBERTA TSCHIGG.

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