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Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...

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Seite 22<br />

bigen Hautverschluss verengt. Mitunter wird bei <strong>der</strong> Infibulation auch die Klitoris weggeschnitten.<br />

Beim Untertyp IIIa werden die kleinen Schamlippen entfernt <strong>und</strong> die W<strong>und</strong>rän<strong>der</strong> alsdann<br />

zusammengenäht; beim Untertyp IIIb die grossen Schamlippen 142 . Beim Typ III handelt es sich<br />

um die schwerste Form von FGM. Sie findet in <strong>der</strong> Labioplastik keine Entsprechung.<br />

Da über die ges<strong>und</strong>heitsschädigenden Wirkungen des unprofessionellen Eingriffs 143 schon Diverses<br />

ausgeführt wurde, sei an dieser Stelle nur noch auf einige Folgen hingewiesen, die mit<br />

je<strong>der</strong>, also auch <strong>der</strong> medikalisierten, Infibulation verb<strong>und</strong>en sind. So dauert zunächst wegen <strong>der</strong><br />

teils nur mehr sehr kleinen Öffnung <strong>der</strong> Vagina eine Miktion 144 10 Minuten <strong>und</strong> länger. Entsprechend<br />

nimmt auch die Menstruation bis zu 15 Tage in Anspruch <strong>und</strong> verläuft äusserst schmerzhaft.<br />

Dabei soll das nur langsam austretende Blut einen sehr unangenehmen Geruch aufweisen,<br />

weshalb die Frau während dieser Zeit die Öffentlichkeit <strong>und</strong> sogar ihren Arbeitsplatz meidet. In<br />

punkto Menstruationsblut ist schliesslich auf die Gefahr hinzuweisen, dass es zu einer gefährlichen<br />

Ansammlung in <strong>der</strong> Vagina o<strong>der</strong> Gebärmutter kommt. Eine weitere dramatische Konsequenz<br />

<strong>der</strong> Infibulation besteht darin, dass die infibulierte Vagina i.d.R. einen Geschlechtsverkehr<br />

nicht zulässt <strong>und</strong> deshalb vor dem "ersten Mal" gewaltsam geweitet werden muss. Dies geschieht<br />

bestenfalls im Rahmen einer Operation, schlechtestenfalls durch den Ehemann, <strong>der</strong> versucht,<br />

die Ehefrau gewaltsam zu penetrieren o<strong>der</strong> sie mit einem Messer aufschneidet. Steht eine<br />

Geburt bevor, muss die Vagina noch weiter geöffnet werden (sog. "Defibulation"), <strong>der</strong>weil die<br />

Vagina nach <strong>der</strong> Geburt oftmals wie<strong>der</strong> zugenäht wird (sog. "Reinfibulation") 145 .<br />

4.5.2. Rechtliche Qualifikation nach gelten<strong>der</strong> Rechtslage<br />

Wird bei <strong>der</strong> Infibulation die Klitoris ganz o<strong>der</strong> teilweise entfernt, sei diesbezüglich auf die Erwägungen<br />

beim Typ I verwiesen. Da die Infibulation aber ungleich schwerer wiegt als die Klitoridektomie,<br />

ist bei ersterer <strong>der</strong> Tatbestand <strong>der</strong> schweren Körperverletzung umso mehr erfüllt.<br />

Dass bei Konstellation, da <strong>der</strong> Eingriff auf unprofessionelle Art <strong>und</strong> Weise vorgenommen wird,<br />

sowohl bei Typ IIIa <strong>und</strong> IIIb <strong>der</strong> Tatbestand einer schweren Körperverletzung erfüllt ist <strong>und</strong><br />

nicht rechtswirksam in den Eingriff eingewilligt werden kann, ergibt sich ebenfalls aus dem bisher<br />

Gesagten. Anzufügen bleibt, dass in Gegenden, wo häufig fibuliert wird (z.B. Somalia), die<br />

Todesrate nach solchen Eingriffen auf bis zu 30 % geschätzt wird 146 . Umso mehr kommt nach<br />

geltendem Recht auch eine Bestrafung nach Art. 122 al. 1 StGB in Frage.<br />

Da Infibulationen auch im medikalisierten Rahmen durchgeführt werden, bleibt die Rechtslage<br />

bez. einer professionell vorgenommenen Typ IIIa <strong>und</strong> IIIb-Verstümmelung zu klären, wobei vorausgesetzt<br />

wird, dass die Klitoris unangerührt bleibt. Mit Verweis auf die Erwägungen bei <strong>der</strong><br />

Exzision dürfte die Entfernung <strong>der</strong> kleinen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> grossen Schamlippen per se eine einfache<br />

Körperverletzung nach Art. 123 Ziff. 1 StGB darstellen. Auch wenn ich diesen Eingriff keineswegs<br />

bagatellisieren möchte, kann m.E. doch nicht gesagt werden, <strong>der</strong> weibliche Körper bzw.<br />

die weiblichen Geschlechtsorgane seien dadurch (i.S. <strong>der</strong> Rechtsprechung) in ihrer Funktionali-<br />

142<br />

WHO, Classification.<br />

143<br />

M. ROSENKE, S. 22 <strong>–</strong> 24, schil<strong>der</strong>t ein Bsp. einer somalischen Infibulation. Die Tortur dauert ca. 20 Minuten.<br />

144<br />

Unter Miktion versteht man die (i.d.R. vollständige) Entleerung <strong>der</strong> Harnblase.<br />

145<br />

TRECHSEL/SCHLAURI, S. 6 <strong>und</strong> M. ROSENKE, S. 47 <strong>–</strong> 55.<br />

146<br />

M. ROSENKE, S. 48.

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