06.01.2013 Aufrufe

Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...

Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...

Genitalverstümmelung – Voraussetzungen und Grenzen der Einwil ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Seite 19<br />

ren) angegeben 124 . Sodann verspricht man sich z.T. auch von <strong>der</strong> Labienreduktion luststeigernde<br />

Wirkung 125 , indem die Klitoris besser freigelegt sei. Immerhin bleibt anzufügen, dass die kleinen<br />

Schamlippen ebenfalls von Bedeutung sind für die Stimulation 126 , wenn auch nicht in gleichem<br />

Masse wie die Klitoris. Entsprechend erfolgt die Labienreduktion in <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle<br />

nicht aus sexualbezogenen, son<strong>der</strong>n ästhetischen Gründen: Die betr. Frauen bemängeln Grösse<br />

<strong>und</strong> Asymmetrie ihrer Schamlippen <strong>und</strong> haben deswegen Schamgefühle 127 .<br />

Die grossen Schamlippen verlaufen vom Schamhügel bis zum Damm. Sie verdecken Klitoris,<br />

Harnröhrenöffnung <strong>und</strong> Scheideneingang <strong>und</strong> schützen diese somit 128 .<br />

4.4.2. Rechtliche Qualifikation nach gelten<strong>der</strong> Rechtslage<br />

Da für die totale o<strong>der</strong> teilweise Entfernung <strong>der</strong> Klitoris sämtliche Rechtsfragen bereits beim<br />

Typ I <strong>der</strong> FGM beantwortet wurden, kann für die Typen IIb <strong>und</strong> IIc auf die dortigen Ausführungen<br />

verwiesen werden. Anzufügen bleibt, dass bei den Typen IIb <strong>und</strong> IIc die schwere Körperverletzung<br />

umso schwerer wiegt bzw. eindeutiger vorliegt, zumal das Genitale in grösserem<br />

Umfang verstümmelt bzw. unbrauchbar gemacht wird.<br />

Es bleibt somit die rechtliche Würdigung <strong>der</strong> vollständigen o<strong>der</strong> teilweisen Entfernung <strong>der</strong> kleinen<br />

Schamlippen. Hier ist vorab zu klären, ob es sich bei letzteren um ein wichtiges Organ i.S.v.<br />

Art. 122 al. 2 StGB handelt. Auch wenn den kleinen Schamlippen stimulierende Wirkung zuzusprechen<br />

ist, sind sie doch nicht eine vergleichbar erogene Zone wie die Klitoris 129 . Dafür<br />

spricht, dass sich gewisse Frauen die Schamlippen gar aus luststeigernden Motiven entfernen<br />

lassen. Schliesslich bleibt anzufügen, dass es sich bei <strong>der</strong> Labienreduktion heutzutage um eine<br />

weit verbreitete Operation handelt, bei welcher (schwerwiegende) Komplikationen selten<br />

sind 130 . Somit spricht die normative Kraft des Faktischen ebenfalls eher dafür, die kleinen<br />

Schamlippen nicht als wichtiges Organ i.S. des Gesetzes zu werten.<br />

Werden somit die kleinen Schamlippen im Rahmen einer professionellen Operation ganz o<strong>der</strong><br />

teilweise entfernt, dürfte nur <strong>der</strong> Tatbestand <strong>der</strong> einfachen Körperverletzung nach Art. 123<br />

Ziff. 1 StGB erfüllt sein 131 . An<strong>der</strong>s dagegen, wenn die kleinen Schamlippen quasi "auf freiem<br />

Feld" o<strong>der</strong> <strong>–</strong> wie gehört <strong>–</strong> auf dem Küchentisch, d.h. unter chirurgisch unzulässigen, unhygienischen<br />

Bedingungen entfernt werden. Bei <strong>der</strong> Labienreduktion handelt es sich um einen äusserst<br />

sensiblen Eingriff, für welchen chirurgisches Geschick <strong>und</strong> äusserste Sorgfalt unabdingbar<br />

sind 132 . An<strong>der</strong>nfalls droht die Gefahr einer Störung des sexuellen Empfindens, zumal die kleinen<br />

124<br />

S. PREISS, S. 82.<br />

125<br />

Vgl. DORNELES DE ANDRADE/JIROVSKY/PALONI, S. 176.<br />

126<br />

Vgl. dazu "Frauenärzte im Netz".<br />

127<br />

A. BORKENHAGEN, S. 98 <strong>und</strong> 109.<br />

128<br />

Wikipedia, Stichwort: Schamlippe.<br />

129<br />

Vgl. dazu auch TRECHSEL/SCHLAURI, S. 11.<br />

130<br />

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es noch keine Langzeitstudien über die Folgen <strong>der</strong> Labienreduktion gibt,<br />

da die ersten Eingriffe erst Mitte <strong>der</strong> 1980er Jahre erfolgten. Vgl. dazu DORNELES DE ANDRADE/JIROVSKY/PALONI,<br />

S. 172.<br />

131<br />

Die Frage nach allfälligen Qualifikationsmerkmalen gem. Ziff. 2 hat im Hinblick auf die hier interessierende<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Einwil</strong>ligung offen zu bleiben.<br />

132<br />

ST. GRESS.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!