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Bayreuth wird bayerisch

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gegen Rechtsextremismus vermuten lässt.<br />

Da sie als Sozialisationsinstanzen weit wirksamer<br />

sind als junge Männer, ist diese Vernachlässigung<br />

nicht zu recht fertigen.<br />

Rechtsextreme<br />

Verhaltensformen<br />

In der Auseinandersetzung mit den variablen<br />

Verhaltensformen von Rechtsextremismus ist<br />

immer wieder eine starke Fixierung auf<br />

rechtsextreme Gewalt zu beobachten, die oft<br />

situativ ausgelebt <strong>wird</strong>. Dies ist, wenn es<br />

darum geht, potenzielle Opfer zu schützen,<br />

sicher berechtigt. Besondere Aufmerksamkeit<br />

erfahren auch die Wahlergebnisse von<br />

rechtsextremen Parteien, die mit dem Zugang<br />

zu Ressourcen und besonderer medialer<br />

Präsenz verbunden sind. Es kommt jedoch<br />

darauf an, die gesamte Aktionspalette im<br />

Blick zu behalten. Wenn in neuerer Zeit von<br />

„modernem“ Rechtsextremismus die Rede<br />

ist, <strong>wird</strong> vor allem auf den Bedeutungsgewinn<br />

bewegungsförmigen Engagements in<br />

der rechtsextremen Szene hingewiesen (z.B.<br />

Klärner/Kohlstruck 2006; Minkenberg 2008).<br />

Sie hält damit Anschluss an die Praxis neuer<br />

sozialer Bewegungen, deren Erfolgsmodell<br />

das zeitlich begrenzte, organisationsferne<br />

„projektorientierte“ Engagement ist. Dies<br />

macht auf die Grenzen von Gegenstrategien<br />

aufmerksam, die mit Organisations- und Parteiverboten<br />

in erster Linie auf den klassischen<br />

organisationsgeprägten Rechtsextre -<br />

mismus zugeschnitten waren, aber in der<br />

Auseinandersetzung mit rechtsextremen Bewegungen<br />

weit weniger Wirkung entfalten<br />

können.<br />

Gruppenbezogene<br />

Menschenfeindlichkeit (GMF)<br />

Die von Wilhelm Heitmeyer angestoßene Erweiterung<br />

der Rechtsextremismusforschung<br />

um zusätzliche Einstellungsdimensionen (vor<br />

allem Sexismus, Homophobie, Rassismus und<br />

Islamophobie – während die Abwertung von<br />

Obdachlosen, Behinderten und Langzeitarbeitslosen<br />

eher als Konkretisierung des Sozialdarwinismus<br />

zu sehen ist) und ihre<br />

regelmäßige Beobachtung hat neue Akzente<br />

in der Präventionsdebatte gesetzt. 9<br />

Das Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit<br />

öffnet den Blick für menschenfeindliche<br />

Entwicklungen insgesamt<br />

und stärkt menschenrechtliche Gegenpositionen,<br />

die im Alltagsleben Deutschlands<br />

nicht besonders nachhaltig verankert sind<br />

(vgl. Addy 2003). Es knüpft zudem an internationale<br />

Debatten und Praxisformen an, die<br />

eine breite Palette von „hate crime“ (Hass-<br />

8 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Februar/2012<br />

kriminalität) 10 und Rassismus- Ausprägungen<br />

in den Blick nehmen und damit eine exklusive<br />

Fixierung auf Rechtsextremismus<br />

vermeiden. Diese menschenrechtliche Horizonterweiterung,<br />

die gerade für die politische<br />

Kultur wie die politische Bildung sehr<br />

zu begrüßen ist, bringt jedoch in der analytischen<br />

Betrachtung auch Nachteile mit sich.<br />

Einige Dimensionen der Einstellungsuntersuchungen<br />

zum Rechtsextremismus bleiben<br />

zwar auch im GMF-Konzept erhalten (vor<br />

allem Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit),<br />

auf die Dauerbeobachtung der für<br />

rechtsextreme Bewegungen besonders brisanten<br />

Einstellungsdimensionen Verharmlosung<br />

bzw. Unterstützung des Nationalsozialismus<br />

und Diktaturbefürwortung <strong>wird</strong><br />

aber verzichtet. GMF ist deshalb keine Alternative<br />

zum Rechtsextremismuskonzept, sondern<br />

eine sinnvolle Ergänzung und<br />

Erweiterung, besonders wo es – wie in pädagogischen<br />

Zusammenhängen oder mit Anerkennungs-<br />

und Gleichwertigkeitsaudits<br />

(vgl. Amadeu Antonio Stiftung 2006 und<br />

2008; Kleff/ Seidel 2009) – um die Auseinandersetzung<br />

mit diskriminierenden Einstellungen<br />

und alltäglichen Verhaltensweisen in<br />

herkunftsheterogenen Gesellschaften geht.<br />

Rassismus<br />

Die GMF-Untersuchungen können auch als<br />

Beitrag zu einer international expandierenden<br />

Forschungsrichtung betrachtet werden,<br />

die sich länderübergreifend mit Konzepten<br />

wie Rassismus, negativen Klassifikationen,<br />

Diskriminierungen, Ungleichwertigkeitskonzepten<br />

und mit der Dynamik der Ab- und<br />

Ausgrenzungen unter den gesellschaftlichen<br />

Bedingungen von Zu- und Abwanderung beschäftigt.<br />

Rassismus – verstanden als „quasi<br />

biologisch“ begründete Abwertung und Ausgrenzung<br />

von Menschengruppen – gehört<br />

dabei zu den klassischen ideologischen Elementen<br />

von Faschismus und Rechtsextremismus,<br />

die durch die weltweite Migrationsdynamik<br />

einen neuen Schub erfahren haben.<br />

Während sich die Debatte über Rechtsextremismus<br />

schnell auf Einstellungen und Taten<br />

radikaler Minderheiten eingrenzen lässt, ist<br />

mit der aktuellen Rassismusdebatte eine<br />

deutlich andere politische Perspektive verknüpft.<br />

11<br />

Diskriminierungen und Ausgrenzungen<br />

durch die (einheimische) Mehrheitsgesellschaft<br />

und ihre Institutionen stehen im Zentrum<br />

dieses Ansatzes. Es geht um eine<br />

privilegien- und statussichernde politische<br />

Praxis aus der „Mitte der Gesellschaft“,<br />

nicht selten befördert durch eine Mobilisierung<br />

von Vorurteilen durch etablierte Ak-<br />

teure, Massenmedien und politische Eliten.<br />

Wenn breit in der Gesellschaft vorhandene<br />

fremdenfeindliche, rassistische und negativ<br />

klassifizierende Einstellungen durch entsprechende<br />

politische Unternehmer 12 aufgegriffen<br />

und politisch gebündelt werden, können<br />

– wie in einigen Ländern Europas – rechtspopulistische<br />

Bewegungen entstehen und erfolgreich<br />

in politische Machtkämpfe eingreifen.<br />

Auch wenn negative Klassifikationen der<br />

Mehrheitsgesellschaft und ihr „institutioneller<br />

Rassismus“ bzw. ihre fehlende interkulturelle<br />

Öffnung wichtige Themen darstellen,<br />

trägt diese Forschungsrichtung mit sehr unterschiedlichen<br />

Konzepten dem Umstand<br />

Rechnung, dass wir es gerade in urbanen<br />

Zonen mit einer pluralen, herkunftsheterogenen<br />

Bevölkerung zu tun haben, deren Konflikte<br />

und Problemlagen nicht mehr<br />

angemessen mit Sammelkategorien wie „Ein<br />

heimische“ und „Zugewanderte“ bzw.<br />

„Menschen mit Migrationshintergrund“ begriffen<br />

werden können. Vielmehr entstehen<br />

unterschiedliche Milieus und Gemengelagen,<br />

die quer zu diesen Zuschreibungen integrativ<br />

bzw. ausgrenzend wirken können. Damit verbunden<br />

sind Einstellungen, Akteursgruppen<br />

und politische Konflikte, in denen z.B. Intoleranz,<br />

Abwertungen, Chauvinismus, Rassismus<br />

und Antisemitismus kein Privileg der<br />

„Mehrheitsgesellschaft“ sind. In lokalen Fallstudien<br />

<strong>wird</strong> beispielsweise von „etablierten“<br />

türkischstämmigen Selbstständigen und<br />

ihren Familien berichtet, die verächtlich auf<br />

ein deutschstämmiges Arbeitslosenmilieu in<br />

ihrer Nachbarschaft herabblicken und ihm<br />

fehlende Disziplin und Moral vorwerfen (vgl.<br />

Neckel/ Soeffner 2008).<br />

Antisemitismus<br />

Obwohl Antisemitismus ein klassisches Einstellungsmerkmal<br />

des Rechtsextremismus<br />

darstellt, gibt es genügend Anlass, sich seinen<br />

vielfältigen aktuellen Erscheinungsformen<br />

auch jenseits der rechtsextremen Szene<br />

zu widmen. Neuere vergleichende Studien zu<br />

Vorurteilen in Europa weisen darauf hin, dass<br />

sich das Ausmaß von Antisemitismus in den<br />

einzelnen Ländern Europas stark unterscheidet<br />

– von vergleichsweise niedrigen Niveaus<br />

in Großbritannien und den Niederlanden bis<br />

hin zu weit überdurchschnittlichen in Portugal,<br />

Spanien, Polen, Ungarn und Russland. 13<br />

Nicht bekannt ist demgegenüber, inwieweit<br />

beispielsweise deutschstämmige Zuwander/<br />

innen aus der GUS oder Osteuropa antisemitische<br />

Einstellungen mitbringen. Dass Formen<br />

des Antisemitismus und religiös<br />

geprägte Vorurteile auch bei in Deutschland

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