Handbuch Berufsbildungsbereich - 10 - Vinzenz von Paul-Werkstätten, Schwäbisch Gmünd Revision 1.0, 23.09.2002 10 4 Ziel der beruflichen Bildung am Modellstandort Das Ziel der Beruflichen Bildung am Modellstandort Schwäbisch Gmünd ist die Teilhabe des Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen am Arbeitsleben der Werkstatt. Diese soll durch individuelle ganzheitliche berufliche Förderung sicher gestellt werden. Wir erheben den Anspruch, dass berufliche Bildung für diesen Personenkreis planvoll strukturiert, überprüfbar und erfolgreich durchführbar ist. 10
Handbuch Berufsbildungsbereich - 11 - Vinzenz von Paul-Werkstätten, Schwäbisch Gmünd Revision 1.0, 23.09.2002 11 5 Rahmenbedingungen für die berufliche Bildung von Menschen mit schwersten und mehrfachen Behinderungen 5.1 Umgrenzung des Personenkreises Kaum ein Personenkreis ruft so kontroverse Diskussionen hervor, wie der der Menschen mit schwerster und mehrfacher Behinderung. Der Grund hierfür liegt in den völlig unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungswerten von KollegInnen, die diese Menschen unterstützten. Jede Argumentation basiert auf den eigens gemachten Erfahrungen. Schnell wird darüber diskutiert, was „möglich“ ist und was nicht. Auch in der Literatur finden sich unterschiedliche Darstellungen über den Begriff der „schweren und mehrfachen Behinderung“ (vgl. Hensle/Vernooij 2000, Fröhlich 1991). Geht man davon aus, dass 30% der Menschen mit Behinderungen isolierte motorische, sprachliche oder geistige Beeinträchtigungen, 70% jedoch kombinierte Formen haben, wird die Notwendigkeit einer Differenzierung deutlich. Mehrfachbehinderung wird im Allgemeinen auf drei Ebenen gesehen: Als multiples Syndrom (z.B. Cerebralparese führt gleichzeitig zu Körper-, Sprach- und Lernbeeinträchtigung) Als Folgebehinderung (z.B. Sprachbeeinträchtigung durch Gehörlosigkeit oder Verhaltensauffälligkeit aufgrund geistiger Behinderung) Als sekundäre Behinderung (z.B. zusätzliche Körperbehinderung aufgrund eines Unfalls) Problematisch ist dabei, dass bei der Betrachtung von Körperbehinderung, geistiger Behinderung, Gehörlosigkeit, Sehbehinderung, langfristiger Erkrankung, Lernbehinderung, Sprachbehinderung und Verhaltensauffälligkeit sich schon 36 Möglichkeiten ergeben, jeweils 2 Formen vorzufinden. Gleich auf welcher Ebene, eine Umgrenzung des Personenkreises macht nur Sinn durch die Beschreibung elementarer Bedürfnisse bzw. Unterstützungsleistungen bei � � � � � � der Kommunikation der Erkundung des eigenen Körpers und der Umwelt der Wahrnehmung und Informationsaufnahme in komplexen Situationen der Selbstversorgung der Gestaltung von Aktivität der Arbeit (vgl. Fröhlich1991, 160f.) In der Praxis bildet das elementarste Merkmal der schwersten und mehrfachen Behinderungen nicht selten das „außerordentliche Pflegebedürfnis“. <strong>aktionbildung</strong> wendet sich gegen die Reduzierung von Menschen auf deren Pflegebedürfnis. Schwerste und mehrfache Behinderung muss mit dem Blick auf die Entwicklungsfähigkeit des Menschen umgrenzt werden. Hierbei kann nur individuell verfahren werden. Im Mittelpunkt der Definition darf nicht das Defizit des Menschen stehen, sondern die Möglichkeiten, die er mit zu benennenden Unterstützungsleistungen haben kann, müssen erkannt werden. Am Modellstandort Schwäbisch Gmünd ist der Personenkreis durch die „Aufnahmekriterien für den Förder- und Betreuungsbereich der Stiftung Haus Lindenhof“ (s. Anlage 9.5 Aufnahmekriterien für den FBB, S.67) umgrenzt. Mit dem vorliegenden Handbuch wird empfohlen, eine individuelle und differenzierte Umgrenzung des Personenkreises anhand medizinischer, psychologischer und pädagogischer Dokumentationen vorzunehmen, die eine Aussage zur Teilhabe am Arbeitsleben formuliert. 11