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4<br />

Männerges<strong>und</strong>heit<br />

Mit Schmerz offen umgehen<br />

Echte Männer weinen auch<br />

Wie steht es um den alten Mythos vom Indianer, der keinen<br />

Schmerz kennt oder kennen darf? Muss das starke Geschlecht<br />

wirklich so stark sein? Oder wäre es Zeit <strong>für</strong> ein Umdenken<br />

– zum Wohle der männlichen Ges<strong>und</strong>heit?<br />

„Neurologisch<br />

gibt es<br />

bisher wenig<br />

Hinweise auf<br />

eine unterschiedlicheSchmerzentstehung<br />

bei<br />

Männern <strong>und</strong><br />

Frauen.“<br />

Prim. Univ.-Prof.<br />

Dr. Michael Bach,<br />

Leiter der psychiatrischen<br />

Abteilung am LKH Steyr<br />

17 | April 07<br />

Das Rollenbild vom Mann, der<br />

keine Schwächen zeigt, existiert auch<br />

heute noch. Frauen müssen nicht stark<br />

sein, Männer schon. Aber nicht etwa<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer biologischen Veranlagung.<br />

„In neurobiologischer Hinsicht<br />

gibt es bislang wenig konkrete Hinweise<br />

auf Unterschiede in der Schmerzentstehung<br />

bei Mann oder Frau“, erklärt<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Bach,<br />

Leiter der psychiatrischen Abteilung<br />

am Landes-Krankenhaus Steyr <strong>und</strong><br />

Leiter des Departments <strong>für</strong> Psychosomatik<br />

Enns. Zwar gibt es Menschen,<br />

die schmerztoleranter sind als andere,<br />

dies ist jedoch individuell verschieden,<br />

kommt auch auf die Tagesverfassung an<br />

<strong>und</strong> hat vermutlich mit dem Geschlecht<br />

nichts zu tun.<br />

Sehr wohl geschlechtsspezifische<br />

Unterschiede gibt es aber aufgr<strong>und</strong><br />

der gesellschaftlichen Erwartungen in<br />

der Schmerzäußerung. „Frauen kommunizieren<br />

ihren Schmerz, sie reden<br />

darüber, gehen zum Arzt, nehmen<br />

Medikamente“, erläutert Prim. Dr.<br />

Bach. Männer machen ihre Probleme<br />

eher seltener zum Thema. Mann will<br />

schließlich nicht als Tachinierer oder<br />

Weichei tituliert werden. Der Indianer<br />

kennt den Schmerz also genauso, will<br />

ihn aber meist nicht zugeben. Doch die<br />

Zähne zusammenbeißen ist in diesem<br />

Zusammenhang gefährlich. „Wenn<br />

dem Schmerz kein Raum gegeben wird<br />

<strong>und</strong> man ihn bloß unterdrückt, ist dies<br />

ein ernst zu nehmender Risikofaktor <strong>für</strong><br />

ein Chronischwerden des Schmerzes“,<br />

warnt Prim. Dr. Bach. Der unbehandelte<br />

Schmerz wird stärker, brennt sich ins<br />

Schmerzgedächtnis ein – mit der Folge,<br />

dass die Schmerzschwelle herabgesetzt<br />

wird, selbst ein schwacher Reiz<br />

wird dann als schmerzhaft empf<strong>und</strong>en.<br />

Die früher männlich dominierte Medizin<br />

hat in diesem Zusammenhang umdenken<br />

gelernt. Wo in der Vergangenheit<br />

galt „Das halten Sie schon aus!“ <strong>und</strong><br />

„San´s ned so hysterisch!“, tritt man<br />

heute aktiv dem Schmerz entgegen.<br />

„Zwar kann mithilfe der Therapie die<br />

Schmerzwahrnehmungsschwelle nicht<br />

beeinflusst werden, die Schmerztoleranz<br />

ist jedoch veränderbar. „Hier<br />

setzt die Wirkung von Medikamenten,<br />

Psychotherapie <strong>und</strong> auch von Placebos<br />

an“, erläutert unser Experte.<br />

Neben der Leitung der Psychiatrie<br />

in Steyr steht Prim. Dr. Bach der<br />

Abteilung <strong>für</strong> Psychosomatik in Enns<br />

vor. Dort hat man sich unter anderem<br />

auf chronische Schmerzen spezialisiert.<br />

„Im Durchschnitt leben die Betroffenen<br />

mehrere Jahre mit dem Schmerz, be-<br />

vor sie sich in Behandlung begeben“,<br />

weiß der Primar aus Erfahrung. Denn<br />

der Schmerzkranke hat oft nicht nur mit<br />

dem körperlichen Schmerz zu kämpfen:<br />

„Die Angst vor Stigmatisierung<br />

<strong>und</strong> davor, als Hypochonder abgetan<br />

zu werden, fügt hier zum Krankheitsbild<br />

einen psychischen Leidensdruck<br />

hinzu, der vielen schwer zu schaffen<br />

macht.“ Ein offenerer Umgang mit<br />

Schmerz – egal, ob körperlicher oder<br />

seelischer Natur – wäre demnach aus<br />

vielerlei Hinsicht an der Zeit – <strong>und</strong><br />

zwar bei beiden Geschlechtern. Denn<br />

meist ist der Schmerz behandelbar. Er<br />

muss nur artikuliert werden.<br />

Oft leben Patienten lange mit dem<br />

Schmerz, bevor sie sich untersuchen lassen.

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