Dokument 1.pdf - OPUS - Universität Würzburg
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ten, Musik- und Kulturbetrieb, Touristik, Sport.<br />
Wenn diejenigen, die es angeht, mehr oder we<br />
niger gut mit englischem Vokabular, englischspra<br />
chigen Hinweisen oder Anleitungstexten, Liedern<br />
oder Schriften umgehen, so begründet das noch<br />
lange kein Recht auf Ausschluß der breiten Be<br />
völkerungsschichten und auf Verminderung ihrer<br />
Teilhabechancen an der Kultur. Alle Angehörige<br />
eines Volkes sollten über Spitzen-Erzeugnisse der<br />
Kultur des Landes in der Muttersprache informiert<br />
werden. Wie anders kann die eigene Sprache fort<br />
laufend den Kulturfortschritt in sich aufnehmen<br />
und fördern? Nur wo die eigene Sprache sich er·<br />
folgreich an kulturellen Höchstleistungen erprobt,<br />
entkommt sie dem Schicksal der Mundarten, nur<br />
noch für elementare Verständigungsrituale und<br />
altertümliche Naturbetrachtungen zu taugen.<br />
Wenn aber kluge Voraussicht, demokratische<br />
Solidarität und die Liebe zur eigenen Sprache<br />
nicht ausreichen, die Pflicht zur Verständigung in<br />
der eigenen Gesellschaft zu motivieren, dann<br />
freilich wird das sprachenpolitische laissez-faire,<br />
laissez-aller, das wir uns in Deutschland leisten,<br />
zum Problem. Der französische Gesetzgeber hat<br />
gezeigt, daß es Alternativen gegen kulturellen<br />
Außendruck gibt, an die in Deutschland bisher<br />
keiner zu rühren wagt: die sanktionsbewehrte<br />
Beschränkung des Englischen in der öffentlichen<br />
Kommunikation des Landes.<br />
Deutsch als europäische und globale<br />
Regionalsprache<br />
Der Bamberger Sprachwissenschaftler Helmut<br />
Glück hat vor einiger Zeit in der FAZ die Antwort<br />
der Bundesregierung auf die Große Anfrage der<br />
CDU/CSU·Fraktion im Bundestag analysiert ("zur<br />
Verbreitung, Förderung und Vermittlung der deut<br />
schen Sprache"). Seine Analyse trug die Über·<br />
schrift: "Deutschland zerstört seine Mutterspra<br />
che." Darunter stand: "Weiter so? Auch in der<br />
Sprachen politik bleibt die Hand ruhig" (24. 1.<br />
2002). Offenbar dürfen wir nicht viel erwarten,<br />
wenn wir uns mit dem Anspruch des Deutschen<br />
als Transfermedium beschäftigen.<br />
Als das Ende der Abgrenzung Mittelosteuropas<br />
vom Westen gekommen war, schien es kurze Zeit,<br />
als gebe es Chancen, daß sich die Beziehungen<br />
von Deutschland nach Osten auf den gebahnten<br />
Straßen des Deutschen entwickeln würden. Konn<br />
te man doch an ältere, in der Habsburger Dynas-<br />
tie entwickelte mitteleuropäische Kulturtraditio<br />
nen anknüpfen, die durch Österreich und durch<br />
die DDR fortgepflegt worden waren. Diese 1989<br />
und 1990 noch bestehenden Chancen, Deutsch<br />
als alte europäische Regionalsprache auszubau<br />
en, wurden vertan, je länger desto mehr. Mit<br />
Westdeutschen, so mußten die polnischen, die<br />
tschechischen, die slowakischen, die rumänischen,<br />
die bulgarischen, die diversen baltischen, die<br />
russischen, die ukrainischen Eliten lernen - spricht<br />
man Englisch. Es war dies die gleiche Überra<br />
schung, die Humboldt-Stipendiaten damals erleb<br />
ten, die zu einer Wiederbegegnung mit ihrem ehe<br />
maligen Stipendiengeber eingeladen worden wa·<br />
ren und vom deutschen Repräsentanten dieser<br />
Stiftung auf Englisch begrüßt wurden!<br />
Gründe dafür, warum die kulturpolitischen Chan<br />
cen der Wiederbegegnung auf kulturhistorisch<br />
begründeter und sozialkulturell durchaus noch<br />
relevanter deutscher Sprach basis vergeben wur<br />
den, liegen natürlich in der mißglückten Verar<br />
beitung der NS-Periode. Wir sitzen in jenem ge<br />
schichtspolitisch gezüchteten Komplex gefangen,<br />
der die Selbstverleugnung des Deutschen für ei<br />
nen Akt von Katharsis hält, dem sich zu unter<br />
werfen erste Bürger-Pflicht sei. Der moralische<br />
Obrigkeitsstaat läßt grüßen! Die Pflicht läßt sich<br />
desto eher erfüllen, als die westdeutsche Han<br />
dels- und Wissenschaftselite routinemäßig weit<br />
gehend auf das Englische auszuweichen weiß:<br />
außerdem begründet sich das Ausweichen vor<br />
dem Deutschen im Sprachenregime der EU, die<br />
binationale Projekte zwischen deutschen und mit<br />
telosteuropäischen Wissenschaftlern an die Be<br />
dingung gebunden hat, daß ein drittes EU-Land<br />
mit im Boot sitzt, wodurch Deutsch als Projekt<br />
sprache praktisch ausfiel; nicht zuletzt spielte der<br />
selbstverursachte Stillstand auswärtiger Kultur<br />
politik im Bereich der Sprachförderung eine Rol<br />
le. Alles zusammen trug zur Schwächung, ja zum<br />
Ausfall des Deutschen als Transfermedium ge<br />
genüber Mittelosteuropa bei.<br />
Noch geringer ist die Möglichkeit, Deutsch zu<br />
sprechen, wenn man die Beziehungen zu den USA<br />
und zu Kanada, zu den Staaten der lateinameri<br />
kanischen Kultur, zu den vormals französischen<br />
und englischen Kolonien, zum Mittleren und zum<br />
Fernen Osten ins Visier nimmt. Dabei befinden<br />
sich nicht nur in Städten Lateinamerikas tradier<br />
te deutsche Schulen, die - wenn sich Berlin aus