Thema Bildungsstandards für die Bildnerische Erziehung - Mozarteum
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(siehe Prange 1978, S. 39 ff.). Brezinka zufolge bewegte sich Roths Pädagogische<br />
Anthropologie (Roth 1966, zit. i. F. nach der zweiten Aufl. 1968) „in Herbarts Spuren“<br />
(Brezinka 2007, S. 130), mit dem pädagogischen Fundamentum der „Bildsamkeit des<br />
Zöglings“ (Herbart 1835 § 1). Für Roth ist „[d]er Mensch [...] von Natur aus das<br />
lernende Wesen“ (Roth 1968, S. 147), dessen Lernoffenheit und Fähigkeit, begabt zu<br />
werden und sich zu begaben, nicht gegen genetische Determinanten verrechnet werden<br />
dürfen (Kraul 2007, S. 18). 40 Der „pädagogische Grundgedanke“ schlechthin ist <strong>für</strong> ihn<br />
schon bei seiner Antrittsvorlesung an der Göttinger Universität 1962 das Postulat vom<br />
Menschen als eines „homo educandus“ (Roth 2007, S. 96), womit er in Folge, und das<br />
kann mit Brezinka (2007, S. 131, Anm. 16) so gesagt werden, einigermaßen arglos<br />
Lernnotwendigkeit mit „<strong>Erziehung</strong>sbedürftigkeit“ verschränkt. Ebensolches geschieht<br />
bei Loch, dessen Beschreibung sich wie eine frühe Vorwegnahme des vom Lifelong<br />
Learning beseelten homo competens liest: „[...] homo discens meint nicht nur den<br />
lebenslang lernenden, sich informierenden Menschen, sondern anthropologisch<br />
zwingend auch den lebenslang auf Lern- und Orientierungshilfe, auf Edukation [...]<br />
angewiesenen [...] homo educandus“ (Loch 1967, S. 142; zit. n. Weber 1970, S. 156).<br />
Desgleichen beziehen sich bei Roth „Form und Inhalt menschlichen Lernens [...] auch<br />
auf Gesinnung und Verhalten“ (Roth 1968, S. 147); dass <strong>die</strong>se Feststellung wahrlich aus<br />
berufenem Munde kommt wird deutlich, wenn man mit in Betracht zieht, dass Roth mit<br />
einer Arbeit zum <strong>Thema</strong> „Psychologie der Jugendgruppe. Aufbau, Sinn und Wert<br />
jugendlichen Gemeinschaftslebens“ promovierte, <strong>die</strong> 1938 in der Hauptstelle der Wehr-<br />
macht <strong>für</strong> Psychologie und Rassenkunde ihre Herausgeberin fand (vgl. Roth 1938).<br />
Bleiben jene Schmutzstellen in Roths Biographie ob seiner ver<strong>die</strong>nstvollen Karriere ab<br />
der Nachkriegszeit meist unerwähnt, sind solche „Vergewisserungen“ gewiss kein<br />
„Sakrileg“ (Hoffmann 2007, S. 68), und sie wären es auch dann nicht – hier kann Hoff-<br />
mann widersprochen werden – wenn er nicht „selber damit angefangen“ (ebd.) hätte.<br />
Eine kritische Auseinandersetzung mit seinen Veröffentlichungen im National-<br />
sozialismus wäre sogar ganz in seinem Sinne gewesen, rief er doch selbst dazu auf (vgl.<br />
40 Indem er an Stelle des statischen einen dynamischen Begabungsbegriff setzte, lieferte Roth ein<br />
entscheidendes Gegenargument gegen <strong>die</strong> damals dominante „dogmatische Zusammenführung einer<br />
nativistischen Bildsamkeitstheorie mit sozio-ökonomischen [...] Rahmungen“ (Cloer 2007, S. 79 f.),<br />
das als historisch fortschrittlich zu bewerten ist, wenn es auch in seinem Verhaftetsein an <strong>die</strong><br />
traditionelle Gaußsche „Normalverteilung“ eine nachhaltige Schwäche aufweist (Schlömerkemper<br />
2007, S. 155). Dass <strong>die</strong> Vorstellung von der elitären Auslese der begabteren Kinder ins Gymnasium<br />
nach wie vor in breiten Kreisen als berechtigt wahrgenommen wird, mag mit Schlömerkemper daran<br />
liegen, dass nunmehr „[...] soziale Unterschiede der Menschen [...]“ von den „[...] unterschiedlichen<br />
Graden ihrer Kompetenzen [...] her legitimiert werden können“ (ebd., Hervorheb. entf.).<br />
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