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Die-Jahrhundertluege-V6

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"<strong>Die</strong> Teilung der Staatsgewalt in Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung und ihre<br />

Übertragung auf verschiedene, einander gleichgeordnete Träger" (Zitat aus der Sitzung, 08.09.1948).<br />

Der Wunsch des Verfassungsgebers fand seinen Niederschlag im Wortlaut des Grundgesetzes (z.B. in<br />

Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 92, Art 97 GG). Der Staatsaufbau blieb der alte.<br />

Ein Zitat aus der amtlichen Begründung des Grundgesetzes (06.05.1949):<br />

"Durch die in dem Abschnitt »<strong>Die</strong> Rechtsprechung« getroffene Regelung wird der Gedanke<br />

herausgestellt, daß die rechtsprechende Gewalt neben Legislative und Exekutive die dritte<br />

staatliche Funktion ausübt und im System der Gewaltenteilung den dritten Machtträger darstellt...<br />

Das vorerwähnte Grundprinzip bedeutet insbesondere<br />

1. die Notwendigkeit des Vorhandenseins oder der Schaffung besonderer<br />

Organe für die vorgenannte Seite der Staatstätigkeit;<br />

2. die Verankerung des Gedankens der Einheit und Einheitlichkeit aller<br />

Rechtspflege;<br />

3. zugleich aber Berücksichtigung der Tatsache, dass bestimmte Sparten der<br />

Rechtspflege so sehr eine durch die Sache bedingte Eigenart und einen so<br />

ausgesprochenen eigenen Akzent aufweisen, dass dem auch institutionell<br />

Rechnung zu tragen ist;<br />

4. in formell-organisatorischer Beziehung in einem über die Weimarer Regelung<br />

hinausgehenden Umfang Erhebung der Gerichtsverfassung in die eigentliche<br />

Verfassungsrechtssphäre, wobei auch die sich aus der Notwendigkeit eines<br />

durchgängig demokratischen Staatsaufbaus ergebenden Erfordernisse<br />

entsprechend zu berücksichtigen sind.<br />

Der zu 1. genannte Gesichtspunkt hat seinen Ausdruck gefunden in der Bestimmung des<br />

Artikels 92, der seine jetzige Fassung in der dritten Lesung des Hauptausschusses erhalten hat.<br />

Bemerkenswert erscheint die auf Vorschlag des Redaktionsausschusses erfolgte Vorschaltung<br />

eines besonderen Satzes, der besagt, dass die rechtsprechende Gewalt den Richtern<br />

"anvertraut" ist..."<br />

Der Abschnitt des Grundgesetzes "<strong>Die</strong> Rechtsprechung" beginnt mit Artikel 92. Sein Wortlaut: "<strong>Die</strong><br />

rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht,<br />

durch die in diesem Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder<br />

ausgeübt." Das gab es zuvor in keiner deutschen Verfassung.<br />

In der amtlichen Begründung des Grundgesetzes zum Abschnitt "<strong>Die</strong> Rechtsprechung" ist weiter zu<br />

lesen:<br />

"...Eine bedeutsame Neuerung gegenüber der Weimarer Verfassung liegt darin, dass versucht<br />

worden ist, den besonderen Charakter der Richter als der Repräsentanten der dritten staatlichen<br />

Gewalt, eben der Rechtsprechung, deutlich herauszustellen. <strong>Die</strong> hinter uns liegenden bitteren<br />

Erfahrungen erklären sich zu einem nicht unwesentlichen Teil daraus, dass die Richter mit einer<br />

schweren, soziologisch und historisch bedingten Hypothek belastet waren, dass, wie Prof. Bader<br />

in seiner Schrift über die deutschen Juristen mit Recht hervorgehoben hat, der Richter auch<br />

nach der Trennung der Gewalten ein »kleiner Justizbeamter« geblieben war. Schon seit langem<br />

haben sich gewichtige Stimmen gegen diese Verbeamtung des Richters gewandt; man wollte ihn<br />

statt dessen wieder als ersten Vertreter eines Ur-Berufsstandes, einer menschlichen Urfunktion<br />

angesehen wissen und einen neuen Richtertyp schaffen, unabhängig von allen anderen<br />

Laufbahnen des öffentlichen <strong>Die</strong>nstes. Nunmehr sollen ein besonderes Bundesgesetz bzw.<br />

besondere Landesgesetze die Rechtstellung der Richter regeln und damit, unter Heraushebung<br />

aus der übrigen Beamtenschaft, der Besonderheit des Richteramtes gerecht werden..."<br />

Gemessen an diesen hohen Zielen erschöpfte sich die Reform in schwarzen Druckbuchstaben auf<br />

weißem Papier. Besondere Organe für die Tätigkeit der Rechtsprechenden Gewalt als dem dritten<br />

Machtträger neben Legislative und Exekutive wurden nicht geschaffen. Das deutsche Richtergesetz und<br />

die Richtergesetze der Länder verweisen in wesentlichen Teilen auf die allgemeinen Beamtengesetze<br />

und heben damit die Richterschaft nicht aus der Beamtenschaft heraus, sondern reihen sie dort ein.<br />

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