Die-Jahrhundertluege-V6
You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
Um es auf den Nenner zu bringen: Jene, die zur Wahlurne schreiten, sind nicht automatisch die<br />
”besseren” Demokraten.<br />
Allerdings ist hier zu beachten, dass alle die oben aufgeworfen Fragen nicht den Kern treffen, denn: Ob<br />
jene - von den Parteien gerne als ”Nichtwähler” bezeichneten Bürger - aus völligem politischen<br />
Desinteresse oder aus bewusstem politischen Wollen ihr Nein geäußert haben, dies spielt gemäß<br />
Art. 20 Abs. 2 „GG“ i.V.m. Art. 38 Abs. 2 „GG“, wie auch gemäß Art 3 des 7. Zusatzprotokolls zur<br />
EMRK keine Rolle. Denn auch jene, die keiner der sich anbietenden Parteien und keinem Kandidaten ihr<br />
Vertrauen schenken wollten, sind gleich- und wahlberechtigter Teil des Volkes, und das bedeutet, dass<br />
sie mit allen anderen Wahlberechtigten die Legitimationsgeber für die politisch Handelnden in den drei<br />
Staatsgewalten sind, wenn sie denn hierzu Vertrauenswürdige finden, sprich wählen konnten.<br />
Nichts anderes garantiert dem Volke der Art. 20 Abs. 2 „GG“: ”Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.<br />
Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (...) ausgeübt.” Das ”Volk” ist nicht nur ein Club der<br />
Parteiwähler. Daher heißt es im „Grundgesetz“ auch nicht ”Alle Staatsgewalt geht von jenem Teil des<br />
Volkes aus, der eine der Parteien oder einen der Kandidaten gewählt hat.”<br />
<strong>Die</strong> erste Grundlage für das grundgesetzgemäße Letztbestimmungsrecht des Souveräns, des Volkes,<br />
wird insbesondere deutlich aus der ”Grundfrage jedes Einzelnen in einer Demokratie”, wie sie im<br />
ersten Teil, Kapitel VII, Abschnitt ”<strong>Die</strong> sechs Elementar-Freiheiten“ schlicht formuliert worden ist:<br />
Grundfrage jedes Einzelnen in einer Demokratie: Wann wurdest du von mir dazu legitimiert, für und über<br />
mich bestimmen zu dürfen?<br />
Und auch wenn diese „Wahlverfälschungen“ seit rund 60 Jahren praktiziert werden, wird dadurch dieses<br />
grundgesetz- und menschenrechtswidrige Verhalten, das sich gegen einen Teil des Volkssouveräns<br />
richtet, nicht besser oder gerechtfertigter.<br />
<strong>Die</strong> Folgen sind auch an aktuellen Wahlergebnissen zu erkennen: <strong>Die</strong> bisher stets verfälschten<br />
Wahlprozentsätze ermöglichen es, dass im Frühjahr 2006 eine Landespartei, die nur rund 26 Prozent<br />
der Wahlberechtigtenstimmen erhalten hat, dreist gar von einer ”absoluten Mehrheit” sprach und so auch<br />
noch das Recht auf alleinige Regierungsbildung für sich behauptete und dies auch - unter Missachtung<br />
des Mehrheitsprinzips - durchzog.<br />
Schauen wir uns dazu einmal an, was Mehrheit im politischen Sprachgebrauch überhaupt bedeutet:<br />
Der Art. 121 „GG“ definiert den Begriff ”Mehrheit” im „Bundestag“ und der „Bundesversammlung“:<br />
”Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Bundesversammlung im Sinne dieses Grundgesetzes<br />
ist die Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitgliederzahl.”<br />
Das bedeutet: Bei Abstimmungen wird der prozentualen Berechnung stets die Gesamtzahl der<br />
gesetzlichen Mitglieder des „Bundestages“ oder der „Bundesversammlung“ zu Grunde gelegt.<br />
Stimmenthaltungen werden nicht von dieser Berechnungsbasis (100 Prozent) abgezogen, vielmehr wird<br />
stets ”in allen Fällen (...) die gesetzliche Mitgliederzahl zugrunde gelegt” (Seifert/Hömig, Kommentar zum<br />
Grundgesetz, 5. Aufl., Nomos).<br />
”Mehrheit” heißt also, dass mehr als die Hälfte der Gesamtzahl der Abstimmungs- oder<br />
Wahlberechtigten mit Ja oder Nein zu einer Sache oder zu einem zu Wählenden gestimmt haben.<br />
Daraus folgt zwingend:<br />
Was bereits gemäß einfacher Denkgesetze zu Recht gilt und so auch gemäß Art. 121 „GG“ für den<br />
„Bundestag“ Geltung hat, dessen Mitglieder auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 2 i.V.m.<br />
Art. 38 Abs. 2 „GG“ durch den Volkssouverän, also die Wahlberechtigten in Wahlen bestimmt werden,<br />
dann muss dies zu Recht für jede Wahl durch die Mitglieder des Volkssouveräns gelten, welche über die<br />
Mitgliedschaft in einem Parlament entscheidet. Gleiches gilt auch für die Wahl wesentlicher Mitglieder<br />
der beiden anderen Staatsgewalten.<br />
Der Jurist Peter Badura formulierte zum Begriff ”Mehrheitsprinzip” in seinem Buch ”Staatsrecht”, (Beck<br />
Verlag München, 2. Auflage, 1996): ”Das Mehrheitsprinzip ist Konsequenz aus dem<br />
Gleichheitsgrundsatz, der in der Demokratie jedem den gleich bemessenen Anteil an der politischen<br />
Willensbildung gibt.”<br />
<strong>Die</strong> unvermeidbare Folge: Eine Minderheit darf einer Mehrheit ihren Willen nicht aufzwingen!<br />
86