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LEUCHTTURM<br />
Kapitulation vor Investoren<br />
Worum es bei TTIP wirklich geht<br />
Von Mechthild<br />
Schrooten<br />
Die Autorin ist<br />
Professorin für<br />
Volkswirtschaftslehre<br />
an<br />
der Hochschule<br />
Bremen<br />
Das geplante TTIP-Abkommen<br />
(Transatlantic Trade<br />
and Investment Partnership)<br />
zwischen der EU und den USA<br />
setzt auf drei Säulen: Freihandel,<br />
Anerkennung von Standards und<br />
Investitionsschutz. Detailinformationen<br />
sind rar. Trotz dieser<br />
Informationsdefizite gibt es wissenschaftliche<br />
Studien, die die<br />
Vorteilhaftigkeit des geplanten<br />
Freihandelsabkommens berechnen.<br />
Die potenzielle Vorteilhaftigkeit<br />
von Freihandel und<br />
Arbeitsteilung ist eine Erkenntnis<br />
aus dem 18. Jahrhundert. Diese<br />
Erkenntnis institutionell zu verankern,<br />
ist die Aufgabe der<br />
Welthandelsorganisation (WTO).<br />
Um die WTO ist es in diesen<br />
Tagen still geworden. Immer<br />
weniger geht es bei aktuellen<br />
Handelsverhandlungen und Verträgen<br />
um echten internationalen<br />
Freihandel - bilaterale Abkom-<br />
16<br />
men beherrschen die Debatten.<br />
Auch beim TTIP geht es nicht um<br />
internationalen Freihandel, sondern<br />
um die Schaffung neuer<br />
Wirtschaftsblöcke. Es ist in<br />
großem Maße ein Anti-Freihandelsabkommen.<br />
Die zweite Säule des TTIP ist<br />
die wechselseitige Anerkennung<br />
von Standards. Der „Chlorhühnchen-<br />
Blick“ verharmlost das<br />
Ausmaß der möglichen Anpassung.<br />
Denn die USA und die EU<br />
sind in weiten Bereichen des<br />
öffentlichen Lebens und der<br />
Daseinsfürsorge höchst unterschiedlich<br />
aufgestellt: In Europa<br />
könnten sich so weitere Liberalisierungsschritte<br />
und marktwirtschaftliche<br />
Elemente durch die<br />
Hintertür des Freihandelsabkommens<br />
durchsetzen lassen. Gesellschaftsordnungen<br />
sind aber keine<br />
standardisierten Fertigprodukte.<br />
Wie weit die staatliche Risikoprävention<br />
in einzelnen Ländern<br />
geht, lässt sich nicht sinnvoll<br />
durch Verträge zwischen Wirtschaftsräumen<br />
festschreiben.<br />
Entscheidend ist aber der<br />
Investitionsschutz. Staatlicher Investitionsschutz<br />
ist das ganze<br />
Gegenteil von Freihandel und<br />
mehr Markt. Daher ist besonders<br />
dann aufzuhorchen, wenn dieser<br />
staatliche Schutz im Gewande<br />
eines Freihandelsabkommens<br />
kommt. Der Investitionsschutz<br />
soll durch ein privates Schiedsgericht<br />
abgesichert werden. Der<br />
Staat kapituliert damit vor den<br />
Auslandsinvestoren. Sinnvolle<br />
Argumente für einen solchen<br />
Investitionsschutz gibt es nicht.<br />
Die Politik hat offenbar nicht<br />
gelernt, dass dem Staat im 21.<br />
Jahrhundert eine komplexere<br />
Rolle zukommt, als die Renditen<br />
des Unternehmenssektors zu<br />
sichern. Zweifel sind angebracht,<br />
ob so Zukunftsfähigkeit aussieht.<br />
TTIP - eine Gefahr für die Demokratie?<br />
Das Freihandelsabkommen gefährdet unsere Souveränität. Ausweg könnte ein<br />
internationaler Gerichtshof sein.<br />
Von Oliver<br />
Strank<br />
0liver Strank<br />
arbeitet als<br />
Rechtsanwalt in<br />
Frankfurt. Er<br />
war UN-Referent<br />
und ist<br />
Experte für Völkerrecht.<br />
Selten war etwas, das es noch<br />
gar nicht gibt, so umstritten.<br />
Für den ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten<br />
Barroso ist<br />
TTIP das größte und billigste<br />
Konjunkturprogramm aller Zeiten.<br />
Einerseits. Demonstranten<br />
gegen TTIP skandieren: „TTIP ist<br />
böse“. Andererseits. Bereits die<br />
intransparenten Verhandlungen<br />
zum TTIP werden zu Recht als<br />
undemokratisch empfunden. Ob<br />
das Demokratieprinzip gewahrt<br />
wird, hängt maßgeblich davon ab,<br />
ob TTIP am Ende von<br />
demokratisch legitimierten Volksvertretern<br />
ratifiziert werden muss.<br />
Nur dann kann von jener<br />
ununterbrochenen Legitimationskette<br />
zwischen dem Souverän -<br />
den Bürgern Europas - und ihren<br />
gewählten Vertretern die Rede<br />
sein, die das Demokratieprinzip<br />
zwingend voraussetzt. Außer dem<br />
EU-Parlament muss in Deutschland<br />
auch der Bundestag zustimmen,<br />
da TTIP als sogenanntes<br />
gemischtes Abkommen zu qualifizieren<br />
sein dürfte.<br />
Wie ein Tropfen Pastis<br />
ausreicht, um ein Glas Wasser zu<br />
trüben, machen schon einzelne<br />
Unterpunkte eines Abkommens<br />
das Abkommen als Ganzes von<br />
der Zustimmung aller EU-<br />
Mitgliedsstaaten abhängig. Dieser<br />
Tropfen Pastis dürfte bei TTIP<br />
zumindest das umfassende Investitionsschutzkapitel<br />
sein. Es<br />
beschränkt sich nicht auf reine<br />
Handelsfragen, für welche die<br />
EU-Kommission in der Tat die<br />
ausschließliche Abschlusskompetenz<br />
besitzt, sondern greift allein<br />
aufgrund seiner Tragweite in den<br />
Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten<br />
ein. Bundestag und<br />
Bundesrat - und alle anderen EU-<br />
Mitgliedsstaaten - müssten Ceta<br />
und TTIP daher ratifizieren. Dann<br />
wäre zumindest in diesem Punkt<br />
das Prinzip der repräsentativen<br />
Demokratie gewahrt.<br />
Zwar dürfte TTIP als völkerrechtlicher<br />
Vertrag vor dem<br />
Bundesverfassungsgericht wohl<br />
kaum justiziabel sein. Ein<br />
entsprechendes Zustimmungsgesetz<br />
des Bundestags dagegen<br />
schon. Dass die Karlsruher Richter<br />
die privaten Schiedsgerichte als<br />
verfassungswidrig einstufen, ist<br />
kein unrealistisches Szenario.