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Das Erbe der Weltenspringer (Leseprobe 167 Seiten)

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›Nein‹, stammelte ich etwas unbeholfen. ›Ich brauch eher einen Freund.‹<br />

Da würde er sich gerade mal anbieten, meinte er. Er dachte, wir seien<br />

doch längst schon Freunde. Da stand ich also wie<strong>der</strong> mal voll im Fettnäpfchen.<br />

›Natürlich sind wir Freunde‹, versicherte ich und fügte hinzu, dass ich<br />

sogar meinte, wir seien sehr gute Freunde, was Stefan auch bestätigte. Ich<br />

bräuchte jetzt aber nicht nur einen guten Freund, ich bräuchte einen<br />

Bru<strong>der</strong>, einen Gefährten. Einen, dem ich voll und ganz vertrauen könnte,<br />

<strong>der</strong> verschwiegen wäre, <strong>der</strong> mir nicht gleich einen Vogel zeigte, wenn ich<br />

ihm unglaubliche Dinge erzählen würde. Ich bräuchte jemanden, mit<br />

dem ich meine Erlebnisse teilen könnte, sonst würde ich platzen. ›Und<br />

ich denke, du bist so ein Freund‹, sagte ich, und dass ich es jedenfalls<br />

hoffen würde.<br />

Stefan war sichtlich gerührt, dass ihm so hohes Ansehen zuteilwurde<br />

und er schien erleichtert, dass <strong>der</strong> Herr des Hauses an unseren Tisch<br />

kam, weil ihm das schon fast ein bisschen zu intim war. Ich bin mir jetzt<br />

aber nicht sicher, ob ich überhaupt Herr des Hauses sagen darf, denn<br />

Antonio war eine Dragqueen und nannte sich selbst Antonia. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />

ihn kannte, sprach ihn aber nur mit Toni an.<br />

›Na Ihr zwei Hübschen‹, sagte Toni mit leicht näseln<strong>der</strong> Stimme und<br />

eindeutig tuntiger Sprechweise mit italienischem Akzent, was echt lustig<br />

klang. ›Ich hab eure schlanken Traumkörper ja schon lange nicht mehr<br />

hier gesehen.‹<br />

Er trug ein schrilles schulterfreies Mie<strong>der</strong> in roter bis violetter Farbgestaltung.<br />

Dazu ein Tutu aus rosa Tüll, welches viel von seiner glatt<br />

rasierten Brust und seinen ebenso glatten, aber eindeutig männlichen<br />

Beinen zeigte, die aufgrund irgendeiner glitzernden Creme bunte Lichtreflexe<br />

abgaben. In <strong>der</strong> Perücke mit langem schwarzem Haar trug er eine<br />

riesige rosa Schleife aus dem gleichen Tüll, die mit dem knalligen Rot<br />

seiner Lippen konkurrierte. Zusammen mit seinen scheinbar wahllos<br />

bunt geschminkten Augen und einem Pfund Rouge im Gesicht machte er<br />

dem Namen seines sehr speziellen Restaurants wirklich alle Ehre. Hier<br />

wäre ich aus eigenem Antrieb sicherlich nie eingekehrt, aber Markus<br />

hatte mich damals mit reingeschleppt, weil es echt gutes italienisches<br />

Essen zu erstaunlich mo<strong>der</strong>aten Preisen gab, und Toni war wirklich ein<br />

netter, lustiger und ganz und gar untypischer Italiener. Natürlich gab es<br />

hauptsächlich Szene-Publikum, was uns aber eher belustigte als störte.<br />

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