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IHR RECHT

LAW & ORDER

IST DIE BEKÄMPFUNG

VON CORONA DURCH

VERFASSUNGSBRUCH

ZULÄSSIG?

text by

DR. KLAUS BURKA

Rechtsanwalt/Immobilientreuhänder

IMMER WIEDER ERLEBE ICH IN DISKUSSIONEN die Argumentation,

dass das höchste Gut die Gesundheit der Menschen in einem Staat

ist und daher der Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleisteten

Rechte der in Österreich lebenden Menschen gerechtfertigt ist. Österreich

scheint derzeit gespalten zu sein, die einen sind die Befürworter der

Corona-Bekämpfungsmaßnahmen, die anderen sind deren Gegner, - oft

auch als Verschwörungstheoretiker bezeichnet.

Doch gerade im 100. Geltungsjahr der österreichischen Bundesverfassung

sollte man mit solchen Polarisierungen vorsichtig sein. Hans

Kelsen, der als Architekt der Österreichischen Bundesverfassung bezeichnet

werden kann, stellte die verfassungsrechtlich gewährleisteten

Rechte der Bürger an die oberste Stelle der Rechtsordnung, in welche

nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen eingegriffen werden darf.

Es gibt eine Vielzahl von diesen Grundrechten, wobei einige nur

für österreichische Staatsbürger gelten (mit Stern gekennzeichnet):

• Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art. 7 B-VG;

Art. 2 StGG)*

• Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art. I BVG

zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die

Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung)

• Recht auf Leben (Art. 85 B-VG, Art. 2 EMRK, 6. ZPEMRK)

• Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung

(Folter) unterworfen zu werden (Art. 3 EMRK)

• Recht auf persönliche Freiheit (BVG persönliche Freiheit; Art. 5

EMRK)

• Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft, der Zwangs- und Pflichtarbeit

Art. 4 EMRK; Art. 7 StGG)

• Recht auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens (Art. 4 Abs. 1

StGG; Art. 2 Abs. 1 4. ZPEMRK)

• Recht der freien Wahl von Aufenthalt und Wohnsitz (Art. 6 Abs. 1

StGG; Art. 2 Abs. 1 4. ZPEMRK)

• Verbot der Ausweisung aus dem Heimatstaat (Art. 3 Abs. 1 4. ZPEM-

RK) * und Recht auf Einreise in den Heimatstaat (Art. 3 Abs. 2 4.

ZPEMRK)*

• Unverletzlichkeit des Hausrechtes (Art. 9 StGG; Gesetz zum Schutz

des Hausrechts; Art. 8 EMRK)

• Schutz des Briefgeheimnisses (Art. 10 StGG; Art. 8 EMRK) und des

Fernmeldegeheimnisses (Art. 10a StGG; Art. 8 EMRK)

• Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG; Art 1 1.

ZPEMRK)

• Recht auf Erwerbs(ausübungs)freiheit (Art. 6 StGG)*

• Recht auf Freiheit des Liegenschaftsverkehr (Art. 6 StGG)*

• Recht auf Freiheit von Berufswahl und Berufsausbildung (Art. 18

StGG)

• Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 13 StGG; Art. 10 EMRK)

• Recht auf Datenschutz (§ 1 Datenschutzgesetz)

• Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK)

• Recht der Eheschließung und auf Familiengründung (Art. 12 EMRK)

Recht auf Vereins- und auf Versammlungsfreiheit (Art. 12 StGG)

• Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit einschließlich der Freiheit

der Religionsausübung (Art. 14 und 16 StGG; Art. 9 EMRK)

• Recht auf Zivildienst (§ 2 Zivildienstgesetz) *

• Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2

B-VG)

• Recht auf eine gerichtliche Entscheidung in Zivil- und Strafsachen

und auf ein faires Verfahren sowie auf einen rechtsstaatlichen Mindeststandard

im Strafprozess (Art. 6 EMRK)

• aktives und passives Wahlrecht (Art. 26, 60, 95 und 117 B-VG) *

Zu den verfassungsgesetzlich geschützten Rechten der Minderheiten

zählen zum einen solche, die die Gleichbehandlung der Minderheitsangehörigen

gebieten und Diskriminierungen untersagen (Art. 62 ff.

„Die Politiker sollten bei ihrem

Handeln immer daran denken,

dass sie bei ihrer Angelobung den

Eid abgelegt haben, die Gesetze der

Republik Österreich einzuhalten.“

Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye), und zum anderen spezifische

Sonderrechte des Gebrauchs der eigenen Sprache vor Behörden

sowie im Bereich des Unterrichts- und Erziehungswesens und des Kulturlebens

(Art. 7 Staatsvertrag von Wien).(Quelle Österreichischer Verfassungsungsgerichtshof

–Homepage)

Jüngst hat der Verfassungsgerichtshof zahlreiche Vorschriften, die beim

ersten Lockdown nicht ordnungsgemäß verordnet worden sind, wegen

unzulässiger Eingriffe in die Grundrechte aufgehoben. Dies waren im

Wesentlichen:

• Beschränkung betreffend den Einlass von Besuchergruppen in Gaststätten

(max. 4 Erwachsene, wenn sie nicht in einem gemeinsamen

Haushalt leben).

• Das Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 10 Personen.

• Maskenpflicht an öffentlichen Orten in geschlossenen Räumen

(Amtsräumen etc.).

• Das Betretungsverbot für Gaststätten und selbstständige Waschstraßen,

wenn sie nicht an eine Tankstelle angeschlossen sind.

• Aufsperren im Handel abhängig von der m² Anzahl des Geschäftes.

• 1 Meter Mindestabstand zwischen den Tischen in Gaststätten. (Alle

Quelle Law-Update ÖRAK).

Bei allen aufgehobenen Bestimmungen sprach der Verfassungsgerichtshof

aus, dass die Behörde (Bundesminister) es unterlassen habe, die

Beweggründe und die Abwägungen für die Erlassung der jeweiligen

Verordnungen aufzuzeigen, damit ein Eingriff in die Grundrechte zulässig

ist. Damit sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass bei derartigen

schweren Eingriffen in ein Grundrecht für den Einzelnen zu erkennen

sein muss, warum ein derartiger Eingriff gerechtfertigt ist. Das Abhalten

von Pressenkonferenzen in denen versucht wurde, derartige Eingriffe zu

erklären, ist jedenfalls zu wenig.

Auch wurden zahlreiche Bescheide/Straferkenntnisse aufgehoben,

in welchen Bürgern Verstöße gegen die Rechtsordnung vorgeworfen

wurden, obwohl eine entsprechende Verordnung überhaupt nicht existierte

(Personenbeschränkungen bei Osterfeiern etc.).

Aus Sicht der Verfassung ist ein Eingriff in die verfassungsmäßig

gewährleisteten Rechte zulässig, wenn sie ausreichend dokumentiert

sind und die Beweggründe für die Eingriffe klar und eindeutig nachzuvollziehen

sind. Dies muss auch in schweren Zeiten so sein und erlaubt

keine Ausnahmen.

Die Politiker sollten bei ihrem Handeln immer daran denken, dass sie

bei ihrer Angelobung den Eid abgelegt haben, die Gesetze der Republik

Österreich einzuhalten. Dies gilt auch in Zeiten einer Pandemie.

Sie sehen also, dass Eingriffe sehr wohl zulässig sind, sich aber im

Rahmen der Rechtsordnung bewegen müssen und wir Bürger nicht alles

hinnehmen müssen.

Bei Fragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung, bleiben Sie gesund

und kritisch!

Ihr

Dr. Klaus Burka

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