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FINE ARTS

ERBARMT EUCH DER FRAUEN

Im Jahr 1957 las Lotte Profohs die deutsche Erstausgabe des Romans

„Pitié pour les Femmes“ von Henry de Montherlant (1895–1972). Das

unter dem Titel „Erbarmen mit den Frauen“ erschienene 700-seitige

Werk wurde unter anderem auch von Simone de Beauvoir heftig kritisiert,

da es viele frauenfeindliche Aussagen enthält. Im vierten Teil der

Tetralogie schreibt Montherlant: „Der Fortschritt vollzieht sich nicht

durch die Frauen, sondern trotz ihnen […] Die Wissenschaft, die Vernunft,

die Gerechtigkeit, alles Beste des Patrimoniums unserer Art ist

bedroht durch das Auftreten der Frau.“ Das Gelesene beschäftigte Lotte

Profohs sehr, nach der Geburt ihres Sohnes Anselm Daniel entstanden

in den Jahren 1960 und 1961 etwa 200 Zeichnungen zu diesem

Thema. Sie sind als eine Art Antwort auf den Roman zu verstehen, der

Zyklus wurde jedoch leicht umbenannt. Aus dem „Erbarmen mit den

Frauen“ wurde schließlich eine Aufforderung: „Erbarmt euch der Frauen“!

Das Buch mit einer Auflage von 2500 Stück wurde bewusst sehr

schlicht gestaltet, um nicht von den Bildern und ihrer Botschaft abzulenken.

Weitere 25 Grafiken wurden 1962 in der gleichnamigen Ausstellung

in der Kunsthalle Düsseldorf ausgestellt. Obwohl Frauenthemen

zu der damaligen Zeit nicht besonders gefragt waren, kam der

Zyklus von Lotte Profohs sehr gut an. Verlassene und einsame Menschen

wurden von der Gesellschaft ausgeblendet und waren zum Teil

gar nicht sichtbar, trotzdem – oder gerade deswegen – widmete sich

Profohs diesem Thema.

Profohs wollte versuchen, „Frauen in ihren Nöten und in ihrer Existenz

sichtbar zu machen“. Die Zeichnungen von Lotte Profohs entstanden

ohne Vorzeichnungen, nichts – meist nicht einmal das Thema – war

geplant.

LOTTE PROFOHS wurde 1934 in Wien geboren und lernte als junge

Frau an der Akademie der angewandten Künste ihren späteren

Mann Helmut Leherb kennen, für den sie auch Modell stand.

Seit Beginn ihrer Beziehung Anfang der 1950er Jahre war Profohs ein

wichtiges Modell für die Werke ihres Mannes. Sie unterstützte das Werk

ihres Mannes intensiv; so gab sie ihre eigene Karriere nahezu auf und

trat in den Hintergrund. Dies hatte die Konsequenz, dass sich ihr Bild

in der Öffentlichkeit veränderte: „Ich wurde als Luxusgeschöpf abgestempelt,

man sah mich nur noch als Madame Leherb, das blondhaarige

Modell für die Bilder meines Mannes. Dabei habe ich wenig Zugang

zum Surrealismus“. Sie bezeichnete sie sich selbst stets als

Expressionistin.

Profohs war bereits Anfang der 1950er Jahre als Grafikerin und Malerin

international anerkannt; ihre Arbeiten wurden von renommierten Museen

(Louvre) und Sammlungen angekauft. Respektierung ihrer Person

als Frau und ebenso die Anerkennung für ihr Werk, waren für sie sehr

wichtig.

Profohs schuf unzählige Werke, die meisten haben einen sozialkritischen

Hintergrund und sind schwarz-weiß gestaltet. Sie arbeitete kaum

in Farbe, da sie dies als unbefriedigend empfand: „… außerdem liegt

ebenso viel Farbe in dem großen Spektrum der Grauwerte und Schattierungen“.

Profohs beschäftigte sich mit Menschen am Rande der

Gesellschaft und mit feministischen Themen, die sich v. a. nach einer

Begegnung mit Simone de Beauvoir verstärken sollten. Ihre Werke

wurden auch in die Sammlung des Verbunds der Feministischen Avantgarde

aufgenommen.

SCHRECKEN DER LEIDENSCHAFT

Profohs war eine große Literaturliebhaberin, daher nahm sie das Angebot

zwei Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe zu illustrieren gerne an.

Das Buch „Schrecken der Leidenschaft“ mit dem passenden Untertitel

„Für Furchtsame & Tapfere“ erschien 1973 in Reihe „Bücher aus der

Schatztruhe“ im Verlag Kremayr & Scheriau in Wien. Der Zyklus, der

in „Schrecken der Leidenschaft“ abgebildet, ist, wurde vom Verlag „Die

arabesken Träumungen geliebter Gesichter“ genannt und umfasst zwölf

Blätter.

EMIGRANTEN DER ZEIT

Profohs hatte im Jahr 1989 ihre letzte Einzelausstellung in der österreichischen

Postsparkasse. Ihr Stil hat sich langsam und schrittweise verändert,

bei dem Zyklus „Emigranten der Zeit“, der ab 7. November

1989 gezeigt wurde, sieht man den Wandel sehr deutlich. Lotte Profohs

beschäftigte sich auch schon vor 1989 mit dem Thema der Emigration

und begann Jahre vor dieser Ausstellung Vertriebene zu zeichnen. In

ihren Werken wird ihr eigener Dialog mit den Menschen dargestellt.

Lotte Profohs verstand eine Emigration jedoch nicht nur als einen Ortwechsel,

sondern auch als einen inneren Aufbruch.

Im Jahr 2018 wurde in Wien-Donaustadt (22. Bezirk)

der Lotte-Profohs-Weg nach ihr benannt.

Bei Interesse für einen

Ankauf, als Ansprechpartnerin

und Nachlassverwalterin:

Dr. Angela Kundegraber-Leherb, Enkelin des

Künstlerehepaars, lebt in Wien. Sie arbeitet als

Psychotherapeutin, Sprachwissenschaftlerin

und verwaltet den künstlerischen Nachlass von

Profohs und Leherb.

info@maitre-leherb.at

www.maitre-leherb.at

www.lotte-profohs.at

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