VGB POWERTECH 7 (2021) - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat
VGB PowerTech - International Journal for Generation and Storage of Electricity and Heat. Issue 7 (2021). Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us! Optimisation of power plants. Thermal waste utilisation.
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Technical Journal of the VGB PowerTech Association. Energy is us!
Optimisation of power plants. Thermal waste utilisation.
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Editorial <strong>VGB</strong> PowerTech 7 l <strong>2021</strong><br />
Der Blick auf´s Ganze: Entwicklung und Ausbau<br />
einer modernen Energieinfrastruktur<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
dass wir den 8. Januar <strong>2021</strong><br />
in Europa nicht als einen<br />
Tag mit schlechten Erinnerungen<br />
halten, ist unter<br />
<strong>and</strong>erem sicherlich noch<br />
ausreichend vorh<strong>and</strong>enen<br />
regelbaren, flexiblen<br />
Stromerzeugungskapazitä ten<br />
sowie zielgerechten Maßnahmen<br />
auf Ebene des Netzbetriebs<br />
zu verdanken.<br />
Was war geschehen? Am 8.<br />
Januar <strong>2021</strong>, gegen 14:05<br />
Uhr mittags, st<strong>and</strong> Europa<br />
kurz vor einem Blackout.<br />
In einem Umspannwerk in Kroatien löste auf der<br />
400-kV-Hochspannungsebene ein Überstromschutzschalter<br />
aus. Als Folge führten quasi kaskadenartige weitere<br />
Ausfälle von sowohl Stromleitungen als auch Schaltanlagen<br />
in Südosteuropa zu einer krisenhaften Entwicklung<br />
des Betriebszust<strong>and</strong>es im gesamten europäischen Stromverbundnetz.<br />
Folgerichtig wurde das Netz automatisch in<br />
einen südöstlichen und einen nordwestlichen Netzteil getrennt.<br />
Da vor dieser Trennung die geografische Verteilung<br />
der Stromerzeugung ungleich war – es wurde Strom von<br />
Ost nach West transportiert – führte dies zu einem Frequenzanstieg<br />
auf 50,6 Hz im Ostteil und einem Frequenzabfall<br />
im Westteil auf 49,74 Hz. Ein beziehungsweise mit der<br />
Netztrennung zwei Blackouts aufgrund dieser kritischen<br />
Abweichungen von der normalen Netzfrequenz von exakt<br />
50 Hz konnten vermieden werden. Im nordwestlichen Teilnetz<br />
mit „fehlender Erzeugung“ glichen Großkraftwerke aller<br />
Erzeugungsarten nach dem ersten Abfangen durch die<br />
Schwungmassen der rotierenden Maschinensätze mit zusätzlich<br />
schneller Leistungssteigerung das Erzeugungsdefizit<br />
aus. Außerdem konnten vertraglich vorgesehene Lasten<br />
in Form von Industrieverbrauchern mit einer Leistung<br />
von insgesamt 1,7 GW vor allem in Frankreich und Italien<br />
vom Netz genommen werden. Im südöstlichen Teil konnte<br />
die Netzsituation durch schnelle Abregelung von Erzeugungskapazitäten<br />
sowie Umschaltung von Erzeugungs- auf<br />
Pumpbetrieb bei Wasserkraftanlagen entspannt werden.<br />
Sowohl auslösendes Ereignis als auch Folgen und Gegenmaßnahmen<br />
sind zwischenzeitlich ausführlich analysiert<br />
und dokumentiert. ENTSO-E, der Verb<strong>and</strong> der europäischen<br />
Netz- und Übertragungsnetzbetreiber hat dazu ausführliche<br />
Dokumente veröffentlicht, die über die Webseite,<br />
www.entsoe.eu, zugänglich sind.<br />
<strong>VGB</strong> PowerTech verweist in seinen White Paper „Energy<br />
is us – Being Part <strong>of</strong> the Future Energy System“* auf acht<br />
strategische H<strong>and</strong>lungsfelder, die für das Erreichen einer<br />
nachhaltigen, umweltfreundlichen, sicheren und wirtschaftlichen<br />
Energieversorgung gekoppelt sind. Ausbau der<br />
Erneuerbaren, Stärkung der Flexibilität im Energiesystem<br />
sowie Gewährleistung der Versorgungssicherheit sind im<br />
Lichte des 8. Januars <strong>2021</strong> drei maßgebliche Themen.<br />
Als ein weiteres soll hier der Aspekt der „Entwicklung und<br />
Ausbau einer modernen Energieinfrastruktur“ aufgegriffen<br />
werden:<br />
„Zu einer modernen Energieinfrastruktur zählt neben den<br />
Stromnetzen auch die digitale Infrastruktur, die die verschiedenen<br />
Anlagen sowie die Akteure – z.B. in Form von<br />
virtuellen Kraftwerken – mitein<strong>and</strong>er vernetzt. Die Verbindung<br />
benachbarter Übertragungsnetze durch Interconnections<br />
trägt wesentlich zur Systemflexibilität und zur<br />
Versorgungssicherheit bei. Daher hat sich die Europäische<br />
Union zum Ziel gesetzt, den Anteil der Interconnections bis<br />
2030 auf 15 Prozent zu erhöhen. Das bedeutet, dass jedes<br />
EU-Mitgliedsl<strong>and</strong> in der Lage sein sollte, 15 Prozent seiner<br />
Stromkapazitäten in seine Nachbarländer weiterzuleiten.<br />
Über die Netz- und IT-Infrastruktur hinaus spielt auch die<br />
Platzierung der Anlagen eine wichtige Rolle. So sollte der<br />
Ausbau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien<br />
H<strong>and</strong> in H<strong>and</strong> mit dem Stromnetzausbau gehen und die<br />
geografische Verteilung der vorh<strong>and</strong>enen Erzeugung und<br />
der Last berücksichtigen. Ein weiteres Beispiel sind Anlagen<br />
zur indirekten Sektorkopplung, die möglichst nah an<br />
Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien sowie an Knotenpunkten<br />
zwischen Strom- und Gasnetz platziert sein<br />
sollten.“<br />
Es gilt also, bei der Stromversorgung – sicher, umweltschonend,<br />
nachhaltig und wettbewerbsfähig – im Ganzen,<br />
mehrdimensional zu denken. Erzeugung, Verteilung und<br />
Verbrauch sind wie in keinem <strong>and</strong>eren Sektor unseres Lebens<br />
eng mitein<strong>and</strong>er verknüpft und es gilt für die Umsetzung<br />
der Entwicklungspotenziale ein ganzheitlicher Blick,<br />
auch mit dem der Technik, die letztendlich eben jene Umsetzung<br />
erst schafft.<br />
Dipl.-Ing. Christopher Weßelmann<br />
Chefredakteur <strong>VGB</strong> PowerTech<br />
Essen<br />
* www.vgb.org/leitbild_2019.html<br />
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