Fussball - Credit Suisse eMagazine - Deutschland
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Wirtschaftlich läufts im <strong>Fussball</strong><br />
gar nicht rund<br />
Getrieben von immer horrenderen TV-Einnahmen entwickelte sich Europas Klubfussball in<br />
den Neunzigerjahren zum boomenden Milliardengeschäft. Doch nun machen der Zusammenbruch<br />
des Fernsehmarktes und die Wirtschaftskrise den Finanzjongleuren der Klubs einen roten Strich<br />
durch die Rechnung. Von Daniel Huber<br />
� Im <strong>Fussball</strong> lagen Sieg und Niederlage,<br />
Erfolg und Misserfolg, Hoffnung und Ernüchterung<br />
schon immer nahe beieinander. Gerade<br />
darin liegt für viele die Faszination dieses<br />
Sports. Doch noch nie ging es um so viel Geld<br />
wie heute. So bezahlte Spaniens Nobelklub<br />
Real Madrid 2001 mit Zinedine Zidane für<br />
einen einzigen Spieler 75 Millionen Euro. Ein<br />
Jahr später holten die Madrilenen Ronaldo<br />
für 50 Millionen, vergangenen Herbst David<br />
Beckham für 35 Millionen.<br />
Angetrieben von hochtrabenden Visionen<br />
liessen sich im <strong>Fussball</strong>geschäft ansonsten<br />
nüchtern rechnende Betriebsökonomen zu<br />
immer waghalsigeren Transaktionen hinreissen.<br />
Denn auf der Einnahmenseite sieht es<br />
für den europäischen <strong>Fussball</strong> zurzeit alles<br />
andere als rosig aus. Nachdem die Beiträge<br />
für TV-Übertragungsrechte geradezu astronomische<br />
Dimensionen angenommen hatten,<br />
brach der Fernsehmarkt vor zwei Jahren<br />
schlagartig zusammen. Gleichzeitig fliessen<br />
im Sog der Wirtschaftskrise die Sponsoring-<br />
Gelder von Grossunternehmen längst nicht<br />
mehr so üppig. Massiv zurückgegangen sind<br />
zudem die Werbeeinnahmen der Klubs.<br />
Ähnlich wie beim Platzen der New-Economy-Blase<br />
bauten viele Manager von Grossklubs,<br />
allen Vorzeichen zum Trotz, zu lange auf<br />
stetig wachsende Umsätze. Dabei köderten<br />
sie vermeintliche Garanten für sportlichen<br />
Erfolg auf dem Rasen mit immer üppigeren<br />
Gehaltszahlungen. Zu dieser Preisspirale<br />
trug nicht zuletzt auch das vom Europäischen<br />
Gerichtshof gefällte «Bosman-Urteil» bei,<br />
das dem Spieler den Klubwechsel nach<br />
Ablauf der Vertragszeit ohne Ablösesumme<br />
garantiert. Deswegen versuchten die Klubs<br />
ihre Stars mit immer lukrativeren Angeboten<br />
möglichst lange zu binden. Ist nun aber ein<br />
Verein mit der Leistung eines teuren Spielers<br />
nicht – oder nicht mehr – zufrieden, so bringt<br />
er ihn und seine Lohnkosten mangels Interessenten<br />
nicht mehr los. Im europäischen<br />
Schnitt machen heute bei einem Profiklub<br />
die Personalkosten über 50 Prozent aus.<br />
Die Folgen dieser allgemeinen Misswirtschaft<br />
im europäischen <strong>Fussball</strong>geschäft<br />
sind erschreckend: Die drei Profiligen Italiens<br />
sind mit insgesamt drei Milliarden Euro verschuldet,<br />
die erste und zweite Liga Spaniens<br />
mit zwei Milliarden Euro und die Deutsche<br />
Bundesliga immerhin noch mit 700 Millionen<br />
Euro. Löbliche Ausnahme sind zurzeit noch<br />
die englischen Premier-League-Klubs, die im<br />
vergangenen Jahr insgesamt einen Gewinn<br />
von 126 Millionen Euro auswiesen. Wobei es<br />
auch hier schwarze Schafe gibt. So hat sich<br />
zum Beispiel bei Leeds United ebenfalls<br />
ein Schuldenberg von 120 Millionen Euro<br />
angehäuft. Und auch in Frankreich ist die<br />
Schuldenfalle zugeschnappt. So beträgt das<br />
Defizit der AS Monaco ebenfalls 50 Millionen<br />
Euro.<br />
In der Schweiz präsentiert sich die Situation,<br />
wenn auch mit ein paar Nullen weniger,<br />
nicht minder besorgniserregend. So weisen<br />
im vergangenen Geschäftsjahr mit Ausnahme<br />
des FC Basel sämtliche Vereine der Super<br />
League negative Zahlen aus. Entsprechend<br />
werden auch in diesem Jahr mehrere Vereine<br />
um ihre Lizenz zittern müssen.<br />
Justiz durchleuchtet Italiens Profiligen<br />
Grösstes Sorgenkind des europäischen <strong>Fussball</strong>s<br />
ist aber mit Abstand Italien. Dort hat<br />
sich die milliardenschwere Verschuldung des<br />
Profifussballs mittlerweile zu einer mittleren<br />
Staatskrise ausgeweitet. Denn als Anfang<br />
Jahr der römische Staatsanwalt Ettore Torri<br />
400 Inspektoren ausschickte, um bei den<br />
Profiklubs des Landes ein prüfendes Auge<br />
FUSSBALL<br />
in die Bücher zu werfen, fanden sie unzählige<br />
Ungereimtheiten. Die erhobenen Anschuldigungen<br />
umfassen die ganze Bandbreite von<br />
Finanzdelikten. Das geht von Schwarzgeldzahlungen<br />
über Steuerhinterziehung und<br />
Bilanzfälschung bis hin zu Geldwäscherei.<br />
Dabei zeigten sich die Buchhalter bei der<br />
Beschönigung ihrer Bücher überaus trickreich.<br />
So wurde unter anderem bei der AS Roma<br />
der Torhüter Gabriele Paoletti auf der<br />
Habenseite mit einem überaus stolzen Wert<br />
von 22 Millionen Euro verbucht. Für einen<br />
Spieler, der nie den Sprung in die erste<br />
Mannschaft geschafft hat und beim Drittligisten<br />
Viterbese als Leihspieler ein wenig<br />
glorreiches Dasein fristet, ein etwas sehr<br />
stattlicher Betrag.<br />
EU stoppt Berlusconis Rettungsversuche<br />
Einen ersten Rettungsring hat Italiens<br />
Ministerpräsident Berlusconi, der unter anderem<br />
auch Besitzer der AC Milan ist, bereits<br />
vergangenen Herbst ausgeworfen. Er liess im<br />
Parlament ein Gesetz mit dem prägnanten<br />
Namen «Salvo Calcio», zu Deutsch «Rettet<br />
den <strong>Fussball</strong>!», absegnen, das den verschuldeten<br />
Vereinen notrechtsmässig erlaubt, ihre<br />
horrenden Abschreibungen auf Spieler statt<br />
sofort während zehn Jahren auszugleichen.<br />
Nachdem dieses Gesetz bereits den Unwillen<br />
des EU-Wettbewerbskommissars Mario<br />
Monti geweckt hatte, wurde ein zweiter, im<br />
März lancierter Vorstoss zur Rettung des<br />
Calcio, der ein fünfjähriges Abstottern der<br />
500 Millionen Euro Steuerschulden vorsah,<br />
von der EU als inakzeptabel abgewiesen.<br />
Nun wird Italien wohl als erste europäische<br />
<strong>Fussball</strong>nation ein reinigendes Gewitter mit<br />
tief greifenden Strukturbereinigungen bei den<br />
Profiklubs über sich ergehen lassen müssen.<br />
Andere werden folgen. Denn das Problem<br />
<strong>Credit</strong> <strong>Suisse</strong> Bulletin 2-04 23