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25 Rumänen, fünf Bulgaren und 161 Bürgern anderer europäischer<br />
Länder. Diese Zahlen schließen freilich amerikanische<br />
Ehefrauen und andere Familienangehörige nicht ein, die<br />
den Internierten in die Lager folgten. Man brauchte noch<br />
nicht einmal amerikanischen Boden betreten zu haben, um<br />
Handschellen angelegt zu bekommen und in ein US-Lager<br />
abtransportiert zu werden: Viele Deutsche und Japaner wurden<br />
in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern verhaftet<br />
und in die USA verschleppt, um der Washingtoner Regierung<br />
als Geiseln zu dienen.<br />
In einem unweit des texanischen Crystal City gelegenen<br />
Konzentrationslager waren die meisten Insassen Japaner, die<br />
von der Westküste der USA oder aus Südamerika stammten.<br />
Es gab dort auch 800 Deutsche aus allen möglichen Staaten<br />
Lateinamerikas: Bolivien, Peru, Costa Rica, Nicaragua, Guatemala<br />
und der Dominikanischen Republik. Unerklärlicherweise<br />
saßen in jenem Lager auch 300 indonesische Seeleute<br />
ein, die man von einem in New York eingelaufenen holländischen<br />
Schiff hierher verschleppt hatte.<br />
Erwähnenswert ist, daß deutsche Juden und nationalsozialistischer<br />
Sympathien Verdächtigte zusammen mit unpolitischen<br />
Deutschen kunterbunt durcheinandergemischt in denselben<br />
Lagern landeten. Unter den aus Lateinamerika hergeschafften<br />
Deutschen befanden sich 81 Juden. (Die meisten lateinamerikanischen<br />
Länder waren nicht eigens darauf bedacht,<br />
Juden festzunehmen, doch laut Krammer sorgten in<br />
Panama und Britisch-Honduras – heute Belize – antisemitische<br />
Beamte dafür, daß sich unter den Uncle Sam zuliebe<br />
Verhafteten möglichst viele Juden befanden.) Offenbar ging<br />
man von der Annahme aus, deutsche Juden könnten möglicherweise<br />
Spione oder Agenten der NS-Regierung sein.<br />
Aus Deutschland emigrierte oder sonstwie verdächtige Juden<br />
wurden in das Balboa Center (Panamakanalzone) geschickt,<br />
wo sie von Angehörigen der US-Armee verhört wurden. Anschließend<br />
kamen sie zu den anderen Juden und deren Familien,<br />
die über eine große Anzahl von Lagern verstreut waren:<br />
Seagoville, Stringtown, Camp Blanding/Florida sowie Fort<br />
Oglethorp/Georgia. Die beiden letztgenannten Lager dienten<br />
der Aufnahme von Kriegsgefangenen sowie nationalsozialistischen<br />
Sympathisanten und wurden von der Armee geleitet.<br />
Nach Kriegsende wußte man in Washington nicht so recht,<br />
was man mit den aus Lateinamerika in die USA Entführten<br />
tun sollte. Im Gegensatz zu in den Vereinigten Staaten selbst<br />
festgenommenen feindlichen Ausländern wurden erstere detainees<br />
– „Festgehaltene“ – und nicht internees – „Internierte“<br />
– genannt. Dadurch sollte wohl der Eindruck erweckt<br />
werden, sie seien irgendwohin unterwegs gewesen und von<br />
den amerikanischen Behörden am Weiterreisen gehindert<br />
worden, während man sie doch recht eigentlich gekidnappt<br />
hatte, meint Krammer.<br />
In einem am 6. Januar 1946 erschienenen Artikel befand die<br />
New York Times, es sei völlig legal gewesen, Ausländer aus<br />
fremden Staaten kidnappen und in die USA verschleppen zu<br />
lassen:<br />
»Die Tatsache, daß möglicherweise Gewalt angewendet<br />
wurde, um vermutliche Nazisympathisanten zum Zwecke<br />
ihrer Internierung während des Krieges in die USA zu<br />
bringen, ist kein Grund für ihre Freilassung.«<br />
Wie Krammer aufzeigt, wird in der 1<strong>99</strong>0 erschienenen offiziellen<br />
Publikation 50th Anniversary History of the Seagoville<br />
Federal Correctional Institution die lachhafte Behauptung<br />
aufgestellt, diese Familien hätten »ihre Heimatländer verlassen,<br />
um die Freiheit Amerikas zu genießen.«<br />
Ein Wachturm eine US-Konzentrationslagers für Deutsche<br />
hebt sich kontrastreich gegen einen bunten Himmel ab.<br />
Die überwältigende Mehrheit der Internierten stellten keinerlei<br />
Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten von<br />
Amerika dar. Sie waren ganz offensichtlich bloße Bauern in<br />
einem Schachspiel und dienten als Geiseln, die man gegen in<br />
deutscher Kriegsgefangenschaft befindliche US-Soldaten<br />
austauschen konnte.<br />
Nach den Japanern stellten die Deutschen die größte Anzahl<br />
von Internierten. Aus irgendwelchen Gründen ist ihr Schicksal<br />
von den Hofhistorikern unter den Teppich gekehrt worden.<br />
Arnold Krammers Undue Process ist ein beunruhigendes<br />
Buch, doch sollte es Pflichtlektüre für jeden sein, der sich<br />
Gedanken über die Verletzung von Menschenrechten in den<br />
USA macht.<br />
Übersetzt von Jürgen Graf.<br />
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378 VffG · 1<strong>99</strong>9 · 3. Jahrgang · Heft 4