4_99 c20040129 [122].pdf 7377KB Aug 21 2007
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zitierten Bestätigungen der Fremdarbeiter nicht den Weg in<br />
die alliierten Archive gefunden haben.<br />
Einige wenige Politische Leiter haben sich unter Hinweis auf<br />
die eigenen Beobachtungen auch unmittelbar zu den Versuchen,<br />
die geschichtliche Wahrheit auf den Kopf zu stellen,<br />
deutlich geäußert ohne Rücksicht auf persönliche Gefährdung.<br />
So der Lehrer Volkwein aus dem Kreis Melsungen im<br />
damaligen Gau Kurhessen am 16.6.1946:<br />
»Die Behauptungen, daß fremdländische Arbeitskräfte<br />
mißhandelt worden wären, entbehren meiner Ansicht nach<br />
jeder Rechtsunterlage und werden heute nur aus zweckdienlichen<br />
Gründen gewisser Kreise aufgestellt, ohne bewiesen<br />
werden zu können. Die zu Gericht sitzenden Behörden<br />
sollten sich doch an den ehrlichen Teil derer wenden,<br />
die während des Krieges in deutschen Diensten standen<br />
und sie werden ein ganz anderes Bild bekommen als das,<br />
welches heute aus propagandistischen Gründen der Weltöffentlichkeit<br />
entworfen wird. Wer die Wahrheit sucht, findet<br />
sie, und wer die Wahrheit nicht sehen will, ist ihr gegenüber<br />
blind und wenn sie meterdick aufgetragen wird.« (P.L.<br />
173 Arb. 834)<br />
Konnte schon aus den amtlichen Bestimmungen zum Einsatz<br />
der Fremdarbeiter kein völkerrechtswidriges Verhalten der<br />
deutschen Behörden in den Prozessen der Sieger bewiesen<br />
werden, so muß doch untersucht werden, ob die Umsetzung<br />
dieser Anordnungen in der praktischen Wirklichkeit nicht<br />
doch sog. Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit sich<br />
brachte, denn gerade bezüglich der Sowjetunion war gelegentlich<br />
festzustellen, daß eine humane Behandlung in amtlichen<br />
Bekanntmachungen vorgesehen, die sowjetische Lagerwirklichkeit<br />
nach Solschenizyn aber oft das Gegenteil<br />
zeigte. Genau zu diesem wesentlichen Punkt, der einen Mangel<br />
der bisherigen Forschung darstellt, konnten die erhaltenen<br />
Aussagen, die über das gesamte deutsche Reichsgebiet vorliegen,<br />
Wesentliches zur Aufhellung des Komplexes beitragen.<br />
Der Wahrheitsgehalt dieser Einzelerklärungen, die erstmals<br />
systematisch ausgewertet wurden, ist aus folgenden Gründen<br />
außerordentlich hoch einzuschätzen: Zunächst handelt es sich<br />
dabei – eine Ausnahme bei den alliierten Verfahren – um<br />
Originale und nicht – wie sonst üblich – um Kopien. Damit<br />
ist eine Prüfung der Echtheit möglich, die hier klar gegeben<br />
ist. Die Glaubwürdigkeit der Inhalte ist deshalb sehr hoch<br />
einzuschätzen, weil es sich um eidesstattliche Erklärungen<br />
handelt, welche die im Gewahrsam der Sieger internierten<br />
P.L. abgegeben haben, die bei einem Nachweis einer Falschaussage<br />
mit hohen Strafen rechnen mußten (im Gegensatz<br />
zu Belastungszeugen) und in der Haft von ihrer gewohnten<br />
Umwelt abgeschnitten waren. Die genauen Angaben über die<br />
örtlichen Verhältnisse konnten damals leicht nachgeprüft<br />
werden, ebenso die Bestätigung der als Zeugen benannten<br />
Fremdarbeiter, weil sich diese damals noch in großer Zahl in<br />
amerikanischen Lagern in Deutschland befanden. Die Aussagen<br />
weisen außerdem die amtliche Bestätigung eines amerikanischen<br />
Offiziers auf und wurden im Lager Darmstadt Nr.<br />
91 erstellt. In einigen wenigen Fällen (P.L. 170 Arb. 1) kamen<br />
dem amerikanischen Militär – offenbar oft selbst Opfer<br />
der eigenen Propaganda – die Inhalte der beeideten Aussagen<br />
so unglaublich vor, daß die betreffenden P.L. noch ein zweites<br />
Mal vor einem anderen amerikanischen Offizier die Richtigkeit<br />
ihrer Aussage beschwören mußten.<br />
Freiwilliger Arbeitseinsatz<br />
Im Gegensatz zu den KL-Häftlingen und KGF waren die<br />
Fremdarbeiter in der Regel freiwillig zur Arbeitsleistung ins<br />
Reich gekommen. Dies ergibt sich nicht nur aus den amtlichen<br />
Verlautbarungen, sondern auch aus der Bestätigung der<br />
mit ihrer Versorgung betrauten P.L. bzw. Amtswaltern der<br />
Deutschen Arbeitfront (DAF) und wurde von den Betroffenen<br />
in zahlreichen Erklärungen bestätigt. In den über 1200<br />
Aussagen findet sich nur in einer einzigen ein vager Hinweis<br />
auf einen erzwungenen Arbeitseinsatz, während alle übrigen,<br />
soweit sie diese Fragen aufgegriffen haben, in eindeutiger<br />
Weise auf die absolute Freiwilligkeit des Einsatzes der<br />
Fremdarbeiter verweisen. Immer wieder wird angemerkt, daß<br />
die erhoffte Arbeitsleistung nie von Zwangsarbeitern hätte<br />
erbracht werden können. Schon Dr. Seidl hat als Verteidiger<br />
beim IMT in Nürnberg ausgeführt:<br />
Ausländische Arbeitskräfte in der deutschen Kriegswirtschaft 1939 bis 1944 *<br />
1939 1940 1941 1942 1943 1944<br />
Deutsche 10.732.000 9.684.000 8.939.000 8.969.000 8.743.000 8.460.000<br />
Zivile Ausländer 118.000 412.000 769.000 1.170.000 1.561.000 1.767.000<br />
Land- Kriegsgefangene – 249.000 642.000 759.000 609.000 635.000<br />
wirtschaft Ausländer insg.<br />
Ausländer aller Be-<br />
118.000 661.000 1.411.000 1.929.000 2.230.000 2.402.000<br />
schäftigten in % 1,1 % 6,4% 13,6% 17,7% 20,3% 22,1%<br />
Deutsche 28.382.000 25.207.000 24.273.000 22.568.000 <strong>21</strong>.324.000 20.144.000<br />
Zivile Ausländer 183.000 391.000 984.000 1.475.000 3.276.000 3.528.000<br />
Alle nicht- Kriegsgefangene – <strong>99</strong>.000 674.000 730.000 954.000 1.196.000<br />
landwirtsch.<br />
Ausländer insg.<br />
Ausländer aller Be-<br />
183.000 490.000 1.659.000 2.205.000 4.230.000 4.724.000<br />
schäftigten in % 0,6% 1,9% 6,4% 8,9% 16,5% 18,9%<br />
Deutsche 39.114.000 34.891.000 33.<strong>21</strong>2.000 31.537.000 30.067.000 28.604.000<br />
Zivile Ausländer 301.000 803.000 1.751000 2.645.000 4.837.000 5.295.000<br />
Gesamt- Kriegsgefangene – 348.000 1.31.6.000 1.489.000 1.623.000 1.831.000<br />
wirtschaft Ausländer. insg.<br />
Ausländer aller Be-<br />
301.000 1.151.000 3.069.000 4.134.000 6.460.000 7.126.000<br />
schäftigten in % 0,8% 3,2% 8,5% 11,6 % 17,7% 19,9%<br />
* Klaus Barwig, Günter Saathoff, Nicole Weyde (Hg.), Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, Baden Baden 1<strong>99</strong>8, S. 337; der Titel lautet dort bezeichnenderweise<br />
und falsch: »Zwangsarbeit der deutschen Kriegsgefangenen und Zivilverschleppten[sic!]«<br />
366 VffG · 1<strong>99</strong>9 · 3. Jahrgang · Heft 4