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4_99 c20040129 [122].pdf 7377KB Aug 21 2007

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eklagte die Schenkung in seinem Inferno (19. Gesang, Verse<br />

115-117):<br />

Ahi, Constantin, di quanto mal fu matre<br />

non la tua conversion, ma quella dote<br />

che da te prese il primo ricco patre!<br />

Ach Konstantin, welches große Übel hatte zur Mutter<br />

Nicht deine Bekehrung, sondern jene Schenkung<br />

Die der erste reiche Vater von dir erhielt!<br />

So wurde diese Fälschung bei den Kontroversen über die<br />

Macht des Kaisers und des Papstes jahrhundertelang kaum je<br />

in Frage gestellt, obgleich sie so plump und anachronistisch<br />

war, wie es ein Brief mit der angeblichen Unterschrift George<br />

Washingtons gewesen wäre, in dem dieser der Methodistenkirche<br />

»die Vollmacht zur Herrschaft über Washington, D.C.,<br />

sowie die ihm unterstellten Gebiete Nordamerikas« erteilt<br />

hätte!<br />

Die ersten an der Echtheit der Urkunde geäußerten Zweifel<br />

waren bezeichnenderweise eher einfältig, trafen nicht den<br />

Kern der Sache, waren tendenziös oder abschweifend. Oft<br />

wurde, wie von Dante, nicht die historische Realität der<br />

Schenkung, sondern nur deren<br />

Wünschbarkeit in Frage gestellt. In der<br />

Mitte des 12. Jahrhunderts ritt die Reformbewegung<br />

Arnold von Brescias eine<br />

Attacke gegen die ganze Legende<br />

von Sylvester und der Schenkung, und<br />

zwar mit dem Argument, Konstantin sei<br />

bereits Christ gewesen, als er Sylvester<br />

begegnete. Unter den papstfeindlichen<br />

Gibellinen Deutschlands entstand um<br />

1200 die Legende, die Engel hätten, als<br />

Konstantin die Schenkung machte, laut<br />

geklagt: »Ach, ach, an diesem Tage<br />

ward Gift in Gottes Kirche geträufelt.«<br />

Die Anhänger des Papstes hielten dem<br />

entgegen, gewiß habe man ein Weinen<br />

gehört, doch habe es vom Teufel hergerührt,<br />

der sich verkleidet habe, um die<br />

Menschen zu täuschen. Andere warfen<br />

ein, die Schenkung sei nicht gültig, weil<br />

Konstantin der Arianischen Ketzerei<br />

zugeneigt habe, oder weil sie ohne Zustimmung<br />

des Volkes erfolgt sei, oder<br />

weil Konstantin nur für sich selbst und nicht für seine Nachfolger<br />

auf die Macht verzichtet habe. Wiederum andere drehten<br />

den Spieß um und benutzten die Schenkung, um den<br />

Papst anzugreifen: sie beweise, daß dessen Vorherrschaft<br />

nicht auf Gott, sondern auf den Kaiser zurückgehe. Dieses<br />

letztgenannte Argument wurde bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts<br />

von den antipapistischen Kräften immer wieder ins Feld<br />

geführt. Um 1200 hatten zwei Schriftsteller darauf hingewiesen,<br />

daß die kaiserliche Macht in Italien auch nach der angeblichen<br />

Schenkung ununterbrochen bestanden hatte, aber ihre<br />

Auslassungen umgingen den Kern der Frage, und sie legten<br />

keine eindeutigen Schlußfolgerungen dar. So hatten diese<br />

Schriften keinen Einfluß auf den künftigen Gang der Kontroverse.<br />

Es dauerte bis zum Jahre 1433, ehe eine solid fundierte Kritik<br />

der Schenkung erschien, und zwar nicht von einem Papstgegner,<br />

sondern von jemandem, den man als liberalen Reformer<br />

innerhalb der Kirche bezeichnen könnte. Johannes von Kues,<br />

auch Cusanus genannt, Dekan von St. Florinus in Koblenz,<br />

unterbreitete zu Händen des Konzils von Basels eine Kritik<br />

der Schenkung, in der er die überwältigenden historischen<br />

Beweise gegen jegliche Machtübertragung vom Kaiser auf<br />

den Papst während der Zeit Konstantins und Sylvesters oder<br />

unmittelbar danach darlegte.<br />

Cusanus’ Schrift De concordantia catholica erwies sich nicht<br />

als besonders folgenreich, teils wegen ihres trockenen und<br />

leidenschaftslosen Tons, teils weil sie von Lorenzo Vallas<br />

1440 erschienenen Abhandlung De falso credita et ementita<br />

Constantini donatione in den Schatten gestellt wurde. Valla<br />

werden die größten Verdienste um die Entlarvung des<br />

Schwindels zugeschrieben: Zunächst konnte er sich neben<br />

seinen eigenen bemerkenswerten Talenten auch auf die Studie<br />

Cusanus’ stützen; ferner bestach seine Abhandlung durch<br />

ihre stilistischen Qualitäten und ihre Leidenschaftlichkeit,<br />

und schließlich erlebte die Druckkunst bald darauf einen ungeheuren<br />

Aufschwung, und die Anhänger der Reformation<br />

ließen die Schrift in verschiedenen Übersetzungen in hoher<br />

Auflage verbreiten.<br />

Vallas Methode bestand darin, die Schenkung von jeder möglichen<br />

Perspektive aus zu hinterfragen. Zuerst betrachtete er<br />

die Angelegenheit vom Standpunkt<br />

Konstantins, »eines Mannes, der aus<br />

Herrschsucht Krieg gegen die Nationen<br />

geführt und Freunde sowie Verwandte<br />

in einem Bruderzwist befehdet hatte, um<br />

sie ihrer Macht zu berauben« und dann<br />

angeblich »aus reiner Großzügigkeit<br />

einem anderen die Stadt Rom, seinen<br />

Heimatort, das Haupt der Welt, die Königin<br />

der Staaten, abtrat […] und sich<br />

von dort in ein bescheidenes Städtchen,<br />

Byzanz, zurückzog«. Schon nach wenigen<br />

Seiten kommt dem Leser die Geschichte<br />

von der Schenkung ganz unglaubhaft<br />

vor, doch die Abhandlung<br />

umfaßt in ihrer englischen Übersetzung<br />

um die 80 Seiten, so daß wir es mit einem<br />

klassischen Fall von „overkill“ zu<br />

tun haben. Valla stützte Cusanus’ Argument,<br />

daß die Machtübergabe überhaupt<br />

nicht stattgefunden habe, mit dem<br />

Hinweis auf die römischen Münzen jener<br />

Zeit, die im Namen von Kaisern<br />

und nicht von Päpsten herausgegeben worden waren. Er analysierte<br />

ferner die Sprache und den Wortschatz der Schenkungsurkunde<br />

und bewies, daß sie nicht dem Latein der Konstantinischen<br />

Epoche entsprach. Solche Methoden waren damals<br />

revolutionär.<br />

Valla war kein selbstloser Gelehrter. Als er die Abhandlung<br />

verfaßte, stand er als Sekretär in den Diensten Alfonsos von<br />

Aragon, der sich mit dem Papst um die Herrschaft über Neapel<br />

stritt. Er machte kein Hehl aus seiner Auffassung, daß die<br />

weltliche Macht des Papstes von Übel sei und abgeschafft<br />

gehöre. Dennoch stellt Vallas Abhandlung einen Meilenstein<br />

in der Entstehung der historischen Kritik dar, und ich meine,<br />

daß die Auseinandersetzung mit ihr für jene, die sich heute<br />

die „Entlarvung des Völkermord-Mythos“ zum Ziel gesetzt<br />

haben, von höchstem Nutzen ist.<br />

Wohl endete noch 1458 in Straßburg ein Mann auf dem<br />

Scheiterhaufen, weil er die Echtheit der Schenkung bestritten<br />

hatte, doch fand Vallas These bei den Gebildeten von Anfang<br />

an viel Beifall, obgleich sie lange Zeit nicht gedruckt wurde.<br />

Als man das Jahr 1500 schrieb, machte es den Anschein, als<br />

396 VffG · 1<strong>99</strong>9 · 3. Jahrgang · Heft 4

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