4_99 c20040129 [122].pdf 7377KB Aug 21 2007
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gelegten Vulkanaschen und die Bimslagen hilfsweise zur Datierung<br />
heranziehen. Wir fanden winzige Zirkonkristalle von<br />
zweien der an der Steilwand freigelegten Vulkanlagen, der<br />
Hueyatlaco-Asche sowie der sogenannten Tetela Braunschlamm-Bimslage.<br />
Das Verfahren beruht darauf, daß das<br />
Zirkon geringe Spuren an Uran enthält. Wenn das Uran zerfällt,<br />
hinterläßt es eine winzige Schadspur im Kristall, die<br />
nach einem chemischen Ätzvorgang im Mikroskop gesehen<br />
werden kann. Wenn man weiß, wieviel radioaktives Material<br />
anwesend ist, mit welcher Rate es zerfällt und wieviel dieses<br />
Materials auf natürliche Weise bisher zerfallen ist, kann man<br />
das ungefähre Alter abschätzen.<br />
Chuck Naeser, ein Geochemiker des US Geological Survey,<br />
macht diese Arbeit für uns. In diesem Stadium wollten wir<br />
von ihm keine genauen Daten wissen; alles, was wir wissen<br />
wollten, war, ob diese Vulkanaschen näher bei Cynthias<br />
20.000-Jahr-Schätzung oder bei Barneys 250.000 Jahren aus<br />
der Uran-Serie lagen. Chucks Daten, auch wenn sie mit einem<br />
großen Plus-Minus-Wert behaftet waren, waren weitaus<br />
älter als das, was Irwin-Williams akzeptieren würde, und<br />
überlappten sich mit den Daten von Barney Szabo.<br />
Und hier nun sind die Daten: der Tetela-Braunschlamm-Bims<br />
war 600.000 ±340.000 Jahre; für die Hueyatlaco Asche ergab<br />
sich ein Wert von 370.000 ±200.000 Jahren.<br />
Ob ich aufgeregt war? Sie können drauf wetten! Wir hatten<br />
nun mehrere Linien geologischer Beweise, einschließlich der<br />
vier radiometrischen Datierungen, die aussagten, daß die Artefakte<br />
von Hueyatlaco, also der jüngsten der vier von<br />
Armenta und Irwin-Williams in der Valsequillo-Gegend ausgegrabenen<br />
Fundstellen, in der Gegend um eine viertel Million<br />
Jahre als waren.<br />
Was mich anbelangte, so dachte ich, daß dies ein abgeschlossener<br />
Fall sei.<br />
Wie naiv ich war.<br />
Irwin-Williams war von Anfang an dagegen, daß wir mit diesen<br />
neuen Daten an die Öffentlichkeit gingen. Da unsere Datierungen<br />
ihrer Auffassung nach unmöglich waren, wollte sie<br />
mehr Zeit haben, um ihre Seite der Geschichte darzulegen<br />
und um sie dann mit uns zusammen zu veröffentlichen. Nun<br />
gut, und abgesehen davon, daß sie die mexikanischen Ausgrabungen<br />
vor mehr als sieben Jahren abgeschlossen hatte<br />
und noch nicht einmal mit der Abfassung eines detaillierten<br />
Fundberichtes begonnen hatte. Es konnte noch weitere sieben<br />
Jahre dauern, wenn nicht noch länger, bis sie endlich zu einer<br />
gemeinsamen Veröffentlichung bereit war.<br />
Wir drei Geologen entschlossen uns daher, alleine vorzugehen<br />
und eine Pressekonferenz abzuhalten, auf der die Datierungen<br />
und die geologischen Beweise vorgestellt werden<br />
sollten. Es war eine sehr vorsichtige Pressekonferenz. Im Gegensatz<br />
zu mir fühlten sich weder Fryxell noch Malde wohl<br />
angesichts dieser alten Datierungen. Sie hatten bereits vorher<br />
mit Archäologen zusammengearbeitet, so daß sie wußten, daß<br />
einige berühmte Koryphäen auf diesem Gebiet einige Kröten<br />
schlucken müßten, sollten unsere Datierungen wirklich korrekt<br />
sein. Und die Archäologen waren niemals sonderlich berühmt<br />
für ihre kleinen Egos.<br />
Im Herbst 1973 beriefen wir während eines geologischen<br />
Treffens eine Pressekonferenz ein. Hal und „Fryx“ deichselten<br />
es geschickt: Ich war auf dem Weg nach Neuseeland, um<br />
dort einen Vortrag über die Methode der Vulkanaschen-<br />
Datierung zu halten. Die alten Datierungen wurden als Nachricht<br />
aufgenommen. Die Nachrichtenagenturen griffen sie auf<br />
und verbreiteten sie in aller Welt. Während meines langen<br />
Fluges nach Neuseeland wurde ich von einigen wissenschaftlichen<br />
Kollegen gutmütig gehänselt. Einige von ihnen hatten<br />
am Tage zuvor über unsere Fundstelle in der Zeitung gelesen.<br />
Während der Vortragsveranstaltung schließlich hielt ich einen<br />
kurzen Sondervortrag über diese Fundstelle vor einem<br />
vollen Auditorium. Die Dinge sahen gut aus, sowohl für Hueyatlaco<br />
als auch für meine Karriere als Wissenschaftlerin.<br />
Tatsächlich aber war dies der Höhepunkt für beide. Seither<br />
ging es für die nächsten zwanzig Jahre mit beiden stetig abwärts.<br />
Zu Beginn des Jahres 1974 fingen Hal Malde, Roald Fryxell<br />
und ich an, unsere Forschungsergebnisse in Hueyatlaco für<br />
eine Veröffentlichung zusammenzuschreiben. Es sollte sich<br />
dabei um einen vorläufigen Bericht handeln. Der detailliertere<br />
sollte später kommen, nachdem Cynthia ihre Ausgrabungsergebnisse<br />
publiziert hatte. Doch dann kam die Tragödie.<br />
Roald wurde bei einem Autounfall auf einer einsamen Straße<br />
im Columbia-Becken im Staate Washington getötet. Wir hatte<br />
mit ihm nicht nur einen guten Freund und wertvollen Kollegen<br />
verloren, sondern zudem die charismatischste Person in<br />
unserem Trio. Fryx war der Liebling der Medien gewesen.<br />
Ob er einem allgemeinen Publikum nun die Bedeutung von<br />
Felsbrocken und Bodenproben vom Mond erläuterte oder für<br />
eine wichtige archäologische Fundstelle kämpfte bzw. gegen<br />
die alles verschlingenden Wasser des dortigen Stausees, er<br />
hatte ihr Ohr – und ihre Zeitungsspalten.<br />
Nun blieben also nur Hal und ich übrig. Wir schlossen unser<br />
Manuskript im Jahr 1975 ab, erhielten das OK von Regierungsstellen<br />
und überreichten es dem Herausgeber eines<br />
Sammelbandes von Vorträgen, die während eines regionalen<br />
Treffens von Anthropologen in Santa Fee gehalten wurden.<br />
Ich hatte dort über die Fundstelle in Hueyatlaco vorgetragen.<br />
Wir wußten, daß keine anthropologische Zeitschrift es entgegen<br />
der Einwände von Cynthia abdrucken würde. Wir dachten<br />
daher, daß unsere einzige Chance, unsere Informationen<br />
in einem Band gedruckt zu sehen, den die Anthropologen<br />
auch lesen würden, darin bestünde, es in einen Vortragssammelband<br />
hineinzuschmuggeln.<br />
Das war 1975. Und wir warteten anschließend darauf, daß der<br />
Sammelband gedruckt würde. Und wir warteten und warteten.<br />
1976, 1977, 1978, 1979. Briefe an den Herausgeber wegen<br />
dieser Verzögerung blieben unbeantwortet. Anrufe wurden<br />
nie erwidert.<br />
Inzwischen war Cynthia eifrig damit beschäftigt, ihre Seite<br />
der Geschichte zu veröffentlichen. Sie hatte inzwischen jede<br />
Verbindung mit uns abgebrochen. Die Datierung auf ein Alter<br />
vor einer viertel Million Jahre wurde als inakzeptabel zurückgewiesen:<br />
Ihrer Auffassung nach waren die von uns verwendeten<br />
Datierungsmethoden zu neu und nicht ausreichend<br />
getestet, um ernstgenommen zu werden. (Und dies, obwohl<br />
die mittels der Uran-Serie vorgenommenen Datierungen von<br />
Knochen aus der Caulapan-Fundstelle mit ihren Datierungen<br />
von Schalentieren mittels der 14 C-Methode übereinstimmten:<br />
in beiden Fällen etwa 22.000 Jahre.) Die geologischen Beweise<br />
wurden ignoriert. Die einzige Datierung, die erwähnt<br />
wurde, war das mit der 14 C-Methode festgestellte Alter von<br />
Schalentieren (22.000 Jahre) aus Caulapan, und dieses Alter<br />
begann seitdem für die gesamte Fundstelle von Valsequillo in<br />
der Literatur aufzutauchen.<br />
Ab dem Jahr 1979 fingen die Datierungen von Hueyatlaco<br />
an, meine Karriere negativ zu beeinflussen. 1973 hatten wir<br />
die verblüffende Aussage gemacht, in Mexiko habe es bereits<br />
384 VffG · 1<strong>99</strong>9 · 3. Jahrgang · Heft 4