Magazin 198801
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nierungsgrade zwischen 38 und 63 % erzielt<br />
, im Mittel etwa also die Hälfte der<br />
Spaltnuklide entfernt. Der Hauptteil der Aktivität,<br />
mehr als 85 %, wird in den obersten<br />
Zentimetern der Langsamsandfilter zurückgehalten,<br />
wo die an der Wasserreinigung<br />
entscheidend beteiligten Bodenbakterien<br />
konzentriert sind. Die in den Filtern angesiedelten<br />
Mikroorganismen halten die Radioaktivität<br />
besonders gut zurück.<br />
3. Eine sehr wirksame Aufbereitungsstufe<br />
auch zur Verminderung der radioaktiven Belastung<br />
im Wasser ist die Flockung, die in<br />
den meisten Oberflächenwasserwerken<br />
planmäßig zur Entfernung sogenannter kolloidaler<br />
Trübstoffe (Teilchengrößen zwischen<br />
10· bis 10 7 m, d. h. 0,1 mm bis<br />
0,1 /Lm) eingesetzt werden . Bei der Flockung<br />
werden die im Rohwasser in sehr stark<br />
schwankender Größe und Verteilung als<br />
Verunreinigungen vorhandenen kleinen ,<br />
sonst nicht abtrennbaren Teilchen mit Hilfe<br />
sog. Flockungschemikalien zu größeren,<br />
damit aus dem Wasser zu entnehmende<br />
Flocken umgewandelt. Die wirkungsvolle<br />
Entnahme der Radioaktivität ist damit zu<br />
erklären, daß die radionuklide zum großen<br />
Teil an den ausgeflockten feinen Trübstoffen<br />
des Wassers gebunden sind . Die statistische<br />
Auswertung der Meßergebnisse an<br />
über 460 Proben aus 7 deutschen Talsperrenwasserwerken<br />
ergab einen mittleren Dekontaminierungsgrad<br />
von 48 % mit einer<br />
sehr großen Streubreite (19). Jüngere<br />
Spaltgemische wurden zu 51Hl0 % und damit<br />
etwas besser entfernt als ältere Spaltgemische<br />
mit 36-56 %. In 20 Oberflächenwasserwerken<br />
in den USA, wo die Verwendung<br />
von Fluß- und Seewasser zu Trinkwasserzwecken<br />
besonders verbreitet ist, wurden<br />
durch die Flockung mit den auch bei<br />
uns üblichen Aluminium- und Eisensalzen<br />
radioaktive Spaltgemische zu 50-70 % entfernt<br />
(5) .<br />
4. Einzelne, besonders relevante Radionuklide<br />
werden bei der Trinkwasseraufbereitung<br />
in unterschiedlichem Umfang entnommen:<br />
Für die Radionuklide der Seltenen Erden<br />
gelten maximale Dekontaminierungsgrade<br />
um 99 %, bei Schwermetallen mit<br />
einigen Ausnahmen über 90 %. Nur geringe<br />
Entnahmewirkungsgrade bei der üblichen<br />
Wasseraufbereitung ergaben sich für Radio<br />
Strontium und -Jod.<br />
5. Günstige Dekontaminierungsgrade lassen<br />
sich bei der Filtration des Rohwassers<br />
über Aktivkohle erzielen (Adsorptionswirkung).<br />
wie sie heute in Wasserwerken bei<br />
der Aufbereitung von uferfiltriertem und<br />
künstlich angereichterem Grundwasser zur<br />
Entnahme organischer Stoffe üblich ist<br />
(20) .<br />
6. Mit sog. Ionenaustauschern, wie sie<br />
u. a. als zusätzliche Aufbereitungsstufen bei<br />
den mobilen Aufbereitungsanlagen des Katastrophenschutzes<br />
zur Versorgung kleinerer<br />
Personengruppen mit Trinkwasser ent-<br />
241 ZS-MAGAZIN 11881<br />
wickelt worden sind (21 - 23). lassen sich<br />
Dekontaminierungsgrade zwischen 99 und<br />
99,9 % erzielen. Die Entnahmefaktoren liegen<br />
also zwischen 10' und 10', bei bestimmten<br />
Radionukliden teilweise sogar bei<br />
10'.<br />
7. Für einzelne wichtige Radionuklide, wie<br />
z. B. Radiojod , sind auch spezielle Dekontaminierungsverfahren<br />
entwickelt worden . Sie<br />
sind jedoch erst nach entsprechender Ergänzung<br />
und Umbau der für Normalbetrieb<br />
konzipierten Aufbereitungsanlagen einsetzbar<br />
(14, 15).<br />
8. Erfahrungsgemäß erhöht sich die Entnahmewirkung<br />
, je größer die zugegebene<br />
Menge an Flockungsmitteln und Hilfsmitteln<br />
sowie an Aktivkohle ist. Der Effekt der Flokkung<br />
kann auch durch Zugabe von Tonmineralien<br />
und Phosphaten zum Rohwasser<br />
verbessert werden . Besonders empfehlungswert<br />
ist die Dosierung von Pulverkohle,<br />
vor allem, wenn der Hauptanteil der<br />
Radionuklide, wie nach dem Unfall von<br />
Tschernobyl , aus Jod 131 besteht.<br />
Aktivitätseintrag aus der Luft<br />
bei der Wasseraufbereitung<br />
und -verteilung<br />
Die Gewinnung und Aufbereitung des<br />
Rohwassers sowie Verteilung des Trinkwassers<br />
bis zum Verbraucher bieten bei einer<br />
radioaktiven Kontamination der Umwelt<br />
ebenfalls Möglichkeiten für den Eintrag von<br />
Radioaktivität. Sie sind in Bild 5 dargestellt<br />
(24). In den Förderbrunnen zur Grundwassergewinnung<br />
wird beim Anfahren der<br />
Pumpen Luft angesaugt. Bei dem in der<br />
Wasseraufbereitung häufigen Eintrag von<br />
Luft aus der Atmosphäre zur Belüftung,<br />
Verdüsung, Entsäuerung, zur Erzeugung<br />
von Ozon usw. und bei der Rückspülung<br />
der Filter kann Radioaktivität in das Wasser<br />
übertreten. Bei der Auf- und Abbewegung<br />
des Wasserspiegels während der Befüllung<br />
und Entnahme aus den Trinkwasserspeicherbehältern<br />
findet ein Austausch mit der<br />
ggl. kontaminierten Außenluft statt. Die entsprechenden<br />
Offnungen können allerdings<br />
mit speziellen Luftfiltern zur Dekontaminierung<br />
ausgerüstet werden . Schließlich ist<br />
auch ein Eintrag radioaktiver Luft über die in<br />
den Trinkwasserverteilungsleitungen eingebauten<br />
Be- und Entlüftungsventile möglich .<br />
Diese möglichen Kontaminationsquellen<br />
sind jedoch angesichts der Tatsache, daß<br />
der Mensch in 24 Stunden zwangsläufig<br />
etwa 20 m' Luft zum Atmen benötigt, während<br />
er in der gleichen Zeit nur etwa 2 I<br />
Wasser trinkt, mit einem Anteil von etwa<br />
1-2 % an der Belastung über die Atemluft<br />
völlig zu vernachlässigen .<br />
Zusammenfassung und<br />
Schlußfolgerungen<br />
Die folgenden zusammenfassenden Hinweise<br />
beziehen sich nicht auf den Normalbetrieb<br />
von Atomreaktoren , bei dem es auf<br />
Grund der in der Bundesrepublik Deutschland<br />
festgelegten Minimierung der Abgabe<br />
von radioaktiven Stoffen in die Umwelt zu<br />
keiner Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung<br />
kommen kann . Sie gelten für<br />
den, wie wir hoffen, unwahrscheinlichen<br />
Fall einer Wiederholung von Tschernobyl<br />
(2,5, 13, 24- 26):<br />
1. Bei der Wassergewinnung aus dem<br />
Grundwasser oder bei Oberflächenwässern<br />
nach längerer Bodenpassage mit entsprechender<br />
Aufbereitung ist die Wasserversorgung<br />
nicht ernthaft gefährdet.<br />
2. Ersatzlieferung von nicht kontaminiertem<br />
Trinkwasser war nur erforderlich bei<br />
der direkten Verwendung von Zisternenwasser<br />
in einzelnen darauf angewiesenen Gehöften,<br />
bewirtschafteten Berghütten usw.<br />
3. Berechnungen und Untersuchungen bestätigen,<br />
daß selbst bei großen Umweltkatastrophen<br />
durch Kernwaffenexplosionen<br />
oder extreme Reaktorunfälle die Radioaktivität<br />
des Trinkwassers gegenüber der Belastung<br />
aus der Atemluft und den Lebensmitteln<br />
die geringste Kontaminationsquelle für<br />
den Menschen bedeutet.<br />
4. Allein dann, wenn ein radioaktiv kontaminiertes<br />
Wasser an einem Ort genutzt<br />
wird , der frei von derartigen Umweltbelastungen<br />
ist, tritt die Radioaktivität des<br />
Trinkwassers als Belastungsquelle in den<br />
Vordergrund .<br />
5. Die potentielle Gefährdung der als Trinkwasser<br />
genutzten Wasserarten nimmt zumindest<br />
in der Anfangszeit in folgender Reihenfolge<br />
ab:<br />
- Regenwasser (Niederschläge)<br />
- Zisternenwasser<br />
- Oberflächenwasser aus Flüssen (ohne<br />
nachfolgende Bodenpassage oder Zwischenspeicherung<br />
in Sammelbecken)<br />
- Oberflächenwasser aus natürlichen Seen<br />
und künstlich angelegten Staugewässern<br />
(Talsperren)<br />
- Uferfiltriertes und künstlich angereichertes<br />
Grundwasser nach kurzer Bodenpassage<br />
- Karst- und Kluftgrundwasser<br />
- Uferfiltriertes und künstlich angereichertes<br />
Grundwasser nach längerer Bodenpassage<br />
- Echtes Grundwasser aus Poren-Grundwasserleitern<br />
mit günstiger Untergrundbeschaffenheit<br />
6. In der Bundesrepublik Deutschland bestehen<br />
wegen des hohen Anteils an echtem<br />
Grundwasser von etwa 64 % und weiteren<br />
insgesamt etwa 25 % an uferfiltriertem,<br />
künstlich angereiChertem Grundwasser sowie<br />
Quellwasser am Gesamtdargebot der