Magazin 198801
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Dieler Franke, Kalaslrophenschutzschule des Bundes, Ahrweiler<br />
Anmerkungen zu den seit Anfang 1986<br />
verbindlichen Einheiten im Meßwesen<br />
"Betr. : Urlaub des Prof. Dr. Röntgen .<br />
Nach einer vertraulichen Mitteilung von der<br />
K. Schwedischen Akademie der Wissenschaften<br />
hat der ehererbietigst gehorsamst<br />
Unterzeichnete den ersten Nobel-Preis für<br />
das Jahr 1901 erhalten.<br />
Die K. Schwedische Akademie legt besonderen<br />
Wert darauf, daß die Preisgekrönten<br />
am Verleihungstag (10. Dez. d. J.) den<br />
Preis persönlich in Stockholm in Empfang<br />
nehmen. Da diese Preise einen ausnahmsweise<br />
hohen Wert haben und besonders<br />
ehrenvoll sind , so glaubt der ehererbietigst<br />
gehorsamst Unterzeichnete dem Wunsch<br />
der K. Schwedischen Akademie , wenn auch<br />
nicht leichten Herzens, nachkommen zu<br />
müssen, und bittet er deshalb, ihm für die<br />
Dauer der nächsten Woche Urlaub gewähren<br />
zu wollen . Dr. W. C. Röntgen ."<br />
(Nachzulesen in den Akten des Bayerischen<br />
Kultusministerium , nach W. Gerlach<br />
in "Die Großen der Weltgeschichte", Band<br />
IX) . - Datiert vom 06. Dezember 1901 in<br />
München.<br />
So bescheiden fragte der erste Nobel<br />
Preis-Träger für Physik nach, die Lorbeeren<br />
in Empfang nehmen zu dürfen . Nun, er<br />
durfte. Allerdings genügten ihm eineinhalb<br />
Tage Aufenthalt in Stockholm, dann zog es<br />
ihn zur Arbeit zurück . Diese Arbeit war sein<br />
fast ausschließlicher Lebensinhalt. So kam<br />
es auch, daß er den Preis in Höhe von<br />
50000 S. Kronen seiner alten Universität<br />
Würzburg vermachte, der Stätte, an der er<br />
die weltberühmt gewordenen Strahlen entdeckte.<br />
Dabei hatte sein Leben gar nicht so zielgerichtet<br />
angefangen.<br />
Am 27. März 1845 in Lennep (Rheinpreußen)<br />
geboren, zog er noch als Kleinkind mit<br />
seinen Eltern nach Holland. Er besuchte die<br />
technische Schule, verließ sie vor dem Abschluß<br />
und widmete sich den klassischen<br />
Sprachen. Über die philosophische Fakultät<br />
der Universität Utrecht kam er zur Mechanisch-Technischen<br />
Abteilung des eidgenössischen<br />
Polytechnikums zu Zürich , wo er<br />
das Diplom als Maschineningenieur erwarb.<br />
Seine Promotion zum Doktor der Philosophie<br />
erfolgte mit "Studien über Gase" im<br />
Sommer 1869.<br />
Nach vielen seine Bedeutung für die Physik<br />
unterstreichenden Arbeiten , die ihm den<br />
Ruf eines "Präzisionsphysikers" einbrach-<br />
26 /zs-MAGAZIN 1188/<br />
8. November 1895 -<br />
der Entdeckungstag der Röntgenstrahlen<br />
ten , wurde er am 1. Oktober 1888 an die<br />
Universität Würzburg als Professor für Physik<br />
berufen; ausgerechnet an die Universität,<br />
die ihn einst wegen fehlenden humanistischen<br />
Abiturs abgelehnt hatte.<br />
Der 8. November 1895 muß wohl als der<br />
Entdeckungstag der Röntgenstrahlen geiten<br />
. Doch wie es für Röntgen charakteristisch<br />
ist, veröffentlichte er diese Sensation<br />
erst nach gewissenhafter Überprüfung .<br />
Vom 28. Dezember 1895 datiert sein Artikel.<br />
Explosionsartig nahm dann die Kunde<br />
ihren Lauf. Und doch dauerte es noch bis<br />
zum Jahre 1912, bis Max von Laue<br />
(1879-1960) das Rästel um das Wesen<br />
dieser neuen Strahlung lösen konnte. Ja,<br />
neu durfte sie jetzt eigentlich nicht mehr<br />
heißen. Denn es handelt sich um ganz normale<br />
elektro-magnetische Wellen, allerdings<br />
mit einer Wellenlänge , die nur I/I 000<br />
der des sichtbaren Lichts ausmacht.<br />
Nun sollte es eigentlich ein leichtes sein,<br />
eine mengenmäßige Beschreibung der<br />
Röntgenslrahlung zu finden . Doch dem war<br />
nicht so. Die Physiker der Jahrhundertwende<br />
hatten mit vielen Problemen zu kämpfen .<br />
Die Grenzen der Meßgenauigkeit, die Lükken<br />
auf anderen Gebieten, die Theorien Einsteins<br />
, die vielen im Wege standen und<br />
andere so faszinierten , daß sie dort ihren<br />
neuen Schwerpunkt suchten. Röntgen<br />
selbst trug auch nicht viel zur weiteren<br />
Entwicklung seiner Strahlen bei. Aus seiner<br />
Münchner Zeit, einem Ruf der dortigen Universität<br />
war er am 1. April 1900 gefolgt,<br />
sind lediglich Arbeiten bekannt, in denen er<br />
die Röntgenstrahlen als Hilfsmittel benutzt,<br />
nie aber als eigentliches Objekt der Untersuchungen.<br />
Nur einige seiner Doktoranden<br />
promovierten über die Entdeckung ihres<br />
Doktor-Vaters.<br />
Eine letzte Publikation von W. C. Röntgen<br />
erschien ein Jahr nach seiner Emeritierung<br />
1921 in den Annalen der Physik. Doch auch<br />
hier geht er nicht auf das Problem der<br />
Quantifizierung ein. Sein Leben hatte sich<br />
zwischenzeitlich grundlegend geändert.<br />
Durch den Wechsel nach München war der<br />
im allgemeinen etwas verschlossene Professor,<br />
der nur in seinem kleinen Freundeskreis<br />
in Würzburg gelegentlich auftaute und<br />
dann allerdings ein lebhafter und humorvoller<br />
Unterhalter sein konnte, etwas vereinsamt.<br />
Es war die Kehrseite des Ruhms ,<br />
die . ihm die Öffentlichkeit unangenehm<br />
machte. 1919, nach jahrelanger und aufopfernder<br />
Pflege, trug er seine Frau zu Grabe.<br />
Am 10. Februar 1923 folgte er ihr. Ein nur<br />
wenige Monate dauerndes Krebsleiden führte<br />
zum Darmverschluß und damit zum Tod.<br />
Etwa zu der Zeit gab es erste Ansätze zur<br />
Definition einer Einheit für die Röntgenstrahlen.<br />
Das augenfälligste Phänomen,<br />
meßtechnich am einfachsten zu fassen , war<br />
die Ionisierung . 1928 auf dem Internationalen<br />
Röntgenkongreß in Stockholm gab es<br />
erste Vorschläge, auf der Bildung von Ladungsträgern<br />
in der Luft basierend . Sechs<br />
Jahre wurde noch diskutiert, verfeinert, abgestimmt.<br />
Dann gab das "Komitee zur Standardisierung<br />
von X-Strahlen-Messungen" in<br />
der Zeitschrift "Radiology" die Definition<br />
des Röntgens als Dosiseinheit für die sogenannte<br />
Ionendosis bekannt. Von nun an war<br />
1 Röntgen, kurz 1 R, die Strahlungsmenge<br />
an Röntgenstrahlung , die in einem Kubikzentimeter<br />
Luft unter Normalbedingungen<br />
eine solche Menge von Ionen bildet, daß<br />
deren Gesamtladung für jedes Vorzeichen<br />
gesondert gleich einer elektrostatischen Ladungseinheit<br />
ist. Die Reproduzierbarkeit,<br />
die wesentlichste Anforderung an eine physikalische<br />
Einheit, bereitete allerdings<br />
Schwierigkeiten . Die Normalbedingungen<br />
waren 20 • C als Temperatur und eine Atmosphäre<br />
bzw. 760 mm Hg als Druck. Dazu<br />
ist das Meßvolumen zu begrenzen, ohne<br />
daß auf das Feld rückgekoppelt wird. Viele<br />
Aufgaben also für die Meßtechniker. Wenn<br />
das alles erfüllt ist, läßt sich nachvollziehen,<br />
was die Theorie vorgibt . Eine elektrostatische<br />
Ladungseinheit, das sind 2,083 x 10'<br />
Ionenpaare. Der Elementarladung von<br />
1,6021 x 10 " Coulomb entsprechend liegt<br />
also eine Ladung von 3,337 x 10 '0 C in<br />
1 cm' Luft vor. Unter Berücksichtigung der<br />
Dichte der Luft von 1,293 x 10· kg/cm',<br />
ergibt sich für 1 Röntgen im SI-System ein<br />
Wert von 2,58 x 10·' C/kg . Ursprünglich<br />
war diese Dosis nur für Röntgenstrahlen<br />
definiert. Sie wurde später auch auf andere<br />
Arten ionisierende Strahlung übertragen.<br />
Mit der gesetzlichen Anpassung an den internationalen<br />
Standard des SI-Systems<br />
wurde nun auch der Name Röntgen zu Grabe<br />
getragen. Die Ionendosis hat nicht mehr<br />
die Bedeutung von früher. Wer noch mit ihr<br />
zu tun hat, der möge von der Ladung pro<br />
Masse, sprich Clkg, reden .<br />
(Fortsetzung folgt)