Das Lächeln der Aphrodite - Kompassrose
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<strong>Das</strong> <strong>Lächeln</strong> <strong>der</strong> <strong>Aphrodite</strong> – Kleine Kultur und Entwicklungsgeschichte <strong>der</strong> Seefahrt Seite 2<br />
Vorwort:<br />
DIE SAGE VON EUROPA UND DEM STIER<br />
Im Lande Phönikien 1 wuchs die Jungfrau Europa, die Tochter des Königs Agenor, in<br />
tiefer Abgeschiedenheit des väterlichen Palastes auf. Sie war, so heißt es in einer<br />
griechischen Sage, eine unglaublich schöne Prinzessin, in die sich Göttervater Zeus<br />
verliebt hatte. So schnell wie möglich wollte er sie kennen lernen. Zeus war sich<br />
sicher, dass Europa Tiere mochte und dass er in Gestalt eines Tieres schneller mit<br />
ihr bekannt werden würde. So verwandelte er sich in den prächtigsten Stier weit und<br />
breit. Europa wurde aufmerksam auf ihn und setzte sich auf seinen Rücken. Der<br />
Stier, <strong>der</strong> ja eigentlich Zeus war, raste los und entführte sie über das Meer.<br />
Endlich gegen Abend erreichten sie ein fernes Ufer. Der Stier schwang sich ans<br />
Land, ließ das Mädchen unter einem gewölbten Baum sanft vom Rücken gleiten und<br />
erschien ihr sogleich als herrlicher, göttergleicher Mann. Er sei <strong>der</strong> Beherrscher <strong>der</strong><br />
Insel Kreta, sagte er, und er werde sie schützen, wenn sie sich ihm hingäbe und er<br />
durch ihren Besitz beglückt würde. Europa in ihrer trostlosen Verlassenheit reichte<br />
ihm die Hand als Zeichen <strong>der</strong> Einwilligung. So hatte Zeus das Ziel seiner Wünsche<br />
erreicht. Aber auch er verschwand, wie er gekommen war.<br />
Europa erwachte aus langer Betäubung, als schon die Morgensonne am<br />
Himmel stand. Mit verirrten Blicken sah sie umher, wollte die Heimat suchen, aber<br />
sie sah nur die fremde Landschaft; unbekannte Blumen und Felsen. »Was bleibt mir<br />
übrig, als zu sterben?« Da erschien ihr die Göttin <strong>Aphrodite</strong>. Mit<br />
einem <strong>Lächeln</strong> auf den Lippen sprach die Göttin: »Vergiss’<br />
deine Verzweiflung, schöne Europa, tröste dich! Zeus ist es,<br />
<strong>der</strong> dich geraubt hat; du bist die irdische Gattin des<br />
unbesiegten Gottes: unsterblich wird dein Name werden! Lerne<br />
so zu leben, wie es deiner hohen Stellung würdig ist. Die Hälfte<br />
<strong>der</strong> Welt wird dir ihren Namen verdanken, denn <strong>der</strong> fremde<br />
Erdteil, <strong>der</strong> dich aufgenommen hat, heißt hinfort Europa!«<br />
(nach Horaz 2 ).<br />
Der Raub <strong>der</strong> Europa (Foto: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz)<br />
1 Phönikien (Phönizien, ›Purpurland‹), griechischer Name <strong>der</strong> historischen Landschaft an <strong>der</strong><br />
Mittelmeerküste etwa zwischen Syrien und Israel; in <strong>der</strong> Bibel als Kanaan bezeichnet. Die mindestens<br />
seit dem 2. Jahrtausend v.Chr. hier lebende Bevölkerung mit semitischer Sprache trieb von den<br />
wichtigsten Städten Byblos, Tyrus, Sidon und Beruta (heute Beirut) aus regen Handel. Nach Befreiung<br />
aus ägyptischer Oberhoheit dehnten die Phöniker ihre Macht ab etwa 1100 durch Gründung von<br />
Handelsfaktoreien und Kolonien im Mittelmeerraum aus. 572 unterwarf <strong>der</strong> babylonische König<br />
Nebukadnezar II. Tyrus nach 13 Jahre langer Belagerung. Während <strong>der</strong> Eroberung des persischen<br />
Reiches durch Alexan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Große wurde Tyrus 332 eingenommen.<br />
2 Horaz (65 v.Chr. bis 8 n.Chr.), neben Vergil einer <strong>der</strong> bedeutendsten römischen Dichter und<br />
Satiriker. Horaz war stets um das Wesentliche bemüht. Zentrales Thema ist die rechte<br />
Lebensgestaltung. Die meisten Werke geißeln Laster, die sozialen Unfrieden stiften o<strong>der</strong> die<br />
menschlichen Beziehungen beeinträchtigen, wie Habgier, Ehebruch, Aberglaube, Schlemmerei. Nicht<br />
selten stellte er stellvertretend für den Normalbürger auch sich selbst und seine Schwächen dar.