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REPORTAGE<br />
Frank J. steht an der Bande<br />
und weiß: So kann es<br />
nicht weitergehen. Über das<br />
Eis sieht er den Traktor einen<br />
Schaber hinter sich herziehen.<br />
Dem Traktor folgen Arbeiter<br />
mit Besen, Schlauch und Wischern.<br />
Ein paar Mal am Tag<br />
wiederholt sich das so, und<br />
immer dann verdient Frank J.<br />
kein Geld.<br />
Er kauft bei der Armee das<br />
Fahrwerk eines ausgedienten<br />
Lasters, einen alten Jeep-Motor<br />
und dazu im Landmaschinenbedarf,<br />
was er sonst noch<br />
braucht: Leitungen, Dichtungen,<br />
Schneckenwellen. Es<br />
dauert Jahre, bis er 1949 so<br />
weit ist. Das erste Modell von<br />
Frank J. Zambonis Erfindung<br />
sieht aus wie eine Mischung<br />
aus Mondfahrzeug, Gabelstapler<br />
und Werbetafel. Aber es<br />
funktioniert. Wozu bis dahin<br />
vier Männer eineinhalb Stunden<br />
brauchten – die Aufbereitung<br />
der Eisfläche des Iceland<br />
Skating Rink in Paramount,<br />
Kalifornien –, schafft Zambonis<br />
AM STEUER EINER EISAUFBEREITUNGSMASCHINE<br />
AUFS GLATTEIS GEFÜHRT<br />
Sie hauen Riefen und Furchen rein, traktieren es mit den scharfen Kufen ihrer Schlittschuhe.<br />
Wenn in der SAP-Arena in Mannheim Eishockey gespielt wird, leidet das Eis. Damit dennoch<br />
alles glattläuft, muss es regelmäßig mit einer EISPFLEGEMASCHINE aufbereitet werden.<br />
Maschine in zehn Minuten.<br />
Länger braucht auch Alfred<br />
Zylla, Eismeister in der Mannheimer<br />
SAP-Arena, nicht, um<br />
der 60 mal 30 Meter großen<br />
Spielfläche mit seiner Zamboni<br />
– der Markenname hat sich<br />
etwa wie bei Tempo oder Tesa<br />
als Gattungsbegriff etabliert –<br />
neuen Glanz zu verpassen. Mit<br />
15 km/h fährt er die Maschine<br />
ruhig und gleichmäßig übers<br />
kalte Weiß, nah an der Bande<br />
entlang, exakt neben der vorigen<br />
Spur, erst außen, dann in<br />
die Mitte und von dort wieder<br />
zu den Rändern hin. Vor der<br />
Maschine ist das Eis stumpf<br />
und vermackt, dahinter glänzt<br />
es spiegelglatt. Das liegt am<br />
warmen Wasser, dass sie aufs<br />
Eis kippen. „Osmosewasser<br />
mit 50, 60 Grad Temperatur,<br />
um die 900 Liter pro Durchgang“,<br />
sagt Zylla. „Sie können<br />
zu Hause mal einen Eiswürfel<br />
abbrühen und sehen, was passiert.<br />
Die Oberfläche verschwimmt<br />
und zieht ganz glatt<br />
wieder an. Außerdem gefriert<br />
das warme Wasser schneller<br />
als kaltes“, setzt er hinzu, als<br />
er absteigt und das Steuer<br />
übergibt. „Ich fahre mit Ihnen“,<br />
sagt er, und auch wie er es<br />
sagt, beruhigt und ermutigt<br />
beim ersten Versuch. Denn so<br />
einfach, wie es aussieht, ist es<br />
natürlich nicht, sich mit dem<br />
Drei-Tonnen-Gerät dort zu<br />
bewegen, wo es einen schon<br />
bei einem unvorsichtigen<br />
Schritt sofort hart hinhaut.<br />
Und: Vier Zentimeter dickes<br />
Eis auf einer Betonfläche ist<br />
wirklich sehr, sehr hart. „Ohne<br />
Spikes kommt man nicht vom<br />
Fleck“, erklärt Zylla. Mit den<br />
kurz aus dem Profil der Reifen<br />
ragenden Stahlstiften geht es<br />
allerdings überraschend zügig<br />
voran. Die Maschine macht<br />
einen kurzen Ruck, als sie sich<br />
in Bewegung setzt, die Spikes<br />
im Eis knarrend und knackend.<br />
Geht doch. Brav folgt die Zamboni<br />
dem Gekurbel am Lenkrad,<br />
und wäre da nicht dieses<br />
permanente Gefühl, zur Hälfte<br />
nur zu fahren und zur anderen<br />
zu schwimmen und zu rutschen,<br />
könnte sich der Eindruck<br />
einstellen, man bewege<br />
nur eine große Kehrmaschine.<br />
Auf der aber würden nicht an<br />
jeder Ecke deutliche Hinweise<br />
kleben: Danger, Gefahr, Achtung,<br />
Vorsicht! Wovor? Etwa<br />
vor der zwei Meter breiten<br />
Klinge, mit der zwei bis drei<br />
Millimeter der Eisoberfläche<br />
abgetragen werden. Das Messer<br />
hat der Eismeister zu justieren.<br />
Gefühlssache, Erfahrungswerte.<br />
„Ich sehe ja“,<br />
meint Zylla lapidar, „wie es<br />
hinter mir aussieht und wie<br />
viel Schnee vorne in den Kübel<br />
geworfen wird. Entsprechend<br />
regle ich nach.“ Es gibt dazu<br />
im Wald der übrigen Hebeleien<br />
ein Handrad rechts vom Fahrersitz.<br />
Noch aber ist die Klinge<br />
gar nicht justiert, der Schlitten<br />
hinter der Hinterachse gar<br />
nicht abgesenkt. Auch deshalb<br />
fährt sich die Zamboni so ohne<br />
Anstrengung. Das ändert sich<br />
mit dem Ziehen an weiteren<br />
der zehn Hebel, die Zylla blind,<br />
der Anfänger hingegen kaum<br />
ohne Verwirrung bedient. Das<br />
warme Wasser und das kalte<br />
Waschwasser laufen, die<br />
Schneckenwellen, die das abgehobelte<br />
Eis fördern, drehen<br />
los, der Schlitten senkt sich,<br />
das Messer gräbt sich ins Eis.<br />
Das Ding ist scharf, fingerabscharf,<br />
und es bremst die Maschine<br />
deutlich ein. Also Gas,<br />
nicht stehen bleiben – das hinterlässt<br />
Kanten in der Eisfläche.<br />
Gas heißt aber auch, dass<br />
die nächste Bande viel schneller<br />
näherkommt. Einlenken, die<br />
Kurve kriegen, jetzt aber. Die<br />
Räder stellt es vorne quer, hinten<br />
rutscht das Heck herum.<br />
Die nächste Bahn, dasselbe<br />
Bild: Vorne sieht das Eis besser<br />
aus als hinten. Was den<br />
Schluss nahelegt, dass es eigentlich<br />
nicht die Zamboni ist,<br />
die das Eis macht. Sondern<br />
der Eismeister Alfred Zylla.<br />
Und sein Gespür, das er dafür<br />
in 26 Jahren erworben hat, ist<br />
mehr wert als jede Hightech-<br />
Maschine. Michael Orth<br />
64 AUTO 3/<strong>2013</strong><br />
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