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AUTOStraßenverkehr Heft 03-2013

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REPORTAGE<br />

Frank J. steht an der Bande<br />

und weiß: So kann es<br />

nicht weitergehen. Über das<br />

Eis sieht er den Traktor einen<br />

Schaber hinter sich herziehen.<br />

Dem Traktor folgen Arbeiter<br />

mit Besen, Schlauch und Wischern.<br />

Ein paar Mal am Tag<br />

wiederholt sich das so, und<br />

immer dann verdient Frank J.<br />

kein Geld.<br />

Er kauft bei der Armee das<br />

Fahrwerk eines ausgedienten<br />

Lasters, einen alten Jeep-Motor<br />

und dazu im Landmaschinenbedarf,<br />

was er sonst noch<br />

braucht: Leitungen, Dichtungen,<br />

Schneckenwellen. Es<br />

dauert Jahre, bis er 1949 so<br />

weit ist. Das erste Modell von<br />

Frank J. Zambonis Erfindung<br />

sieht aus wie eine Mischung<br />

aus Mondfahrzeug, Gabelstapler<br />

und Werbetafel. Aber es<br />

funktioniert. Wozu bis dahin<br />

vier Männer eineinhalb Stunden<br />

brauchten – die Aufbereitung<br />

der Eisfläche des Iceland<br />

Skating Rink in Paramount,<br />

Kalifornien –, schafft Zambonis<br />

AM STEUER EINER EISAUFBEREITUNGSMASCHINE<br />

AUFS GLATTEIS GEFÜHRT<br />

Sie hauen Riefen und Furchen rein, traktieren es mit den scharfen Kufen ihrer Schlittschuhe.<br />

Wenn in der SAP-Arena in Mannheim Eishockey gespielt wird, leidet das Eis. Damit dennoch<br />

alles glattläuft, muss es regelmäßig mit einer EISPFLEGEMASCHINE aufbereitet werden.<br />

Maschine in zehn Minuten.<br />

Länger braucht auch Alfred<br />

Zylla, Eismeister in der Mannheimer<br />

SAP-Arena, nicht, um<br />

der 60 mal 30 Meter großen<br />

Spielfläche mit seiner Zamboni<br />

– der Markenname hat sich<br />

etwa wie bei Tempo oder Tesa<br />

als Gattungsbegriff etabliert –<br />

neuen Glanz zu verpassen. Mit<br />

15 km/h fährt er die Maschine<br />

ruhig und gleichmäßig übers<br />

kalte Weiß, nah an der Bande<br />

entlang, exakt neben der vorigen<br />

Spur, erst außen, dann in<br />

die Mitte und von dort wieder<br />

zu den Rändern hin. Vor der<br />

Maschine ist das Eis stumpf<br />

und vermackt, dahinter glänzt<br />

es spiegelglatt. Das liegt am<br />

warmen Wasser, dass sie aufs<br />

Eis kippen. „Osmosewasser<br />

mit 50, 60 Grad Temperatur,<br />

um die 900 Liter pro Durchgang“,<br />

sagt Zylla. „Sie können<br />

zu Hause mal einen Eiswürfel<br />

abbrühen und sehen, was passiert.<br />

Die Oberfläche verschwimmt<br />

und zieht ganz glatt<br />

wieder an. Außerdem gefriert<br />

das warme Wasser schneller<br />

als kaltes“, setzt er hinzu, als<br />

er absteigt und das Steuer<br />

übergibt. „Ich fahre mit Ihnen“,<br />

sagt er, und auch wie er es<br />

sagt, beruhigt und ermutigt<br />

beim ersten Versuch. Denn so<br />

einfach, wie es aussieht, ist es<br />

natürlich nicht, sich mit dem<br />

Drei-Tonnen-Gerät dort zu<br />

bewegen, wo es einen schon<br />

bei einem unvorsichtigen<br />

Schritt sofort hart hinhaut.<br />

Und: Vier Zentimeter dickes<br />

Eis auf einer Betonfläche ist<br />

wirklich sehr, sehr hart. „Ohne<br />

Spikes kommt man nicht vom<br />

Fleck“, erklärt Zylla. Mit den<br />

kurz aus dem Profil der Reifen<br />

ragenden Stahlstiften geht es<br />

allerdings überraschend zügig<br />

voran. Die Maschine macht<br />

einen kurzen Ruck, als sie sich<br />

in Bewegung setzt, die Spikes<br />

im Eis knarrend und knackend.<br />

Geht doch. Brav folgt die Zamboni<br />

dem Gekurbel am Lenkrad,<br />

und wäre da nicht dieses<br />

permanente Gefühl, zur Hälfte<br />

nur zu fahren und zur anderen<br />

zu schwimmen und zu rutschen,<br />

könnte sich der Eindruck<br />

einstellen, man bewege<br />

nur eine große Kehrmaschine.<br />

Auf der aber würden nicht an<br />

jeder Ecke deutliche Hinweise<br />

kleben: Danger, Gefahr, Achtung,<br />

Vorsicht! Wovor? Etwa<br />

vor der zwei Meter breiten<br />

Klinge, mit der zwei bis drei<br />

Millimeter der Eisoberfläche<br />

abgetragen werden. Das Messer<br />

hat der Eismeister zu justieren.<br />

Gefühlssache, Erfahrungswerte.<br />

„Ich sehe ja“,<br />

meint Zylla lapidar, „wie es<br />

hinter mir aussieht und wie<br />

viel Schnee vorne in den Kübel<br />

geworfen wird. Entsprechend<br />

regle ich nach.“ Es gibt dazu<br />

im Wald der übrigen Hebeleien<br />

ein Handrad rechts vom Fahrersitz.<br />

Noch aber ist die Klinge<br />

gar nicht justiert, der Schlitten<br />

hinter der Hinterachse gar<br />

nicht abgesenkt. Auch deshalb<br />

fährt sich die Zamboni so ohne<br />

Anstrengung. Das ändert sich<br />

mit dem Ziehen an weiteren<br />

der zehn Hebel, die Zylla blind,<br />

der Anfänger hingegen kaum<br />

ohne Verwirrung bedient. Das<br />

warme Wasser und das kalte<br />

Waschwasser laufen, die<br />

Schneckenwellen, die das abgehobelte<br />

Eis fördern, drehen<br />

los, der Schlitten senkt sich,<br />

das Messer gräbt sich ins Eis.<br />

Das Ding ist scharf, fingerabscharf,<br />

und es bremst die Maschine<br />

deutlich ein. Also Gas,<br />

nicht stehen bleiben – das hinterlässt<br />

Kanten in der Eisfläche.<br />

Gas heißt aber auch, dass<br />

die nächste Bande viel schneller<br />

näherkommt. Einlenken, die<br />

Kurve kriegen, jetzt aber. Die<br />

Räder stellt es vorne quer, hinten<br />

rutscht das Heck herum.<br />

Die nächste Bahn, dasselbe<br />

Bild: Vorne sieht das Eis besser<br />

aus als hinten. Was den<br />

Schluss nahelegt, dass es eigentlich<br />

nicht die Zamboni ist,<br />

die das Eis macht. Sondern<br />

der Eismeister Alfred Zylla.<br />

Und sein Gespür, das er dafür<br />

in 26 Jahren erworben hat, ist<br />

mehr wert als jede Hightech-<br />

Maschine. Michael Orth<br />

64 AUTO 3/<strong>2013</strong><br />

www.facebook.com/AUTOStrassenverkehr

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