Rundbrief 9 - bvkm.
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noch nicht, den Jochen kenne ich. Mehr war da<br />
eigentlich nicht.<br />
2.3.6 Entscheidung gegen eine pränatale<br />
Diagnostik<br />
Für die Entscheidung gegen eine vorgeburtliche<br />
Diagnostik spielten zum einen persönliche Wertmaßstäbe<br />
eine Rolle, z.B. die religiöse Überzeugung,<br />
zum anderen bereits gemachte Erfahrungen<br />
mit den nicht geringen möglichen Risiken der<br />
Untersuchung (vgl. Risikoangaben in Schindele<br />
1995; Schmidtke 1997). Besonders für eine Frau<br />
sind die Erfahrungen mit einer erlittenen Fehlgeburt<br />
nach einer Fruchtwasseruntersuchung aber<br />
auch die Bewußtheit, daß sich die Möglichkeit<br />
einer Behinderung nie ausschließen läßt, entscheidend<br />
für die Ablehnung der Pränataldiagnostik<br />
bei ihren beiden weiteren Schwangerschaften.<br />
Frau P: Ich habe mir nur immer überlegt, wenn<br />
ich diese Untersuchung machen lasse, und es ist<br />
ein gesundes Kind, und bei der Geburt passiert<br />
auch nichts, und mit drei Jahren kommt es unter<br />
ein Auto oder es passiert etwas, und es trägt<br />
dann eine Behinderung davon, was mache ich<br />
dann? Dann kann ich es ja auch nicht einfach<br />
wegschmeißen, also so (...) und das war auch<br />
der Gedanke, warum ich keine Untersuchung<br />
mehr gemacht habe. Eigentlich kann ich das ja<br />
nicht entscheiden, also wenn es später eine Behinderung<br />
....oder bei der Geburt....dann kann<br />
ich ja auch nicht sagen: Pech gehabt, nimm‘s<br />
mit. (...) Da hatte ich auch ein bißchen Schwierigkeiten<br />
mit meinem Mann, weil das ist ja etwas,<br />
was die Frau durchmacht...für den Mann ist es<br />
auch schlimm, aber er kriegt es ja nicht so<br />
mit...die Bewegungen...und so. (...) Ja, er war<br />
dann....was machen wir dann, wenn es aber doch<br />
behindert ist ... Es ist, der Gedanke ist richtig, ich<br />
sag ja nicht, daß es verkehrt ist, aber ... ich<br />
hab’s nicht mehr machen können, es ging einfach<br />
nicht mehr bei mir. (...): Ja, es war schon nicht<br />
einfach bei uns, aber letztendlich mußte er mich<br />
mit meiner Entscheidung lassen ... aber ja, hinterher,<br />
wenn etwas gewesen wäre, ich weiß<br />
nicht, wie es ... ich denke nicht, daß er sich hätte<br />
scheiden lassen oder sonst irgend etwas, ... aber<br />
es wäre schon zwischen uns gestanden, wenn<br />
das Kind behindert gewesen wäre.<br />
Für diese Frau schien sich der Konflikt wirklich als<br />
eine innere Zerrissenheit zwischen Kopf und<br />
Bauch abzuspielen (vgl. auch Schindele 1995).<br />
Nach Boban und Hinz spielen für die ”kleine<br />
Gruppe der Eltern, die sich trotz einer Risiko-<br />
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schwangerschaft oder eines bereits vorhandenen<br />
behinderten Kindes” gegen eine invasive Pränataldiagnostik<br />
entscheidet, besonders ethische<br />
Motive eine Rolle. ”Diese Eltern sehen das Erlebnis,<br />
die Auseinandersetzung und die Bewältigung<br />
schmerzlicher Lebensanteile als zum Leben dazugehörig.<br />
Die Schwierigkeiten, die das Leben mit<br />
einem behinderten Kind für sie selbst und für das<br />
Kind bringt, betrachten sie als vor allem von außen<br />
verursacht und gesellschaftlich bedingt”<br />
(1988, 456f.).<br />
2.3.7 Einstellungen zur Pränataldiagnostik<br />
Alle interviewten Frauen bzw. Familien, auch die,<br />
die sich selbst gegen die Untersuchung entschieden<br />
haben oder die nicht vor die Wahl gestellt<br />
wurden, betonten, daß es eine individuelle Entscheidung<br />
der betroffenen Familie sein sollte,<br />
eine vorgeburtliche Untersuchung in Anspruch<br />
oder nicht in Anspruch zu nehmen, die nicht von<br />
außen reglementiert werden sollte.<br />
Eine Frau äußerte Verständnis für Familien, die<br />
nach einer Pränataldiagnostik einen Schwangerschaftsabbruch<br />
durchführen, auch wenn sie sich<br />
persönlich nicht dafür hätte entscheiden können.<br />
Frau P:... Es ist auch so, wenn ich jetzt jemandem<br />
raten müßte, ich würde schon sagen, also<br />
zwei behinderte Kinder, das ist ein Unding für<br />
jemanden. Aber zu sagen, dann laß halt abtreiben,<br />
das könnt' ich auch nicht ... kann ich nicht.<br />
Letztendlich, ich würde es verstehen, und ich<br />
würde es auch verstehen, wenn es jemand abtreibt.<br />
Aber ich nicht. (...). Bei anderen, ... ich<br />
würde es nie verurteilen. Früher war ich generell,<br />
abtreiben, wie kann man nur ... aber in diesem<br />
Fall, ich könnte niemanden verurteilen.<br />
Zwei der befragten Mütter würden allen Frauen<br />
und Paaren, die den Wunsch nach einer vorgeburtlichen<br />
Untersuchung äußerten, die Entscheidung<br />
freistellen. Sie lehnten aber einen generellen<br />
Hinweis auf die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik<br />
ab und sprachen sich gegen eine Art<br />
vorgeburtlichem Screening aus, das lediglich einer<br />
Selektion dienen soll.<br />
Zwei Mütter, die die Möglichkeiten der vorgeburtlichen<br />
Untersuchungen uneingeschränkt befürworteten,<br />
bezogen ihren Standpunkt auch auf<br />
ihre persönliche Situation.<br />
Frau G: Mein Standpunkt war immer: Wenn ich<br />
es gewußt hätte, dann wäre der Klaus heute<br />
nicht. Dazu stehe ich, und das war immer meines...ich<br />
hätte ihn nicht ausgetragen, wenn ich<br />
gewußt hätte, es gibt ein behindertes Kind.<br />
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