Rundbrief 9 - bvkm.
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schiedlichen Gründen als zweckmäßig an, in diesen<br />
Dialog einzutreten. Dazu gehörte sicher das<br />
Interesse, mehr über die Menschen zu erfahren,<br />
die mit den Behinderungen leben, nach denen sie<br />
fahnden. Es ging sicher aber auch darum, Legitimations-<br />
und Akzeptanzprobleme zu überwinden,<br />
denen sich die Humangenetik zunehmend gegenüber<br />
sah. Während die diagnostischen Möglichkeiten<br />
wuchsen, blieben die Therapiemöglichkeiten<br />
weit hinter den Erwartungen zurück. Die Singer-Debatte<br />
hatte ihren Höhepunkt gerade hinter<br />
sich. Hinzu kam ein Verlust des Monopols auf<br />
Pränataldiagnostik durch die Konkurrenz der Niedergelassenen<br />
außerhalb der Zentren. Außerdem<br />
bieten Selbsthilfegruppen von behinderten Menschen<br />
und deren Angehörigen einen guten Zugang<br />
zu potentiellen Forschungsobjekten.<br />
Wir haben bei den ersten Gesprächen bemerkt,<br />
dass ein wirklicher Dialog auf gleicher Ebene ohne<br />
eine eigene Positionierung der Behindertenselbsthilfe<br />
nicht möglich war. Diffuse Vorstellungen<br />
über die Angebote und Möglichkeiten der<br />
Humangenetik und der Pränataldiagnostik, verbunden<br />
mit der unterschwelligen Hoffnung, die<br />
Probleme, die mit der Behinderung verbunden<br />
sind, lösen zu können, standen dem entgegen.<br />
Die Tagung sollte den Standort klären und tat<br />
dies auch in dem “Kölner Manifest”, das einige<br />
wesentliche Positionen der “Frankfurter Erklärung”<br />
des Netzwerkes enthält.<br />
Kritisch begleitet durch Proteste und Demonstrationen<br />
wurde die Veranstaltung durch das bundesweite<br />
Anti-Euthanasieforum, einer Gruppierung<br />
der Krüppel-Bewegung. Sie lehnte jeden<br />
Kontakt mit Humangenetikern ab und forderte<br />
die Schließung aller humangenetischen Beratungsstellen.<br />
In der Veranstaltung sahen sie das<br />
Elterninteresse, dominant zu einer “fairen” Beratung<br />
zu kommen, die den Interessen unmittelbar<br />
Betroffener entgegensteht. In diesem Konflikt<br />
wird die unterschiedliche Haltung der unterschiedlich<br />
Betroffenen deutlich. Er zieht sich fast<br />
durch die gesamte Eltern- und Behindertenselbsthilfe<br />
und besteht bis heute weiter, auch<br />
wenn der Umgang miteinander anders geworden<br />
ist. Die bis heute andauernde Zurückhaltung der<br />
Behindertenhilfe und -selbsthilfe im Netzwerk ist<br />
bei den Behindertengruppen auf die fehlende<br />
Radikalität des Netzwerks zurückzuführen. Bei<br />
den Eltern behinderter Kinder ist sie wohl dadurch<br />
begründet, dass sie sich die Option auf die<br />
Pränataldiagnostik offen halten wollen, weil sie<br />
die Hoffnung haben, der medizinische Fortschritt<br />
könnte ihnen zu einem gesunden Kind verhelfen.<br />
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Während andere sogenannte bioethische Fragestellungen<br />
im Mittelpunkt stehen - immerhin sind<br />
gegen die Bioethik-Konvention des Europarates<br />
über 2 Mio. Unterschriften gesammelt worden -<br />
hat die alltägliche Praxis der selektiven Pränataldiagnostik<br />
in der Szene kein vergleichbares Engagement<br />
hervorgerufen.<br />
Anders stellt sich die Situation im Zusammenhang<br />
mit dem Schwangerschaftsabbruch dar. Die<br />
Behindertenverbände haben sich gemeinsam mit<br />
den Kirchen für die Abschaffung der embryopathischen<br />
Indikation eingesetzt. Sie machte eine<br />
Bewertung des Lebens mit einer Behinderung<br />
notwendig und war nach den Vorstellungen behinderter<br />
Menschen, ihrer Angehörigen und der<br />
Verbände mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren.<br />
Die Erwartung war, dass durch die Abschaffung<br />
der embryopathischen Indikation die<br />
Schwangerschaftsabbrüche nach Pränataldiagnostik<br />
zurückgehen. Die Erwartung wurde, wie wir<br />
wissen, nicht erfüllt. An die Stelle der embryopathischen<br />
Indikation ist die medizinische Indikation<br />
getreten, die neue, zusätzliche Probleme<br />
hervorgerufen hat. Durch das sog. “Oldenburger<br />
Baby” wurde die Problematik des späten Abbruchs<br />
deutlich. Die Dramatik der späten Abbrüche<br />
mit all ihren Folgen verhindert häufig den<br />
Blick auf die eigentliche Ursache, auf die ungehemmte<br />
Ausweitung der Pränataldiagnostik.<br />
In den Stellungnahmen der Verbände zum späten<br />
Abbruch können im wesentlichen drei Positionen<br />
ausgemacht werden:<br />
1. Einführung einer Befristung für den Abbruch<br />
nach Pränataldiagnostik, was letztendlich zur<br />
Wiedereinführung der embryopathischen Indikation<br />
führen würde,<br />
2. eine verschärfte Indikation, die nur einen<br />
Schwangerschaftsabbruch ermöglicht, wenn<br />
das Leben der Mutter unmittelbar durch die<br />
Fortsetzung der Schwangerschaft gefährdet<br />
ist,<br />
3. Regeln außerhalb des Strafrechtes, die auf ein<br />
Zurückdrängen der Pränataldiagnostik gerichtet<br />
sind.<br />
Eine ähnlich breite Diskussion wie die späten Abbrüche<br />
hat auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil<br />
ausgelöst, in dem ein Schadensersatzanspruch<br />
für die Geburt eines behinderten Kindes<br />
nach einer fehlerhaften humangenetischen Diagnostik<br />
und Beratung als rechtmäßig anerkannt<br />
wurde. Auch hier gab es unterschiedliche Positionen.<br />
Während die eine behinderte Kinder als<br />
Schaden definiert sahen, vertraten andere die<br />
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