Rundbrief 9 - bvkm.
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scheidung über Leben von möglicherweise behinderten<br />
Menschen treffen. Alle Menschen können<br />
das von Natur aus wissen." (Prof. Dr. Fischer in<br />
GEO 11/96, S. 182). Henri de Toulouse-Lautrec<br />
und Frederic Chopin wären durch die PID aussortiert<br />
worden. Der Maler wurde aufgrund seiner<br />
angeborenen Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit)<br />
früh zum Krüppel, bei dem Komponisten<br />
vermuten die Wissenschaftler eine Mukoviszidose.<br />
Wenn der Mensch die Gene im Griff hätte, würde<br />
es vielleicht nur noch Supermenschen wie Naomi<br />
Schiffer-Curie oder Boris Redford-Einstein geben.<br />
Doch "das bezaubernd einzigartige Lieschen<br />
Müller, dessen Eltern sich keine Gedanken gemacht<br />
haben, dürfte ihnen spielend den Rang<br />
ablaufen" (Prof. Fischer).<br />
Wir verstehen die menschlichen Gene noch lange<br />
nicht. Was wir bekommen, ist nicht Wissen, sondern<br />
Information. Wir würden ganz andere Entscheidungen<br />
treffen, wenn wir zu den genetischen<br />
Informationen auch den dazugehörenden<br />
Menschen kennen lernen könnten.<br />
Der Mensch hat sich das vorgeburtliche Leben<br />
verfügbar gemacht, jetzt muss er mit diesem<br />
Wissen umgehen. Und diese Verantwortung hat<br />
jeder Mensch für sich und seine Kinder. Vielleicht<br />
muss der Gesetzgeber dem Einzelnen diese Verantwortung<br />
auch lassen, da eben keine allgemein<br />
gültigen Entscheidungen möglich sind. Er muss<br />
dann aber alles tun, um die Gefahr der eugenischen<br />
Auslese zu begegnen - durch verstärkte<br />
Aufklärung, durch verbesserte soziale Sicherung<br />
von Behinderten und ihren Familien, durch strenge<br />
Vorgaben für Berater und Ärzte, durch die<br />
gesetzliche Verknüpfung von Diagnose und humangenetischer<br />
Beratung. Das alles müsste erreicht<br />
werden, bevor nach Meinung des AKL die<br />
Präimplantationsdiagnostik erlaubt werden kann!<br />
Zuerst abgedruckt in Mukoviszidose aktuell 2/97<br />
Statement des BVHK zur Pränatalen<br />
Diagnostik<br />
PD soll nicht in den Ruf der “Vorauswahl” oder<br />
“Kinderauslese” kommen, sondern eine optimale<br />
Vorbereitung sowie eine sofortige Versorgung<br />
- 44 -<br />
nach der Geburt in einem geeigneten Zentrum<br />
ermöglichen. Vorbereitete, gut informierte Eltern<br />
können nach der Geburt besser mit Problemen<br />
umgehen, die unvermeidlich auf sie zukommen<br />
werden.<br />
Häufig fällt es den werdenden Eltern schwer, sich<br />
gegen eine PD zu entscheiden: sozialer Druck,<br />
Verantwortung gegenüber dem ungeborenen<br />
Kind, Kränkung des Gynäkologen, juristische Absicherung<br />
des Arztes.<br />
Die Angst des Diagnostikers vor falsch-positiven<br />
oder falsch-negativen Diagnosen (und dadurch<br />
möglicherweise juristische und berufspolitische<br />
Konsequenzen zu erfahren) ist für ihn problematisch.<br />
Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
über die geeignete Form, in der mit der Schwangeren<br />
über Verdachtsmomente bei der PD gesprochen<br />
werden sollte. Als erwiesen gilt, dass<br />
die inhaltlichen Informationen in dieser Stress-<br />
Situation bei den Eltern nur teilweise ankommen.<br />
Vor Durchführung der PD muss mit den werdenden<br />
Eltern abgeklärt werden, welche Konsequenzen<br />
sie aus einer vorgeburtlich diagnostizierten<br />
Behinderung des Ungeborenen ziehen würden.<br />
Der Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch<br />
der Schwangerschaft sollte generell eine intensive<br />
Beratung vorausgehen. Zwischen Beratung<br />
und Entscheidung der Eltern muss eine mehrtägige<br />
Frist eingeräumt werden. Die werdenden<br />
Eltern müssen die Möglichkeit haben, sich mit der<br />
zu erwartenden Behinderung ihres ungeborenen<br />
Kindes auseinanderzusetzen. Die Beratung durch<br />
Gynäkologen bzw. Genetiker muss ergebnisoffen<br />
und nicht direktiv sein.<br />
Ansätze, wie die Situation langfristig verbessert<br />
werden kann:<br />
– ergebnisoffene und einfühlsame Beratung mit<br />
Hinweis auf weitere Anlaufstellen (z.B.<br />
Selbsthilfegruppen)<br />
– erfahrene Ultraschaller<br />
– interdisziplinäre PD unter Einbezug von Gynäkologen,<br />
Kinderkardiologen usw.<br />
– psychologische Betreuung der betroffenen<br />
Eltern während und nach der Diagnostik<br />
Erschienen in: Bundesverband Herzkranke Kinder<br />
e.V. (BVHK), Pränatale Diagnostik angeborener<br />
Herzfehler<br />
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