Die Briefe des Horaz an Augustus und Julius Florus [microform]

An Augustus. 27
195 Sei's dass ein Panther, gepaart dem Kamel, ein verschiedenes
Wesen,
Oder die Weisse des Elephants auf sich zöge die Blicke;
Aufmerksamer betrachtete er das Volk als die Spiele,
Da es zum Schauen ihm übergenug darböte des Stoffes,
Hielte jedoch dafür, dass dem tauben Esel die Dichter
200 Märchen erzählten. Denn was für Stimmen vermöchten den
Lärmen
Je zu bewältigen, der aus unsern Theatern herausschallt?
Wie der garganische Forst, wie das tuscische Meer bei dem
Sturm braust:
Unter Getöse der Art schaut Rom Kunstwerke und Spiele
Nebst ausländischem Prunk ; und erscheint auf der Bühne der
Spieler,
205 Beichbeladen damit, so klascht in die Linke die Rechte.
Sagte er schon etwas?. „Kein Wort noch!" Nun was gefallt
denn?
„Nichts als ein veilchenblaues Gewand tarentinischen Pur-
purs."
Und dass nicht etwa du glaubst, mein Lob sei Bosheit, wenn
andre
Das mit Geschick handhaben, wogegen ich selber mich sträube,
210 Wisse, mir scheint ein Poet Seiltänzerkünste zu treiben,
Welcher mein Herz grundlos in Angst bringt oder zum Zorn
reizt,
Bald mir schmeichelt und bald mir mit Truggebilden den
Kopf füllt,
Aehnlich dem Gaukler, und bald mich nach Theben und bald
nach Athen führt.
Doch auch jenem Talent , das lieber an Leser sich wendet,
215 Als es den ekligen Stolz des Theaterpublikums aushält,
Spende ein wenig Huld, wenn das stattliche Stift des Apollo
Soll als Bibliothek aufblühen und spornen die Dichter,
Dass sie mit noch mehr Lust aufklimmen zu Helikons Triften,
Oftmals schaden wir zwar uns selbst am meisten, wir Dichter,
V. 216 : Augustus stiftete 28 v. Chr. in dem Tempel des pa-
latinischen Apollo eine öffentliche Bibliothek.