03/2013 "Älter werden mit Humor" - Bagso
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sodass aus einem „blutigen Ernst“<br />
ein lockerer Scherz wird. Gerade<br />
dieser scheinbar widersinnige<br />
Gedankensprung, der alles zu relativieren<br />
vermag, ist das Markenzeichen<br />
des Humors.<br />
Verstand und Genie rufen<br />
Achtung und Hochschätzung<br />
hervor, Witz und Humor erwecken<br />
Liebe und Zuneigung.<br />
David Hume<br />
(1711 – 1776)<br />
Der berühmte Psychiater Viktor<br />
Frankl bezeichnete einen solchen<br />
Humor als eine Waffe der Seele im<br />
Kampf um Selbsterhaltung. Diese<br />
wirkt wie ein scharfes Messer,<br />
das das „lebendige Leben“ (Dostojewski)<br />
von den Fesseln der Zeit<br />
und dem Absolutheitsanspruch<br />
rationalen Denkens befreit. Dies<br />
gelingt aber nur, wenn wir uns<br />
entscheiden, gerade in Krisensituationen<br />
wieder so zu denken und<br />
zu handeln, wie wir das als Kinder<br />
taten. Dieses – gerade in zeitlicher<br />
Hinsicht – „verkürzte Denken“<br />
macht es nämlich möglich, sich<br />
selbst von einer ausweglosen Situation<br />
dadurch zu distanzieren,<br />
dass deren langfristige Folgen bewusst<br />
nicht zur Kenntnis genommen<br />
<strong>werden</strong>. So entfaltet sich der<br />
Humor in der gedanklichen Konzentration<br />
auf die affektive Un<strong>mit</strong>telbarkeit<br />
des lebendigen Lebens,<br />
das „bedenkenlos“ gutgeheißen<br />
wird. In diesem in jeder Hinsicht<br />
verkürzten Denken offenbart sich<br />
eine scheinbar irrationale Trotzmacht,<br />
die gerade im Angesicht<br />
des Todes zu ihrer besonderen<br />
Wirkung kommen kann. Unter<br />
dieser Voraussetzung vermag der<br />
betreffende Mensch, buchstäblich<br />
bis zum letzten Atemzug „frei für<br />
das Leben zu sein“.<br />
Frankl selbst ist wie kein anderer<br />
berufen, in diesem Zusammenhang<br />
zu Wort zu kommen, war er<br />
doch Häftling in verschiedenen<br />
Konzentrationslagern und einer<br />
der wenigen, die die Hölle von<br />
Auschwitz überlebten. In seinem<br />
weltberühmten Buch „ ...trotzdem<br />
ja zum Leben sagen“ beschreibt<br />
er unter anderem, wie es ihm in<br />
dieser existenziellen Ausnahmesituation<br />
gelang, sich <strong>mit</strong> Hilfe des<br />
Humors von den Schrecknissen<br />
des Lagerlebens zu distanzieren<br />
und zu jener Heiterkeit zu finden,<br />
die das affektive Leben von naiven<br />
Kindern auszeichnet.<br />
Frankl berichtet, wie ihm und seinen<br />
Kameraden nach der Ankunft<br />
in Auschwitz das Haar abrasiert<br />
wurde. Danach mussten die Häftlinge<br />
einen Duschraum betreten.<br />
Frankl schreibt: „Die Illusion, dass<br />
wir überleben sollten, wurde zerstört,<br />
und dann, ganz unerwartet,<br />
überkam uns so etwas wie ein<br />
grimmiger Humor. Wir wussten,<br />
dass wir nichts zu verlieren hatten,<br />
außer unserem lächerlichen<br />
nackten Leben. Als die Duschen<br />
angeschaltet wurden, bemühten<br />
wir uns, Witze zu reißen, und begannen,<br />
über uns selbst und über<br />
die anderen zu lachen. Und dann<br />
Titel – <strong>Älter</strong> <strong>werden</strong> <strong>mit</strong> Humor<br />
erkannten wir, dass aus den Düsen<br />
nur richtiges Wasser spritzte.“<br />
Verloren ist,<br />
wer den Humor verlor.<br />
Otto Julius Bierbaum<br />
(1865 – 1910)<br />
Ein weiteres Beispiel für die Wirkkraft<br />
relativierenden Humors gibt<br />
uns Edith Eger, eine Schülerin<br />
Frankls, die im Alter von sechzehn<br />
Jahren nach Auschwitz deportiert<br />
wurde. Un<strong>mit</strong>telbar nach ihrer<br />
Ankunft wurde sie von dem berüchtigten<br />
SS-Arzt Mengele selektiert.<br />
Zusammen <strong>mit</strong> den meisten<br />
ihrer Familienangehörigen wurde<br />
sie „nach links“, also in Richtung<br />
der Gaskammer, geschickt.<br />
Im letzten Augenblick entschied<br />
der „Todesengel“ aber anders: Er<br />
rief die spätere Psychotherapeutin<br />
wieder zurück und schickte<br />
sie in die „andere Richtung“, also<br />
ins Leben zurück. Doch in was für<br />
ein Leben! Es war dies gleichsam<br />
der Alltag von Dantes Inferno, in<br />
dem Menschen wahnsinnig wurden<br />
und sich zuweilen dem Kannibalismus<br />
hingaben. Aber selbst in<br />
dieser Hölle auf Erden vermochte<br />
sich die relativierende Kraft des<br />
Humors noch zu entfalten. Sie erwies<br />
sich, wie Edith Eger schreibt,<br />
als der „Rettungsanker persönlichen<br />
Überlebens“. Dadurch, dass<br />
die Häftlinge über ihre Machtlosigkeit<br />
und vollkommene Unfähigkeit,<br />
etwas zu ändern, gescherzt<br />
hätten, sei ihnen die Distanzie-<br />
BAGSO-Nachrichten n <strong>03</strong>/<strong>2013</strong> 23