KVV WS 2012/13 (pdf) - Philosophisches Seminar
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PW2,3<br />
MSP-PP<br />
MS<br />
MW<br />
MB<br />
PP PP/FW2 Dr. Simon Dierig<br />
Zu einem handlungstheoretischen<br />
Paradox<br />
2 Do 14-16 Hegelsaal<br />
Stellen wir uns vor, John drücke um 12 Uhr nachmittags den Abzug seines Gewehres, schieße auf Smith und füge ihm schwere Verletzungen<br />
zu, denen dieser 12 Stunden später um Mitternacht erliege. John hat also Smith getötet, indem er auf ihn schoss; und er schoss<br />
auf ihn, indem er den Abzug seines Gewehres drückte. Aber wie viele Handlungen führte John aus? Entspricht jeder der drei Handlungsbeschreibungen<br />
--- „Johns Drücken des Abzugs“, „Johns Schießen auf Smith“ und „Johns Töten von Smith“ --- eine eigene Handlung, hat<br />
John also drei verschiedene Handlungen ausgeführt? Oder beziehen sich alle drei angeführten Handlungsbeschreibungen auf ein und dieselbe<br />
Handlung, was bedeuten würde, dass Johns Töten von Smith mit seinen Schießen auf Smith und seinem Drücken des Abzugs identisch<br />
ist?<br />
Für beide Positionen wurden in der handlungstheoretischen Debatte der letzten 50 Jahre gute Gründe vorgebracht. So spricht etwa für die<br />
These, Johns Töten von Smith sei mit Johns Schießen auf Smith identisch, dass John, nachdem er auf Smith schoss, nichts mehr anderes<br />
tun musste, um Smith zu töten. Für die These, Johns Töten von Smith sei eine andere Handlung als Johns Schießen auf Smith, spricht<br />
dagegen die folgende Überlegung: Wenn Johns Töten von Smith mit Johns Schießen auf Smith identisch wäre, müsste nicht nur Johns<br />
Schießen auf Smith, sondern auch Johns Töten von Smith um 12 Uhr nachmittags stattfinden. Das aber hieße, dass John Smith 12 Stunden<br />
vor dessen Tod getötet hat. Dies aber ist absurd. Folglich lässt sich Johns Töten von Smith nicht mit Johns Schießen auf Smith identifizieren.<br />
Sowohl für als auch gegen die Identitätsthese lassen sich, wie gezeigt, gute Gründe vorbringen. Allem Anschein nach haben wir es also<br />
mit einem handlungstheoretischen Paradox zu tun. Im <strong>Seminar</strong> werden wir der Frage nachgehen, ob und, wenn ja, wie dieses Paradox<br />
aufgelöst werden kann. Gelesen werden zumeist englischsprachige Beiträge zur neueren handlungstheoretischen Debatte.<br />
Literatur: ergänzte Literaturliste<br />
G.E.M. Anscombe: Intention. Oxford: Basil Blackwell 1957.<br />
Donald Davidson: “Agency”, in: Ders.: Essays on Actions and Events. Oxford und New York: Oxford University Press 1980, S. 43—61.<br />
Alvin Goldman: “The Individuation of Action”, in: The Journal of Philosophy 68 (1971), S. 761—774.<br />
David Mackie: “The Individuation of Actions”, in: The Philosophical Quarterly 47 (1997), S. 38—54.<br />
Benjamin Mossel: “The Individuation of Actions”, in: Australasian Journal of Philosophy 79 (2001), S. 258—278.<br />
Judith Jarvis Thomson: “The Time of a Killing”, in: The Journal of Philosophy 68 (1971), S. 115–<strong>13</strong>2.<br />
Ruth Weintraub: “The Time of a Killing”, in: Analysis 63 (2003), S. 178—182.<br />
David Widerker: “In Defense of Davidson’s Identity Thesis Regarding Action Individuation”, in: Dialectica 43 (1989), S. 281–288.<br />
<strong>Philosophisches</strong> <strong>Seminar</strong> der Universität Heidelberg – Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis - Hauptseminare Seite 19 von 64