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Identität und Selbst<br />

Der Begriff „Identität“ eröffnet ein so komplexes und breites Themenfeld, dass seine<br />

Definition und Bedeutung für den hier vorliegenden Themenbereich des Interaktionsdesigns<br />

definiert und zugeschnitten werden muss.<br />

Grundlegend ermöglicht Identität in unserem heutigen Verständnis „soziales Handeln<br />

und interpersonale Interaktion“ (Misoch 2004, 18). Identität (vom lat. idem = das-, derselbe)<br />

beschreibt die Übereinstimmung von Eigenschaften zu dem Objekt oder Subjekt, das eben diese<br />

Eigenschaften verkörpert. In der Sozialwissenschaft setzt sich die allgemeine<br />

Identitätsvorstellung aus folgenden Bestandteilen zusammen: Einzigartigkeit, Kohärenz,<br />

Konstanz und Kontinuität (vgl. ebd., 20). All diese Bestandteile, insbesondere aber Letzterer,<br />

beziehen sich auf ein über einen andauernden Zeitraum hinweg konstant bleibendes Selbstbild<br />

als Grundvoraussetzung zu einer Identität. Die Frage »Wer bin ich?« kann nur durch ein Sich-<br />

Treubleiben beantwortet werden, da sonst keine eindeutigen Parameter zum eigenen<br />

Selbstbildnis festgelegt sind und die Identität stets undeutlich bleibt.<br />

In der analogen Realität kommt zum Begriff der Identität der Begriff des Selbst hinzu.<br />

Dieses Selbst ermöglicht diverse konzeptionelle Auslegungen der eigenen Identität: „Ein<br />

Mensch stellt verschiedene soziale und situative Identitäten dar, und er ist doch stets mit sich<br />

identisch. Er präsentiert verschiedene Arten des Selbst und verfügt zugleich über ein relativ<br />

stabiles Selbstkonzept“ (Mummenday 1995, 57). Diese Präsentation verdeutlicht den<br />

wichtigsten Entstehungsprozess eines Identitätsbilds: Selbstdarstellung ist eine<br />

Grundvoraussetzung zur Identitätsbildung – die Präsentation des Ichs ist die Bedingung des<br />

eigentlichen Ichs.<br />

Während wir in der analogen Realität also den Rahmen der Identität mit diversen<br />

Selbstbildern im Inneren zeichnen, verhält sich unser Bezug auf Identität und Selbst im<br />

digitalen Raum anders. Hinzu kommt die gesellschaftliche Transformation von Moderne zu<br />

Postmoderne, welche den Identitätsbegriff und die erforderliche Selbstpräsentation zusätzlich<br />

beeinträchtigt.<br />

Während der Begriff der Postmoderne erstmals im Jahre 1917 4 auftauchte (vgl. Misoch<br />

2004, 68), spielt er auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine tragende Rolle in Philosophie,<br />

Sozialwissenschaft, Architektur und Kunst. Er vereint „gesamtgesellschaftliche Erscheinungen<br />

der Heterogenisierung, der Pluralisierung, der Werteverschiebung sowie der Flexibilisierung<br />

und Individualisierung der modernen Kultur“ (vgl. ebd., 68). Das Internet, besonders in seiner<br />

heutigen sozialen Form, ist hierbei von großer Bedeutung – Selbstbilder, Selbstdarstellung und<br />

Selbstreflexion werden im Hinblick der stärkeren Individualisierung zunehmend relevant. Die<br />

Verschmelzung des analogen und des digitalen Raums erschafft eine neue Perspektive, um sich<br />

mit der postmodernen Identität im Kontext dieser neuen Räume zu befassen.<br />

Durch die gesellschaftlichen Umstrukturierungen der Postmoderne entwickelten sich<br />

Theorien, die dem Subjekt einen neuen Rahmen verleihen wollten. Einige Philosophen und<br />

Theoretiker gaben den Denkanstoß, sich aufgrund der enormen Disparität der Alltagswelt<br />

komplett von einem festgelegten Subjekt zu verabschieden. Während es sich vorher um eine<br />

einzige Identität mit diversen Selbstbildern handelte, wurde nun versucht, die Verbindung<br />

zwischen Subjekt und Identität aufzulösen. Es entstand die Idee eines „fragmentierten<br />

4 Rudolf Pannwitz erwähnt in seinem Buch Die Krise der europäischen Kultur erstmals den „postmodernen Menschen“.<br />

Der Begriff Postmoderne bezog sich anfänglich auf offensivere Kunstformen im zweiten Teil des 20. Jahrhunderts.<br />

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