Nebular 10 – Der Agitator
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<strong>Der</strong> <strong>Agitator</strong><br />
NEBULAR<br />
Handelsvertreter anderer Völker behaupten manchmal voller Spott, wir männlichen Schwacken würden<br />
nur ins All hinaus ziehen, um vor unseren Weibchen zu fliehen, doch das ist natürlich blanker<br />
Unsinn. Wie es unter Handelspartnern üblich ist, habe ich auch den Menschen einige Einblicke in<br />
unsere Kultur gewährt und erstaunt festgestellt, dass es eine gewisse Hemmschwelle für diese Wesen<br />
gibt, wenn sie über ihre grundsätzlichen Gewohnheiten befragt werden.<br />
So konnte ich beispielsweise niemals schlüssig herausfinden, warum die Menschen in ihren Raumschiffen<br />
Weibchen dulden. Wir Schwacken sind Einzelgänger und verbringen die meiste Zeit unseres<br />
langen Lebens allein. Würde ich einem Weibchen erlauben auch nur einen Tentakel an Bord meines<br />
Schiffes zu setzen, ich müsste mich ständig vor ihren Paarungsattacken schützen und könnte wahrscheinlich<br />
kaum Zeit für die Schiffsführung aufwenden. Um dennoch erfolgreich im kosmischen Handel<br />
zu bestehen, bündeln wir Schwacken unsere Triebe auf einen einzigen Tag. Dieses besondere Ereignis,<br />
von allen nur Tag der Schwacken genannt, ist eine Tortur, der ich jederzeit den Ritt auf einem<br />
sechsköpfigen Nestschlürfer vorziehen würde. Doch im Grunde unserer vier Herzen, können wir uns<br />
gegen diesen Drang nicht wehren. Wie alle männlichen Schwacken, bin auch ich in den Tagen vor der<br />
Paarungsprozession in schlechter Stimmung. Meine Gemütsverfassung wird zusehends schlechter,<br />
besonders wenn die neuesten Zählungen der Weibchen bekannt gegeben werden. Üblicherweise kann<br />
jeder männlicher Schwacke aufgrund dieser Erhebung an seinen vierzig Tentakeln ausrechnen, wie oft<br />
er beim bevorstehenden Ereignis seinen Mann stehen muss. Auch diesmal wird es einige Anstrengung<br />
und Kraft kosten, es allen recht zu machen. Wahrscheinlich können unsere Weibchen die bevorstehende<br />
Massenlandung der Pyramidenraumer kaum noch erwarten. Ich befürchte, sie werden sich auf<br />
uns stürzen, kaum das wir die Ausstiegsluken verlassen haben.<br />
Trox, so hatte mich eine meiner zahlreichen Partnerinnen beim letzten Zyklus einmal genannt, als ich<br />
mich im Paarungsrausch verlor und meinen Trieben hingab. Die Trox, das waren unsere wilden Vorfahren,<br />
die vor rund einer Million Jahren als plündernde Nomaden die Milchstraße durchstreiften.<br />
Wilde, ruppige, unbeherrschte und gefährliche Gesellen, die oft ganze Planeten verwüstet hinter sich<br />
ließen. Doch diese barbarischen Zeiten sind längst im Dunkel der Vergangenheit versunken. Heutzutage<br />
schützt sich der männliche Schwacke vor den Nachstellungen seiner Partnerinnen nicht durch<br />
Körperkraft, was sowieso eine vergebliche Mühe ist, sondern durch List.<br />
Die maritime Biomasse, genannt Plankton, die ich von den Menschen im Handel gegen veraltete<br />
Technik erstanden habe, wird mir bei der bevorstehenden Prozedur sehr nützlich sein und die entfesselten<br />
Weibchen, wenigstens kurzzeitig, von mir ablenken. Ich spekuliere darauf, dass zumindest ein<br />
Teil der Verfolgerinnen während der Nahrungsaufnahme vom Paarungsritual abgelenkt wird. Auf<br />
diese Weise verschaffe ich mir eine kurze Verschnaufpause und wenn ich Glück habe, einen Vorsprung.<br />
Es ist mir noch immer ein Rätsel wie sich auf Hexaquotl’ der Begriff Paarungsprozession einbürgern<br />
konnte. <strong>Der</strong> Start zur Massenpaarung hat wenig mit einer Prozession zu tun und entspricht in keiner<br />
Weise diesem Begriff. Er wurde vielmehr durch eine Instinktreaktion der Weibchen geprägt, ausgelöst<br />
durch fliehenden Männchen, welche verzweifelt vor der Übermacht der paarungswilligen Bewerberinnen<br />
zu entkommen versuchten. Das Problem ist leider nur, dass die Weibchen nicht nur wesentlich<br />
größer sind als wir Männchen, sie können auch viel schneller kriechen.<br />
Menschen hingegen sind wirklich seltsame Wesen. Offenbar unterscheiden sich die weiblichen Vertreter<br />
dieser Gattung sehr stark von den Nesthüterinnen meines Volkes. Merkwürdig erscheint mir auch,<br />
dass die Menschen eine feste Zweierverbindung eingehen um ihre Art zu erhalten, für uns Schwacken<br />
ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst wenn es wesentlich weniger weibliche Vertreter meines Volkes<br />
gäbe, dann hätte solch eine Verbindung keinen Bestand. Außerdem bin ich überzeugt, dass eine derartige<br />
Selektion von der Natur niemals vorgesehen war. Wie die erfahrenen Schwacken stets betonen,<br />
muss man seine Erbinformation möglichst weit streuen und an viele Weibchen weitergeben. Ich bin da<br />
absolut ihrer Meinung und glaube an die Weisheit der Alten!<br />
Die Menschen hingegen erzählten mir von einer unglaublich zeitintensiven Werbungszeit. Bis es<br />
schließlich zum ersten körperlichen Kontakt zwischen den Geschlechtern kommt, vergehen unter umständen<br />
Tage oder Wochen. Zuerst wollte ich das gar nicht glauben, doch da dieses Volk den ersten<br />
Körperkontakt so sehr hinauszögert, muss es sich wirklich um eine unglaubliche Tortur handeln, wenn<br />
sich Menschen näher kommen. Wahrscheinlich ist die Vereinigung dieser Humanoiden mit starken<br />
körperlichen Schmerzen verbunden, wie sonst könnte man dieses Verhalten erklären?<br />
Ich muss nur daran denken was geschehen würde, wenn ich einer unserer Nesthüterinnen begegne und<br />
sie zunächst frage, ob sie Lust hätte sich mit mir zu verabreden. Ich würde sie dann einladen ein paar<br />
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