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Postmodernism. Style and Subversion 1970–1990» (4.9MB)

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Science-Fiction, aus Filmen und Fernsehserien, aus Mythen, Folk und Western, aus Pornografie,<br />

Sentimentalität und Leidenschaft. Ab jetzt dringt die populäre Kunst in die „Zitadellen der<br />

Hohen Kunst“ ein, und die „Vorstellung von einer Kunst für die ‚Gebildeten’ und einer Subkunst<br />

für die ‚Ungebildeten’ bezeugt den letzten Überrest einer ärgerlichen Unterscheidung.“ 11<br />

Künstler wie Publikum werden zu Doppelagenten beider Kulturen und sind heimisch in High <strong>and</strong><br />

Low-Welten. Der neue Zeitgeist ist „apokalyptisch, antirational, offen romantisch und<br />

sentimental“, und die Literatur soll, prophetisch und universell, als fortdauernde Offenbarung<br />

„die weltliche Masse in eine heilige Gemeinde verw<strong>and</strong>eln, mit sich selbst eins und<br />

gleichermassen zu Hause in der Welt der Technologie und im Reich des Wunders.“ 12<br />

Camp: Sontag<br />

Die legendären „Anmerkungen zu ‚Camp’“ der amerikanischen Intellektuellen, Schriftstellerin<br />

und Filmemacherin Susan Sontag wurden auf Deutsch 1968 unter dem Titel „Kunst und<br />

Antikunst“ veröffentlicht. Es h<strong>and</strong>elt sich um einen Essay, der in 58 Punkten das Phänomen<br />

‚camp’ zu fassen versucht, durchsetzt mit zahllosen Beispielen aus allen Kunstbereichen. Camp<br />

ist eine Art des Ästhetizismus und die Camp-Sensibilität kann alles Mögliche – Dinge, Kleider,<br />

Möbel, Kunstwerke – in camp transformieren, denn der Camp-Blick „sieht alles in<br />

Anführungsstrichen“; 13 Susan Sontag zählt u.a. dazu: King Kong, französischen yé-yé-Rock,<br />

Filme für Herren, ohne Wollust betrachtet, Flash Gordon-Comics, billige und schlechte B-Filme,<br />

Kriminal-Serien, die Leere hinter dem vollkommenen Gesicht der Garbo, das Androgyne oder die<br />

gr<strong>and</strong>iosen Musical-Choreografien eines Busby Berkely. Und sie definiert: „38. Camp ist die<br />

konsequent ästhetische Erfahrung der Welt. Es stellt den Sieg des ‚Stils’ über den ‚Inhalt’ dar,<br />

des ‚Ästhetischen’ über das ‚Moralische’, der Ironie über die Tragödie.“ 14<br />

Wie fast alles Heldenhafte, Tiefernste und Hochseriöse balanciert Camp am R<strong>and</strong>e des<br />

Umkippens, dort, wo die Übergänge zwischen Kunst und Kitsch sich verflüssigen. Camp ist<br />

D<strong>and</strong>yismus im Zeitalter der Massenkultur und liebt das Dekorative und das Überbordende, die<br />

Stilisierung und den Trick, das Theatralische, die Übertreibung sowie die Ernsthaftigkeit, die<br />

ihren Zweck verfehlt. „Camp erklärt (...), dass es einen guten Geschmack des schlechten<br />

Geschmacks gibt“, „als waghalsigen und geistreichen Hedonismus“, und „dass die<br />

Erlebnisweise der hohen Kultur keinen Alleinanspruch auf Kultur hat“. 15 Als Tätigkeit ist ‚to<br />

camp’ eine Verführungsmethode mittels Manierismen, mit doppeldeutigen Gesten und<br />

anspielungsreichen Botschaften für Eingeweihte und Feinschmecker – kurz: der Camp-<br />

Geschmack riecht sophisticated.<br />

Vieldeutigkeit und Doppelcodierung: Venturi und Jencks<br />

Das dritte, bahnbrechende Dokument gegen den Purismus und Absolutismus der klassischen<br />

Moderne erscheint 1966 in den USA. Es ist gleichsam das Gründungsmanifest der<br />

postmodernen Architektur. Verfasser ist der Architekt Robert Venturi. Er hatte zwei Jahre in<br />

Rom studiert und gelangte dort zu den fundamentalen Einsichten, welche sein Buch<br />

„Komplexität und Widerspruch in der Architektur“ durchziehen. Es hebt an mit einem<br />

11 Leslie A. Fiedler, Überquert die Grenze, schliesst den Graben!, in: Wolfgang Welsch (Hrsg.), Wege aus<br />

der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion, Weinheim 1988, S. 68.<br />

12 Ebenda S. 58. resp. S. 73.<br />

13 Notes on „Camp“. Erstveröffentlichung in der Partisan Review 1964. Deutsch: Anmerkungen zu ‚Camp’,<br />

in: Susan Sontag, Kunst und Antikunst, Frankfurt/M., 2009, S. 327.<br />

14 Ebenda S. 335.<br />

15 Ebenda S. 340.<br />

Schweizerisches Nationalmuseum. | L<strong>and</strong>esmuseum Zürich. | Bildung & Vermittlung 39

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