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Aus der Region<br />
Donnerstag, 17. Januar 2013<br />
Unterwegs mit Falknern<br />
Lautlose Jäger:<br />
Mit Greifvögeln<br />
auf Kaninchenjagd<br />
. . . Jörg Pieconkowski, Leiter des<br />
Grünflächenamtes der Stadt Ahlen<br />
und zuständig unter anderem<br />
<strong>für</strong> die Pflege der Friedhöfe und<br />
städtischen Grünanlagen.<br />
Die Glocke: Herr Pieconkowski,<br />
immer wieder sieht man<br />
Falkner mit ihren Greifvögeln<br />
über Friedhöfe und Wiesen in Ahlen<br />
gehen, auf der Jagd nach Wildtieren<br />
wie Hasen und Kaninchen.<br />
Hat die Wersestadt ein Problem<br />
mit diesen Tieren?<br />
Jörg Pieconkowski: Die Wildkaninchen<br />
auf den Friedhöfen bereiten<br />
uns am meisten Probleme.<br />
Vor allem in den freien Bereichen<br />
des West- und Südfriedhofs gibt<br />
es viele Kaninchen. Dabei sind<br />
die städtischen Grünanlagen eher<br />
weniger in Mitleidenschaft gezogen.<br />
Die Tiere haben es hauptsächlich<br />
auf Blumen und Sträucher<br />
an den Gräbern abgesehen.<br />
Das passiert besonders im Frühjahr<br />
und im Herbst, wenn die<br />
Gräber frisch bepflanzt werden.<br />
Die Blumen und Sträuße werden<br />
von den Kaninchen schnell wieder<br />
vertilgt. Das sorgt dann <strong>für</strong><br />
viel Ärger.<br />
Die Glocke: Wie können Falkner<br />
in dieser Situation der Stadt<br />
Ahlen helfen?<br />
Pieconkowski: Wir haben häufig<br />
Falkner auf den Friedhöfen in<br />
Ahlen beschäftigt. Michael Denno<br />
wird im kommenden Jahr<br />
hauptsächlich auf dem Friedhof<br />
in Dolberg unterwegs sein, um<br />
dort die Probleme zu beheben.<br />
Auch auf den anderen Friedhöfen<br />
im Stadtgebiet sind wir immer<br />
wieder im Einsatz oder lassen gemäß<br />
der Schutzzeiten Jäger aktiv<br />
werden. Das hat in der Vergangenheit<br />
auch gute Erfolge gebracht.<br />
Ich erinnere mich an ein<br />
Jahr, in dem am Südfriedhof<br />
mehr als 100 Kaninchen geschossen<br />
wurden. Dort kommt es also<br />
durchaus zu <strong>eine</strong>r Reduktion des<br />
Bestandes.<br />
Die Glocke: Jäger dürfen in öffentlichen<br />
Grünanlagen und auf<br />
Friedhöfen nicht mit dem Gewehr<br />
schießen. Worauf müssen Falkner<br />
während ihrer Jagd außerdem<br />
achten?<br />
Pieconkowski: Die Einsätze<br />
sind mit der Unteren Jagdbehörde<br />
abgesprochen, es gibt Genehmigungen<br />
da<strong>für</strong> vom Kreis. Außerdem<br />
gelten natürlich bestimmte<br />
Schutzzeiten, die beachtet<br />
werden müssen. Das ist meist<br />
im Frühjahr der Fall, wenn die<br />
Kaninchen Junge bekommen. In<br />
der Zeit dürfen die Kaninchen<br />
oder bestimmte Teil der Population<br />
nicht bejagt werden. (dali)<br />
Von unserem Redaktionsmitglied<br />
DAVID INDERLIED<br />
Dolberg/Telgte (at). Mit <strong>eine</strong>m<br />
Gewehr jagen sei nicht immer<br />
möglich, sagt Michael Denno.<br />
Deshalb hat sich der passionierte<br />
Jäger aus Dolberg <strong>eine</strong>n Wunsch<br />
erfüllt: Er hat sich zum Falkner<br />
ausbilden lassen. Einen eigenen<br />
Greifvogel besitzt er noch nicht.<br />
Erst im kommenden Herbst zur<br />
neuen Jagdsaison soll er ein Tier<br />
bekommen. Bis er mit <strong>eine</strong>m eigenen<br />
Vogel in Dolberg auf die Jagd<br />
gehen kann, lernt er weiter bei<br />
s<strong>eine</strong>m Mentor in Münster die<br />
hohe Kunst der Beizjagd. „Die<br />
Glocke“ hat ihn bei <strong>eine</strong>m Jagdausflug<br />
begleitet.<br />
Noch ein wenig verschlafen<br />
liegt das Feld in Telgte vor den<br />
drei Männern. Leise knacken die<br />
abgeschnitten Maishalme unter<br />
den Stiefeln. Der Tag erwacht nur<br />
langsam, die kl<strong>eine</strong> Waldlichtung<br />
am Horizont ist noch in Nebel gehüllt.<br />
„Es riecht nach Schnee“,<br />
sagt Michael Denno und schaut in<br />
den wolkenverhangenen Himmel.<br />
Links und rechts von ihm, im<br />
Abstand von jeweils fünf Metern,<br />
bahnen sich sein Mentor Ralf<br />
Karthäuser aus Münster und Michael<br />
Lömke aus Albersloh ihren<br />
Weg durch das Gestrüpp. Auf der<br />
Faust haben beide Falkner ihre<br />
Der Greifvogel wird mit <strong>eine</strong>r<br />
Fessel festgehalten.<br />
Bereits seit vermutlich mehr als<br />
4000 Jahren gehen Menschen mit<br />
Greifvögeln auf die Jagd. Nomadenvölker<br />
in der Steppe Asiens<br />
sollen die ersten gewesen sein, die<br />
die Fähigkeiten von Falken, Habichten<br />
und Adlern nutzten.<br />
Wahrscheinlich die Hunnen<br />
brachten diese Form der Jagd<br />
nach Europa, wo sie schnell Fuß<br />
fasste und im fünften Jahrhundert<br />
weit verbreitet war.<br />
Hintergrund<br />
Greifvögel. Ein dicker schwarzer<br />
Handschuhe schützt vor den spitzen<br />
Krallen der Tiere. Die Männer<br />
gehen mit ausgestrecktem Arm<br />
vorwärts. Damit die Vögel die<br />
Beute besser erspähen können,<br />
sagt Denno. Im Flüsterton, denn<br />
Mentor Ralf Karthäuser hat absolute<br />
Stille verordnet. Die Männer<br />
versuchen die Königsdisziplin:<br />
die Hasenjagd. Und dabei sollen<br />
die scheuen Wildtiere nicht zu<br />
früh aufgescheucht werden.<br />
Plötzlich geht es ganz schnell.<br />
Der amerikanische Wüstenbussard<br />
Roxy von Michael Lömke hat<br />
<strong>eine</strong> Beute erspäht. „Man sieht,<br />
wenn der Vogel aufmerksam<br />
wird“, erklärt Ralf Karthäuser<br />
später. „Dann macht er <strong>eine</strong>n langen<br />
Hals.“ Der Vogel zieht, Lömke<br />
lässt die Fessel los und das Tier<br />
schießt wie <strong>eine</strong> Kanonenkugel<br />
nach vorne. Mit s<strong>eine</strong>n mächtigen<br />
Schwingen zieht Roxy lautlos davon,<br />
dem Hasen hinterher.<br />
Michael Denno sieht dem Tier<br />
nach. „Diese majestätische Art,<br />
mit der der Vogel durch die Luft<br />
fliegt, fasziniert mich“, sagt Denno.<br />
„Es geht auch darum, den<br />
Flug zu beobachten und sich daran<br />
zu erfreuen.“ Zeit zum<br />
Schwärmen bleibt nicht. Ralf<br />
Karthäuser treibt die Gefährten<br />
an. „Der Vogel fängt die Beute.<br />
Dann muss der Falkner schnell da<br />
sein und dem Vogel helfen.“<br />
Ein eingespieltes Team: Michael Lömke aus Albersloh lockt s<strong>eine</strong>n amerikanischen Wüstenbussard Roxy<br />
an, der sich nach getaner Arbeit auf dessen Hand niederlässt.<br />
Bilder: Inderlied<br />
Gewichtsproblem vereitelt den Beutezug<br />
Unter Kaiser Friedrich II. erlebte<br />
die Falknerei <strong>eine</strong> Blütezeit<br />
in der Mitte des 13. Jahrhundert.<br />
Nach der Erfindung der Schusswaffen<br />
ging die Beizjagd stark<br />
zurück. Heute leisten Falkner <strong>eine</strong>n<br />
wichtigen Beitrag zum Naturschutz,<br />
indem sie neben der<br />
Jagd kranke und verletzte Tiere<br />
aufnehmen und pflegen. In<br />
Deutschland gibt es knapp 2000<br />
aktive Falkner.<br />
(dali)<br />
Doch das Jagdglück ist den drei<br />
Männern an diesem Morgen nicht<br />
hold. Der Hase entkommt, flink<br />
Haken schlagend, in den kl<strong>eine</strong>n<br />
Wald. Nicht schlimm, meint Michael<br />
Denno. „Es geht nicht darum,<br />
unbedingt <strong>eine</strong>n Jagderfolg<br />
zu haben“, erklärt der 46-Jährige.<br />
„Entweder wir haben Glück oder<br />
k<strong>eine</strong>s. Wir erfreuen uns eher an<br />
den Tieren.“<br />
Es gehe darum, der Natur freien<br />
Lauf zu lassen, pflichtet ihm<br />
Karthäuser bei. „Eine Kreatur<br />
fängt die andere“, sagt der Bundesvorsitzende<br />
des Ordens Deutscher<br />
Falkoniere, <strong>eine</strong>r der drei<br />
Falkner-Verbände in Deutschland.<br />
„Das Wild hat bei dieser Art<br />
der Jagd die faire Chance zu entkommen.“<br />
Zudem werde ein Tier<br />
nur einmal bejagt. Wenn es entkommt,<br />
darf es weiterleben.<br />
Auf dem Acker in Telgte macht<br />
das Wild von dieser Möglichkeit<br />
Gebrauch. Denn der Blaubussard<br />
Askani von Ralf Karthäuser ist an<br />
diesem Morgen nicht in Stimmung.<br />
Auf halber Strecke springt<br />
erneut ein Hase um sein Leben.<br />
Kaum zwei Meter vor den drei<br />
Männern – doch Askani zuckt<br />
nicht mal mit dem braunen Federgewand.<br />
Askani habe bei dem<br />
kalten Wetter in den vergangenen<br />
Tagen zu viel zu fressen bekommen,<br />
erklärt Karthäuser.<br />
Jeder Greifvogel habe ein Jagdgewicht,<br />
dass es einzuhalten gilt.<br />
„Wenn der Vogel auch nur<br />
50 Gramm zu viel auf die Waage<br />
bringt, hat er einfach k<strong>eine</strong> Jagdlust.“<br />
Ein Greifvogel sei immer<br />
nur darauf bedacht, s<strong>eine</strong>n Energiebedarf<br />
zu decken, fügt der<br />
Münsteraner hinzu. Dann sei<br />
nichts zu machen und die Jagd<br />
praktisch beendet.<br />
Einsatz auf Dolberger Friedhof<br />
Für Michael Denno war die erste<br />
Begegnung mit <strong>eine</strong>m Greifvogel<br />
wie ein Weckruf. „Da kam<br />
diese Faszination hoch“, erinnert<br />
sich der 46-Jährige, der zuvor nur<br />
mit s<strong>eine</strong>m Jagdhund und Gewehr<br />
unterwegs war. „Ich habe<br />
mich dabei ertappt, den Vögeln<br />
beim Flug zuzusehen.“ Der leidenschaftliche<br />
Jäger aus Dolberg<br />
wollte nicht mehr nur mit <strong>eine</strong>m<br />
Gewehr auf die Jagd gehen.<br />
In Dolberg bildet der 46-Jährige<br />
Labradore zu Jagdhunden aus.<br />
Die normale Jagd sei sehr wichtig,<br />
um ein gesundes Maß bei der<br />
Wildpopulation zu halten, erläutert<br />
er. „Aber Falkner sehen die<br />
Natur mit ganz anderen Augen“,<br />
so Denno. „Uns ist die Lebensweise<br />
der wilden Tiere viel wichtiger.“<br />
In s<strong>eine</strong>m Heimdorf wird der<br />
Dolberger hauptsächlich auf dem<br />
Friedhof auf die Suche nach Kaninchen<br />
und Hasen gehen. Allerdings<br />
erst zur nächsten Jagdsaison<br />
im Oktober. Den <strong>für</strong> ihn reservierten<br />
Beizvogel aus der<br />
Zucht von Ralf Karthäuser kenne<br />
er zwar schon. Allerdings bekämen<br />
die Vögel im Frühjahr und<br />
Sommer <strong>eine</strong> Ruhepause. „Wenn<br />
man sie in Ruhe lässt und gut füttert,<br />
sind sie schnell wieder einsatzfähig“,<br />
erklärt Karthäuser.<br />
Michael Denno wird auf dem Friedhof in Dolberg<br />
jagen. Bis dahin hat er auch <strong>eine</strong>n eigenen Vogel.<br />
Beutezug: Greifvogel Askani hält<br />
das gefangene Kaninchen fest,<br />
Ralf Karthäuser tötet es schnell.<br />
Ein unsichtbares Band des Vertrauens<br />
Inzwischen sind die Falkner in<br />
ein anderes Revier aufgebrochen.<br />
Bürogebäude, ein See, hohes Gras<br />
und großflächige Wiesen mit zahlreichen<br />
Versteckmöglichkeiten:<br />
Das Industrieviertel in Münster<br />
ist ein ideales Gebiet <strong>für</strong> Kaninchen.<br />
„In den Städten liegen die<br />
Kaninchen fast übereinander“,<br />
sagt Ralf Karthäuser. Gepflegte<br />
Rasenflächen, frische Blumen und<br />
viel Ruhe – ein Paradies <strong>für</strong> die<br />
wilden Tiere.<br />
Die Kaninchen sollen bejagt<br />
werden. Als Verstärkung hat Ralf<br />
Karthäuser s<strong>eine</strong>n Jagdhund<br />
Auf der Jagd: (v. l.) Michael Denno, Ralf Karthäuser und Michael Lömke durchforsten gemeinsam<br />
die brachliegende Wiese in <strong>eine</strong>m Industriegebiet in Münster.<br />
Thaddäus geholt – und den Greifvogel<br />
gewechselt. Zusammen bilden<br />
die drei nun ein eingespieltes<br />
Team. Während Thaddäus versucht,<br />
im mannshohen Schilf am<br />
Ufer des Sees die wilden Kaninchen<br />
aufzuschrecken, wartet der<br />
amerikanische Wüstenbussard<br />
nur darauf, dass die Beute ihr<br />
Versteck verlässt.<br />
Und Karthäuser? Der spornt<br />
s<strong>eine</strong> Tiere an. „Thaddäus, such’<br />
in dem Gestrüpp“, animiert er<br />
s<strong>eine</strong>n Hund. Mit Erfolg: Vom<br />
Hund aufgeschreckt versucht ein<br />
Kaninchen zu entkommen. Aber<br />
Hund Thaddäus scheucht im Schilf am Seeufer im Industriegebiet Kaninchen<br />
auf, Greif Askani und Ralf Karthäuser halten sich parat.<br />
gegen den Greifvogel mit s<strong>eine</strong>n<br />
spitzen Krallen hat es k<strong>eine</strong><br />
Chance. Karthäuser beendet den<br />
ungleichen Kampf mit <strong>eine</strong>m<br />
Schlag in das Genick des Kaninchens.<br />
Es ist dieses unsichtbare Band<br />
gegenseitigen Vertrauens, das <strong>für</strong><br />
ihn die Falknerei ausmache, erklärt<br />
Karthäuser. „Es ist nicht so,<br />
dass ein Falkner sich <strong>eine</strong>n Greifvogel<br />
hält. Sondern der Vogel gibt<br />
dem Menschen die Ehre, mit ihm<br />
jagen zu dürfen“, drückt es der<br />
Münsteraner aus. Gemeinsame<br />
Jagderfolge stärkten den Zusammenhalt<br />
in dieser nicht einfachen<br />
Beziehung. „Der Vogel bekommt<br />
schnell mit, ob wir ihm helfen<br />
wollen, an die Beute zu kommen“,<br />
ergänzt Karthäuser. Erst danach<br />
akzeptiere er den Menschen als<br />
Jagdpartner.<br />
Doch wenn das Zusammenspiel<br />
zwischen Hund, Vogel und<br />
Mensch gelinge, entschädige das<br />
<strong>für</strong> die viele Arbeit während der<br />
Ausbildung. „Es gibt nichts Schöneres,<br />
als nach getaner Arbeit in<br />
die zufriedenen Augen der Tiere<br />
zu schauen“, legt sich Karthäuser<br />
fest.<br />
Stichwort<br />
Falkner-Ausbildung<br />
Wer mit <strong>eine</strong>m Greifvogel zur<br />
Jagd gehen möchte, muss zuvor<br />
zwei Prüfungen ablegen. Zunächst<br />
ist der Erwerb <strong>eine</strong>s Jagdscheins<br />
erforderlich. In dem meist<br />
sieben- bis zehnmonatigen Kursus<br />
werden Basiskenntnisse von<br />
Natur- und Wildtierkunde, Jagdrecht<br />
sowie der Umgang mit Waffen<br />
und Jagdhunden vermittelt.<br />
Erst nach bestandener Jagdprüfung<br />
können Interessierte <strong>eine</strong>n<br />
Falknerlehrgang bei <strong>eine</strong>m der<br />
drei Verbände besuchen. (dali)