Beschlussempfehlungen und Berichte - Landtag Baden Württemberg
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<strong>Landtag</strong> von <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> Drucksache 13 / 2485<br />
Wirtschaftsausschuss<br />
es einen dramatischen Rückgang der Zahl derjenigen, die überhaupt<br />
eine Meisterprüfung ablegen wollten. Diese Entwicklung<br />
müsse aufgehalten werden. Allerdings werde ein Geselle, der<br />
nach einer zehnjährigen Berufserfahrung im nächsten Jahr automatisch<br />
Meister werden könne, sicher nicht mehr die Mühen<br />
einer Meisterausbildung auf sich nehmen.<br />
Sicher müsse geprüft werden, welche Gewerbe von der Anlage A<br />
in die Anlage B der Handwerksordnung verlagert werden sollten.<br />
Er halte aber die Gefahrengeneigtheit der Gewerbe für ein wenig<br />
sachdienliches Kriterium, da sich diese Einstufung bei einzelnen<br />
Gewerben durchaus auch widerlegen lasse. Beispielsweise könnten<br />
Maler- <strong>und</strong> Lackierarbeiten durchaus gefahrengeneigt sein,<br />
was durch diverse Ges<strong>und</strong>heitsgefährdungen <strong>und</strong> Renovierungen<br />
von Schulgebäuden belegt werde. Allerdings räume er ein, dass<br />
auch ein Meisterbrief nicht davor schütze, dass Fehler gemacht<br />
werden könnten.<br />
Seiner Ansicht nach solle die Zuteilung der Gewerbe in die Anlage<br />
A oder B der Handwerksordnung über die Ausbildungskraft<br />
der jeweiligen Betriebe geregelt werden. Einerseits werde über<br />
eine Ausbildungsabgabe diskutiert, während andererseits die<br />
Ausbildungsfähigkeit von Handwerksbetrieben in den Hintergr<strong>und</strong><br />
trete. Dieser Aspekt sowie auch Aspekte des Verbraucherschutzes<br />
müssten neben der Gefahrengeneigtheit ebenfalls berücksichtigt<br />
werden.<br />
Das Qualitätsbewusstsein im Handwerk müsse unbedingt erhalten<br />
bleiben. Wenn die Betriebe nicht mehr die wirtschaftliche<br />
Kraft hätten, qualitativ hochwertige Arbeit abzuliefern, weil die<br />
einfachen Tätigkeiten herausgenommen worden seien, müsse ein<br />
anderer Handwerksbegriff definiert werden. Dies lehne die<br />
FDP/DVP ab. Auch der Verweis auf eine immer wieder angeführte<br />
Freiwilligkeit treffe nicht zu. Eine fortwährende Verschlechterung<br />
der Rahmenbedingungen stehe einem Erhalt des<br />
Handwerks entgegen.<br />
Eine SPD-Abgeordnete machte darauf aufmerksam, dass in einigen<br />
Bereichen wie dem Garten- <strong>und</strong> Landschaftsbau schon derzeit<br />
kein Meisterbrief mehr erforderlich sei. Dennoch gebe es<br />
dort sehr viele Meisterbetriebe, da der Meisterbrief als ein Qualitätsmerkmal<br />
angesehen werde. Ein Meisterbetrieb könne andere<br />
Leistungen anbieten als ein Handwerker ohne Meisterprüfung.<br />
Auch in Bezug auf die Ausbildung bestehe beim Garten- <strong>und</strong><br />
Landschaftsbau bereits seit langem ein Umlagesystem.<br />
Sie halte die Diskussion in weiten Teilen für nicht ehrlich, sondern<br />
von Abgrenzungs- <strong>und</strong> Schutzinteressen geprägt. Entsprechende<br />
Interessen könnten aber auch andere Gewerbe geltend<br />
machen. Bei allem, was der Wirtschaftskontrolldienst in Gaststätten<br />
entdecke, wäre es beispielsweise im Interesse des Verbraucherschutzes<br />
nahe liegend, auch für Gastwirte eine Meisterprüfung<br />
zu verlangen.<br />
Seit Jahrzehnten bilde das Frisörhandwerk über den Bedarf hinaus<br />
aus. Trotz der bisherigen Verpflichtung zu Meisterbetrieben<br />
setze die Frisörinnung zwischenzeitlich Detektive ein, um ausgebildete<br />
Kräfte aufzuspüren, die in der Familienphase oder nach<br />
Feierabend zu Hause Frisördienstleistungen anböten. Das<br />
Problem einer selbst ausgebildeten Konkurrenz, die sich nicht<br />
professionell selbstständig mache, bestehe in diesem <strong>und</strong> anderen<br />
Bereichen bereits. Auch beispielsweise beim Tapezieren<br />
müsse beachtet werden, wie viel Leistungen selbst Handwerksbetriebe<br />
offensichtlich ohne Rechnung erbrächten. Möglicherweise<br />
werde immer wieder eine Situation skizziert, die nicht der<br />
Realität entspreche.<br />
Der Erstunterzeichner des Antrags erklärte, das eigentliche Problem<br />
sei der hohe Anteil der Schwarzarbeit, der jedoch nicht<br />
über eine Novellierung der Handwerksordnung eingedämmt werden<br />
könne, sondern über andere Instrumente bekämpft werden<br />
müsse. Gerade einfache Tätigkeiten sollten nach den Plänen der<br />
B<strong>und</strong>esregierung zukünftig in „Ich-AGs“ überführt werden. Aufgr<strong>und</strong><br />
der damit verb<strong>und</strong>enen Einkommensgrenzen halte er es für<br />
nahe liegend, dass damit sogar eher verstärkt schwarz gearbeitet<br />
werde.<br />
Er wollte wissen, inwieweit die Novellierung der Handwerksordnung<br />
möglicherweise aufgr<strong>und</strong> eines Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satzes<br />
der Europäischen Union insbesondere im Hinblick auf die<br />
Randbereiche <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>s entlang der Grenzen zu<br />
Frankreich erforderlich sei.<br />
Er fragte ferner, ob die B<strong>und</strong>esregierung tatsächlich Teile der<br />
Handwerksordnung nun doch nicht novellieren wolle <strong>und</strong> aus<br />
welchen Gründen sie ihre Meinung diesbezüglich offenbar geändert<br />
habe.<br />
Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium erläuterte, die<br />
B<strong>und</strong>esregierung wolle durch die Verlagerung einiger Gewerbe<br />
von der Anlage A in die Anlage B der Handwerksordnung<br />
Erleichterungen schaffen. Im Entwurf der B<strong>und</strong>esregierung sei<br />
lediglich die Gefahrengeneigtheit als Abgrenzungskriterium vorgesehen.<br />
Dies sei jedoch nach Ansicht der Landesregierung nicht<br />
immer schlüssig <strong>und</strong> nicht ausreichend. Die Handwerksorganisation<br />
habe mit den Leipziger Beschlüssen aus dem Jahr 2000<br />
selbst einen Vorschlag erarbeitet. Allerdings bezweifle er, dass<br />
dieser Vorschlag den Vorgaben der Europäischen Union gerecht<br />
werde.<br />
Ein mögliches weiteres Kriterium sei sicher die Ausbildungsleistung.<br />
Darüber hinaus könne erwogen werden, die Aufteilung<br />
der Gewerbe zwischen der Anlage A <strong>und</strong> der Anlage B der<br />
Handwerksordnung in regelmäßigen Zeitabständen, zum Beispiel<br />
alle fünf Jahre, zu überprüfen. Dies komme den Vorgaben<br />
der Europäischen Union sicher ein Stück weit entgegen.<br />
Er räume ein, dass in der Stellungnahme zu Ziffer 2 des Antrags<br />
der Satz „Bisher ist für diese Tätigkeiten gr<strong>und</strong>sätzlich der<br />
Meisterbrief erforderlich.“ zu apodiktisch sei. Die B<strong>und</strong>esregierung<br />
wolle nun in der neuen Handwerksordnung eine gesetzliche<br />
Definition einfacher Tätigkeiten vornehmen. Dies sei eine<br />
andere Gr<strong>und</strong>lage als die bisherigen Definitionen, die in der<br />
Vergangenheit immer nur einzelfallbezogen von der Rechtsprechung<br />
ergangen seien. Wenn aber alle Gewerbe in ihre einfachen<br />
Tätigkeiten zerlegt werden sollten, bestehe die Gefahr,<br />
dass alle Handwerksberufe nur noch auf eine Summe von einfachen<br />
Tätigkeiten reduziert würden. Hierdurch würde das Ziel,<br />
den Meisterbrief als Qualitätssiegel weiterhin zu erhalten, infrage<br />
gestellt.<br />
Zu der Aussage, die Stellungnahme zu dem Antrag sei rückwärts<br />
gewandt, verweise er auf die Ausführungen des Wirtschaftsministeriums<br />
zu Ziffer 3 des Antrags. Darin plädiere die Landesregierung<br />
dafür, Gesellen ohne Meisterprüfung die Gründung<br />
einer selbstständigen Existenz zu ermöglichen, wenn sie zuvor<br />
zehn Jahre in ihrem jeweiligen Handwerk <strong>und</strong> davon fünf Jahre<br />
in leitender Stellung gearbeitet <strong>und</strong> die hierfür erforderlichen<br />
Kenntnisse nachgewiesen hätten. Dies stelle zusätzlich zu den<br />
vom Abgeordneten der FDP/DVP genannten Argumenten einen<br />
großen Schritt zu einer Modernisierung dar. Auch über die Abschaffung<br />
des Inhaberprinzips <strong>und</strong> die Anerkennung gleichwertiger<br />
Qualifikationen gebe es keinen Dissens mit dem Handwerk.<br />
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