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Lernen half uns überleben

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Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war Łódź die zweitgrößte Stadt Polens – sowohl im<br />

Hinblick auf die Zahl seiner gesamten Einwohner als auch die der jüdischen Bevölkerung.<br />

Von seinen 650.000 Einwohnern waren 350.000 Polen, über 230.000 Juden und über<br />

60.000 Deutsche.<br />

In Łódź und in der Region dominierte die Textilindustrie. Łódź war ein einmaliger Schmelztiegel<br />

der Kulturen inmitten Polens: Russen, Tschechen, Engländer, Österreicher, Italiener und<br />

Franzosen, die verschiedene, hauptsächlich mit der Textilindustrie verbundene Geschäfte in<br />

Łódź betrieben, prägten die Stadtkultur. Solch eine Vielfalt der Kulturen war eher für grenznahe<br />

Gebiete charakteristisch, aber hier in der Mitte der Polnischen Republik war dies atypisch.<br />

Die Bewohner von Łódź schickten ihre Kinder unabhängig von ihrer Konfession in polnische<br />

Schulen und erzogen sie im Geist der Loyalität zu ihrer Lodzer Heimat. Sie haben ihre Wurzeln<br />

aber nicht vergessen. So existierten neben den polnischen Schulen auch solche, in denen man<br />

neben den Fächern in polnischer Sprache auf Deutsch, Hebräisch oder Jiddisch unterrichtete.<br />

Der Religionsunterricht in den Volksschulen wurde sowohl von katholischen und russischorthodoxen<br />

Priestern als auch durch evangelische Pfarrer und Rabbiner durchgeführt. In Łódź<br />

gab es polnische, deutsche und jüdische Theater, Chöre und Orchester. Presse und Literatur<br />

erschienen in verschiedenen Sprachen. In den Kirchen predigte man auf Polnisch, Tschechisch,<br />

oder Altkirchenslawisch, in jüdischen Gebetshäusern und Synagogen betete man auf Hebräisch,<br />

in den fortschrittlichen und assimilierten, sogar auf Polnisch.<br />

Als im September 1939 die Deutschen Polen überfielen und der Zweite Weltkrieg begann,<br />

kämpften in der polnischen Armee viele Bürger jüdischer und deutscher Herkunft. Am 9. September<br />

marschierte die deutsche Armee triumphal in Łódź ein. Dies war der Anfang des Endes<br />

vom multikulturellen Łódź. Nichts mehr war so wie früher …<br />

Das Projekt „Jüdische Bildungstraditionen in Europa (JETE)“ wird im Rahmen des EU-Programms<br />

Grundtvig 2 durchgeführt. Es setzt die Erkundung der Geschichte der Juden in den<br />

verschiedenen Ländern Europas und den verschiedenen Zeitperioden voraus. Mit diesem<br />

Beitrag bemühen wir <strong>uns</strong>, eine der schwierigsten Perioden zu bearbeiten, als in Europa der Faschismus<br />

herrschte. Der Kampf ums Überleben war das Wichtigste. Wie sich aber herausstellte,<br />

waren sogar im Getto den Juden Bildung, Kultur und K<strong>uns</strong>t äußerst wichtig.<br />

Wir wollen mit dieser Schrift die Erinnerung an Menschen wach halten, die im Getto arbeiteten,<br />

die der jüngeren Generation Unterricht erteilten, Beethoven oder Bach spielten, Freunde<br />

fotografierten oder satirische Lieder sangen. Sie retteten dadurch das, was unter diesen Bedingungen<br />

am schwierigsten zu retten war, nämlich die Menschenwürde und Hoffnung auf eine<br />

bessere Zukunft sowie die Sensibilität für das Schöne.<br />

Unser Text ist nur ein kurzer Abschnitt der Geschichte, in der Juden aus Łódź und später aus<br />

dem Getto Litzmannstadt die Hauptrolle spielen…<br />

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