Lernen half uns überleben
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Sznor war auch Redakteur der illegalen<br />
Schrift „ Min hamejcar“. Während der<br />
„Großen Sperre“ nahm die Gestapo<br />
zwei Kinder des Dichters mit. Nach<br />
der „Sperre“ waren weder weltliche<br />
noch religiöse Schulen im Betrieb. Die<br />
wenigen Kinder unter 10 Jahren, denen<br />
es in jenen Tagen gelang, sich zu retten,<br />
mussten im Versteck bleiben. Alter<br />
Sznor war aber tief davon überzeugt,<br />
dass man die mosaischen Gesetze der<br />
religiösen Bildung auch unter diesen<br />
tragischen Umständen beachten sollte.<br />
Er wurde zum Melamed (religiöser<br />
Lehrer für Kinder), der Kinder zu Hause<br />
unterrichtete, ohne ein Entgelt dafür<br />
zu bekommen. Für ältere Jugendliche<br />
gab er samstags abends Thora-Stunden<br />
in seiner eigenen Wohnung. Es gab<br />
eine Schülergruppe, mit der er bei dicht<br />
zugezogen Vorhängen gemeinsam<br />
betete und studierte. Sie hielten religiöse<br />
Gebote ein, weigerten sich sogar,<br />
Produkte der Gettoküche zu essen,<br />
bis sie unter Aufsicht des Rabbiners<br />
gestellt wurden. Trotz der Verordnung<br />
rasierten sie nicht ihre Bärte. Angeblich<br />
wickelte sich Sznor wegen seines<br />
Bartes, auch während der warmen<br />
Jahreszeit ein Tuch um das Gesicht,<br />
um Zahnschmerzen vorzutäuschen.<br />
Er war auch ein aktives Mitglied der<br />
Schriftstellergruppe, die sich um Ulinower<br />
sammelte. Es ist möglich, dass<br />
er ihr Sekretär war. 1944 wurde Alter<br />
Sznor nach Auschwitz-Birkenau<br />
deportiert und dort in der Gaskamwie<br />
früher kommt nicht in Frage. Man muss nehmen, was einem<br />
gegeben wird. Um die heutigen Zeiten zu charakterisieren sei<br />
betont, dass das Bibliothekpersonal mit dem Besitzer an der Spitze<br />
aus bekannten verständlichen Gründen in den Ressorts arbeitet;<br />
die Tätigkeit im Lesesaal dagegen ist eine mühevolle, zusätzliche<br />
Arbeit, die – zugegeben - sehr lukrativ ist. Das Monatsabonnement<br />
kostet gegenwärtig 2 Mk., außerdem wird bei der Anmeldung<br />
eine Gebühr von 3 Mark bzw. ein Buch als eine nicht rückzahlbare<br />
Kaution verlangt.<br />
Bis zum Frühling 1944 hatte Sonnenbergs Leihbücherei 4000<br />
Leser, sie bestand bis zum August 1944, d.h. bis zur Auflösung<br />
des Gettos.<br />
Eine andere große Leihbücherei befand sich an der Wolborska<br />
44 und gehörte S. Atlasberg, der vor dem Krieg eine Buchhandlung<br />
besaß. Seine Bücherei verfügte über 2000 Bücher<br />
und hatte die gleiche Leserzahl, seine Büchersammlung war<br />
also stets „im Umlauf“.<br />
Es gab auch einige kleinere Leihbüchereien in Privathäusern<br />
des Gettos. Die Besitzer verliehen ihre Bücher in Jiddisch<br />
gegen eine kleine Gebühr. Sie brachten an den Haustüren<br />
eine Information an: „ Achtung: ich leihe Bücher in Jiddisch<br />
aus“, dank der die Interessierten immer wussten, wo man die<br />
Bücher findet. Die Juden aus Hamburg, die ins Getto deportiert<br />
wurden, errichteten im Februar 1942 auch eine Bücherei,<br />
in der sie eigene Bücher zur Verfügung stellten. Zwei andere<br />
große Bibliotheken gab es an der Wolborska und der Jakuba.<br />
Es gelang, die Büchersammlung der Medizinbibliothek des<br />
Poznański-Krankenhauses, das sich im Krieg auf der arischen Seite<br />
befand, ins Getto zu transportieren. Diese Bücher wurden von<br />
Ärzten im Getto oft benutzt. Sie sammelten selber auch Fachbücher<br />
aus privaten Sammlungen und organisierten eine weitere<br />
Bibliothek, die in der Notstation an der Łagiewnicka 36 entstand.<br />
Getto arbeitete Sznor er als Pförtner<br />
in einer Färberei und revidierte die<br />
Verzeichnisse, wenn Arbeiter das<br />
Ressort verließen. Er schrieb viel, fast<br />
ununterbrochen und überall. „In jedem<br />
seiner Kleidungstücke befanden sich<br />
Gedichte“ erinnert sich Rachmil Bryka.<br />
Auf Hebräisch schrieb er ein Tagebuch,<br />
eine Art Tageschronik, auf Jiddisch<br />
nachdenkliche Poesie für Erwachsene,<br />
kurze Theateraufführungen und Gedichte<br />
für Kinder. Alter Sznor stammte<br />
nicht nur aus einer chassidischen Familie<br />
mit bedeutenden Gelehrten, er war<br />
selber ein Gelehrter, las stundenlang die<br />
Gemara, studierte und forschte viel. Er<br />
verband das Getto mit der Vergangenheit,<br />
mit verschiedenen Epochen der<br />
Verfolgung.<br />
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