RICHARD III
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RICHARD III
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<strong>RICHARD</strong> <strong>III</strong>., William Shakespeare<br />
ERSTER AUFZUG, 4. SZENE<br />
24<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Was? du fürchtest dich?<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Nicht, ihn umzubringen, dazu hab ich ja die Vollmacht;<br />
Aber verdammt dafür zu werden, wovor mich keine Vollmacht schützen kann.<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Ich dachte, du wärst entschlossen.<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Das bin ich auch, ihn leben zu lassen.<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Ich gehe wieder zum Herzog von Gloster und sage es ihm.<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Nicht doch, ich bitte dich, wart ein Weilchen.<br />
Ich hoffe, diese fromme Laune soll übergehn:<br />
Sie pflegt bei mir nicht länger anzuhalten, als derweil man etwa zwanzig zählt.<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Wie ist dir jetzt zumute?<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Mein Treu, es steckt immer noch ein gewisser Bodensatz von Gewissen in mir.<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Denk an unsern Lohn, wenn's getan ist.<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Recht! Er ist des Todes. Den Lohn hatt' ich vergessen.<br />
E r s t e r M ö r d er.<br />
Wo ist dein Gewissen nun?<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Im Beutel des Herzogs von Gloster.<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Wenn er also seinen Beutel aufmacht, uns den Lohn zu zahlen, so fliegt dein<br />
Gewissen heraus.<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Es tut nichts, laß es laufen; es mag's ja doch beinahe kein Mensch hegen.<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Wie aber, wenn sich's wieder bei dir einstellt?<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Ich will nichts damit zu schaffen haben, es ist ein gefährlich Ding, es macht einen<br />
zur Memme. Man kann nicht stehlen, ohne daß es einen anklagt; man kann nicht<br />
schwören, ohne daß es einen zum Stocken bringt; man kann nicht bei seines<br />
Nachbars Frau liegen, ohne daß es einen verrät. ‘s ist ein verschämter blöder Geist,<br />
der einem im Busen Aufruhr stiftet; es macht einen voller Schwierigkeiten; es hat<br />
mich einmal dahin gebracht, einen Beutel voll Gold wieder herzugeben, den ich von<br />
ungefähr gefunden hatte; es macht jeden zum Bettler, der es hegt; es wird aus<br />
Städten und Flecken vertrieben als ein gefährlich Ding, und jedermann, der gut zu<br />
leben denkt, verläßt sich auf sich selbst und lebt ohne Gewissen.<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Sapperment, es sitzt mir eben jetzt im Nacken und will mich überreden, den Herzog<br />
nicht umzubringen.<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Halt den Teufel fest im Gemüt und glaub ihm nicht: es will sich nur bei dir<br />
eindrängen, um dir Seufzer abzuzwingen.<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Ich habe eine starke Natur, es kann mir nichts anhaben.<br />
Z w e i t e r M ö r d e r.<br />
Das heißt gesprochen wie ein tüchtiger Kerl, der seinen guten Namen werthält.<br />
Komm, wollen wir ans Werk gehn?<br />
E r s t e r M ö r d e r.<br />
Gib ihm eins mit dem Degengriff übern Hirnkasten, und dann schmeiß ihn in das<br />
Malvasierfaß im nächsten Zimmer.