Ursprung, Entwicklung und Weiterleben der Hethitischen Kultur im Mittleren Schwarzmeergebiet – Archäologische Grabungen am OymaaĞaç Höyük / Türkei Leiter Institutionen Förderung pD Dr. Rainer M. Czichon, Prof. Dr. Jörg Klinger freie Universität Berlin, Institut für Vorderasiatische Archäologie freie Universität Berlin, Institut für Altorientalistik forschungsprojekt | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützte das Projekt mit Fördermitteln zur Durchführung einer Feldforschungskampagne im Jahr 2006 und hat im Berichtsjahr Mittel zur Übernahme von Personal-, Reise- und Sachkosten für zwei Grabungskampagnen in den Jahren 2007 und 2008 bewilligt. | neu bewilligt 24 Teilabdruck eines hethitischen Siegels. Gut erkennbar sind die Schriftzeichen »Land Hatti«. Die Gegend um den in Nordanatolien gelegenen Berg Oymaağaç Höyük war bereits in der Antike über mindestens 2.000 Jahre hinweg ein begehrter Siedlungsplatz. Gründe für die durchgehende Besiedlung finden sich in der vorteilhaften geopolitischen Lage an einem bis in die jüngste Gegenwart wichtigen Flussübergang, der Zugriffsmöglichkeit auf die umliegenden Kupfer-, Arsen-, Silber- und Eisenlagerstätten, der günstigen klimatischen Situation, der Kontrolle über das vom Getreideanbau dominierte Becken von Vezirköprü sowie der guten Wasserversorgung. Im Rahmen eines Forschungsprojekts unter der Leitung von PD Dr. Rainer M. Czichon und Prof. Dr. Jörg Klinger sollen nach zwei erfolgreich verlaufenen, mit Mitteln der Freien Universität Berlin sowie der <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> ermöglichten Feldforschungskampagnen in den Jahren 2005 und 2006 nun erstmals Grabungen am Oymaağaç Höyük durchgeführt werden. Die lange Phase der Besiedlung des Oymaağaç Höyük manifestiert sich nicht nur in einem ca. sieben bis zehn Meter dicken Schichtenpaket, sondern auch in einem Keramikspektrum, das frühbronzezeitliche (vielleicht sogar chalkolithische), altassyrischalthethitische, hethitische und eisenzeitliche Scherben umfasst. Ziel der Ausgrabungen ist es, erstmals in der archäologischen Forschungsgeschichte des nördlichen Zentralanatolien eine durchgehende Stratigraphie von der Frühen Bronzezeit bis in die Eisenzeit zu gewinnen, die als dringend benötigter Leitfaden für die Auswertung der zahlreichen Geländebegehungen in dieser Region verwendet werden könnte. Da die Gründung der Siedlung auf einem leicht abschüssigen Kalksteinrücken am Westrand des Dorfes Oymaağaç spätestens in der Frühen Bronzezeit erfolgte und diese Gegend in der Gründungsphase des hethitischen Reiches eine maßgebliche Rolle spielte, besteht darüber hinaus die Hoffnung, in den altassyrischen und althethitischen Überresten eines öffentlichen Gebäudes auf der Kuppe des Hügels Dokumente zu finden, die die bislang auf Mythen beruhende Rekonstruktion der Gründung des Hethiter- Reiches durch historische Fakten ersetzen könnten. Einen ersten Hinweis liefert eine 2006 entdeckte Tonbulle, die wegen ihres Flechtbandrahmens in die althethitische Zeit datiert werden kann. Leitfragen der geplanten Grabungen betreffen die bislang gänzlich unerforschte Rolle des nördlichen Schwarzmeergebietes für den altassyrischen Handel sowie die Überprüfung der These, ob der Oymaağaç Höyük mit der hethitischen Kultstadt Nerik gleichzusetzen ist. Dafür würde unter anderem der Fund von fünf Fragmenten kultischer und annalistischer Texte sprechen, deren kleine Schrift eine eigene Schreiberkanzlei annehmen lässt, wie sie in einer Stadt vom Range Neriks vorstellbar wäre. Die Entdeckung des im hethitischen Vorgängerbau des eisenzeitlichen Palastes zu vermutenden Archivs, aus dem die Keilschriftfragmente stammen, wäre ein Meilenstein für die hethitische Historiographie des nördlichen Anatolien und könnte darüber hinaus auch die Lokalisierung weiterer in Nordanatolien beheimateter Orte eingrenzen und Aufschlüsse über die wirtschaftliche Organisation des hethitischen Reiches geben. Weitere Schwerpunkte des Projekts liegen auf der Erforschung des Verhältnisses zwischen den Hethitern und den in diesem Gebiet ansässigen Stämmen, darunter den Kaschkäern, der Klärung der Herkunft der »Dark Age«-Keramik sowie der Rekonstruktion der Geschichte von Fauna und Flora im nördlichen Zentralanatolien auf der Grundlage von ausgeschlämmten Säugetier- und Fischknochen und Pflanzenresten. Nicht zuletzt wird auch das auf der Kuppe des Oymaağaç lokalisierte »Große Gebäude« im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen. Der in Anatolien bislang singuläre Grundriss eines mitteleisenzeitlichen Palastes, der in das neuassyrisch geprägte Nordsyrien weist, eröffnet die Möglichkeit, den Übergang vom Ende des hethitischen Reiches bin hin zur Konsolidierung in der Mittleren Eisenzeit an einem lokalen Herrschersitz zu studieren. Die Ausgrabungen am Oymaağaç Höyük versprechen wichtige neue Erkenntnisse zur Rekonstruktion der bislang nur lückenhaft bekannten Geschichte und Kultur des Mittleren Schwarzmeergebietes von der Frühen Bronze- bis hin in die Späte Eisenzeit.
Freigelegte Ecke eines monumentalen spätbronzezeitlichen / eisenzeitlichen Gebäudes mit noch anstehendem verputzten Lehmziegelmauerwerk auf Steinfundament 25