JAHRESBERICHT - Gerda Henkel Stiftung
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Forschungsstelle<br />
»Entartete Kunst«<br />
Leiter<br />
Institutionen<br />
Förderung<br />
prof. Dr. Uwe Fleckner, Prof. Dr. Klaus Krüger<br />
universität Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar<br />
Freie Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut<br />
forschungsprojekt | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt die<br />
Forschungsstelle seit 2005 und hat im Berichtsjahr erneut Fördermittel<br />
zur Übernahme von Personal-, Reise- und Sachkosten für weitere zwei<br />
Jahre zur Verfügung gestellt. | neu bewilligt<br />
Lovis Corinth, Ecce Homo, 1925, Öl auf Leinwand,<br />
189 x 148 cm. Herkunft: Nationalgalerie Berlin;<br />
heutiger Standort: Kunstmuseum Basel. Aufnahme<br />
im Depot Schloss Schönhausen<br />
Besucher der Berliner Station der Ausstellung<br />
»Entartete Kunst« vor dem Altar Emil Noldes, 1938<br />
Die Forschungsstelle »Entartete Kunst« wurde im März 2003 mit Unterstützung der<br />
Ferdinand-Möller-<strong>Stiftung</strong> am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin<br />
eingerichtet und ist parallel dazu seit April 2004 auch am Kunsthistorischen Seminar<br />
der Universität Hamburg mit einem eigenen Schwerpunkt angesiedelt. Forschungsgegenstand<br />
sind die Methoden der nationalsozialistischen Kunstpolitik, insbesondere<br />
Vorgeschichte, Geschichte und Auswirkungen der Beschlagnahme moderner Kunstwerke<br />
in deutschen Museen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1937. Darin eingebunden<br />
sind auch Forschungen zu den antimodernen Propaganda-Ausstellungen seit<br />
1933 und zur Wanderausstellung »Entartete Kunst« von 1937 bis 1941. Leitfragen<br />
betreffen das Schicksal der Künstler, die Strategien der Museumsleiter, die Rolle der<br />
Kunsthändler innerhalb des Verwertungssystems sowie die Wege der 1937 beschlagnahmten<br />
Kunstwerke bis zu ihrem heutigen Standort. Im Mittelpunkt steht die Erarbeitung<br />
eines Inventars aller ca. 20.000 von den Nationalsozialisten in deutschen<br />
Museen als »entartet« beschlagnahmten Kunstwerke. Hierfür wurde eine multirelationale<br />
Datenbank (MuseumPlus) angelegt und jedem Werk die zur Identifikation<br />
notwendige Dokumentation beigefügt. Die Daten beinhalten photographische Aufnahmen,<br />
Hinweise auf die Depotlagerung, auf den eventuellen Einbezug in eine der<br />
Propagandaausstellungen sowie Angaben zur Verwertung durch die Kunsthändler,<br />
zum weiteren Verbleib der Werke bis zum ersten Besitzer nach dem Krieg und zum<br />
heutigen Standort. Eng verbunden mit der wissenschaftlichen Tätigkeit der Forschungsstelle<br />
ist die universitäre Lehre, die sich in der Betreuung einer Reihe von Magister-<br />
und Promotionsarbeiten, der Herausgabe einer eigenen Schriftenreihe sowie<br />
der Organisation von Symposien niederschlägt. Seit ihrer Einrichtung hat sich die<br />
Forschungsstelle sehr erfolgreich in der wissenschaftlichen Landschaft etabliert und<br />
wird insbesondere im Zusammenhang mit Restitutionsforderungen verfolgungsbedingt<br />
entzogener Kulturgüter immer wieder von den betroffenen Museen zur Beratung<br />
herangezogen.<br />
Angesichts der von der Bundesregierung unter dem Druck zunehmender Rückgabeansprüche<br />
geforderten Verstärkung und besseren Koordination der Provenienzrecherche<br />
an deutschen Museen wird der Klärungsbedarf inhaltlicher Fragen zur nationalsozialistischen<br />
Kulturpolitik weiter anwachsen. Die Forschungsstelle »Entartete Kunst« sieht<br />
sich in diesem Zusammenhang zukünftig als ein wichtiger Auskunftgeber für inhaltliche<br />
Fragen allgemeiner und spezieller Art zu diesem vielschichtigen Themenbereich.<br />
Im weiteren Verlauf der Arbeiten soll daher das bereits erarbeitete Inventar über die<br />
bisherige Werkdokumentation hinaus erheblich erweitert werden. Aufgenommen<br />
werden sollen die konkreten Diffamierungs- und Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber<br />
einzelnen Personen. Dazu gehören beispielsweise Ausstellungs- und Berufsverbote,<br />
der Ausschluss aus der Kulturkammer, Malverbote, publizistische Ablehnung<br />
und Diskriminierung. Darüber hinaus sollen auch die Strukturen des damaligen<br />
Kunsthandels detailliert dokumentiert werden, um das weitreichende Gebiet ineinandergreifender<br />
Mechanismen abrufbar zu machen. Notwendig sind Recherchen zu den<br />
Kontaktpersonen der Händler und Künstler sowie zu den wichtigsten Sammlern der<br />
Moderne, um den nationalen und internationalen Kunstmarkt während des »Dritten<br />
Reiches« in seiner ganzen Komplexität nachvollziehbar machen zu können.<br />
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