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JAHRESBERICHT - Gerda Henkel Stiftung

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Referenzrahmen des Krieges?<br />

Wahrnehmungen und Deutungen von<br />

Soldaten der Achsenmächte, 1939 –1945<br />

Leiter<br />

Institutionen<br />

Förderung<br />

prof. Dr. Sönke Neitzel, Prof. Dr. Harald Welzer,<br />

Prof. Dr. Michael Matheus,<br />

Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Historisches Seminar<br />

Kulturwissenschaftliches Institut Essen<br />

Deutsches Historisches Institut Rom<br />

forschungsprojekt | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt das Projekt<br />

für drei Jahre durch die Gewährung von zwei Forschungsstipendien<br />

sowie eines Promotionsstipendiums und stellt Fördermittel zur<br />

Übernahme von Reise- und Sachkosten zur Verfügung. | neu bewilligt<br />

Einige der Gefangenen von Trent Park,<br />

aufgenommen im November 1943<br />

Zu Vorgeschichte, Verlauf und Folgen des Zweiten Weltkriegs gibt es mehr als 60<br />

Jahre nach der Kapitulation des Deutschen Reiches eine beeindruckende Menge an<br />

Forschungsliteratur geschichtswissenschaftlicher, aber auch soziologischer und politikwissenschaftlicher<br />

Provenienz. Dabei richtet sich die Untersuchungsperspektive<br />

vornehmlich auf die historischen Ereignisse sowie auf die Rekonstruktion von Kausalketten<br />

mit dem Ziel, eine Katastrophe zu erklären, die mehr als 50 Millionen<br />

Menschen das Leben kostete und zu einer ebenso folgenreichen wie nachhaltigen<br />

Destruktion der europäischen Vorkriegsstrukturen führte. Während sich die Forschung<br />

zuletzt zunehmend mit der individuellen und kollektiven Erinnerung an den Zweiten<br />

Weltkrieg befasst hat, sind zur Mentalitätsgeschichte dieser Zeit bislang noch vergleichsweise<br />

wenige Studien erarbeitet worden. Es ist kaum bekannt, wie die Zeitgenossen<br />

Krieg und Politik wahrgenommen haben und wie sie über den Krieg dachten<br />

und ihn deuteten. Tagebücher stehen nur in äußerst begrenztem Umfang zur Verfügung,<br />

Briefe sind in ihrem Aussagewert meist sehr beschränkt.<br />

Neue Erkenntnisse verspricht ein von dem Zeithistoriker Prof. Dr. Sönke Neitzel<br />

und dem Sozialpsychologen Prof. Dr. Harald Welzer in Zusammenarbeit mit<br />

Prof. Dr. Michael Matheus geleitetes internationales Forschungsprojekt zur Deutung<br />

des Zweiten Weltkriegs durch die Soldaten der Achsenmächte. Erstmals soll<br />

umfassend untersucht werden, wie deutsche und italienische Soldaten den Krieg<br />

wahrgenommen haben. Grundlage ist ein von der Forschung noch nicht genutzter<br />

umfangreicher Quellenkorpus aus den britischen National Archives in London: die<br />

Aktenbestände des Combined Services Detailed Interrogations Centre (CSDIC).<br />

Diese im September 1939 gegründete Organisation hatte die Aufgabe, für die britischen<br />

Streitkräfte Informationen von feindlichen Kriegsgefangenen zu sammeln.<br />

Die Gefangenen kamen zunächst in Durchgangslager, wo einige Tausend Männer<br />

vom einfachen Soldaten bis zum General zum weiteren Verhör ausgewählt und in<br />

das nördlich von London gelegene Speziallager Trent Park eingewiesen wurden.<br />

1942 kamen aufgrund der steigenden Gefangenenzahlen die Lager Latimer House<br />

und Wilton Park, ebenfalls in der Nähe von London, hinzu. Hier wurden die Gefangenen<br />

nicht nur ausführlich befragt, sondern man hörte ihre Gespräche, die sie<br />

in den Aufenthaltsräumen und mit den Zellenkameraden führten, auch systematisch<br />

ab. Zur Lenkung setzte das CSDIC Exilanten und kooperationsbereite Gefangene<br />

als Spitzel ein, und man legte Gefangene etwa gleichen Dienstranges, aber unterschiedlicher<br />

Einheiten und Waffengattungen zusammen. Die Methode erwies sich<br />

als überaus effektiv: U-Boot-Fahrer erzählten in aller Ausführlichkeit ihre Erlebnisse,<br />

Waffen-SS-Männer diskutierten mit Heeressoldaten über den Krieg im Osten und<br />

im Westen. Die schnelle Einweisung in die Speziallager und die oft dramatischen<br />

Umstände der Gefangennahme erhöhten das Mitteilungsbefürfnis der Soldaten, die<br />

sich in der Regel ungezwungen miteinander unterhielten und offenbar nicht damit<br />

rechneten, abgehört zu werden. Militärische Geheimnisse wurden ebenso unbedenklich<br />

preisgegeben wie die eigene Beteiligung an Kriegsverbrechen.<br />

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