JAHRESBERICHT - Gerda Henkel Stiftung
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Das Berliner Aleppo-Zimmer<br />
Leiter<br />
Institution<br />
Förderung<br />
Dr. Jens Kröger<br />
Museum für Islamische Kunst, Berlin<br />
tagung | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützte die Veranstaltung<br />
durch die Übernahme von Reise- und Sachkosten und stellte einen<br />
Druckkostenzuschuss zur Veröffentlichung des Tagungsbandes zur<br />
Verfügung.<br />
Die illustrierten naturkundlichen Enzyklopädien<br />
helfen bei der Identifizierung einzelner Fabelwesen,<br />
so bei der aus dem Wasser auftauchenden,<br />
in diesem Fall einen Schatz an Land bringenden<br />
»Seekuh« (baqar al-mā') aus einer Aǧā ib al-<br />
Mah˘lūqāt-Handschrift des Persers M. T·usī von<br />
1577.<br />
Zahlreiche Tiere und Vögel bevölkern das Aleppo-<br />
Zimmer. Die vor Blütenbäumen platzierten,<br />
schreitenden Pfauen flankieren wie Torwächterfiguren<br />
die Mittelnische des Empfangsraumes.<br />
Das Aleppo-Zimmer gehört seit seiner Erwerbung im Jahre 1912 zu den wertvollsten<br />
Ausstellungsstücken des Museums für Islamische Kunst in Berlin. Es handelt sich<br />
dabei um eine hölzerne, bemalte Wandtäfelung, die zu osmanischer Zeit den repräsentativen<br />
Empfangsraum eines christlichen Privathauses im syrischen Aleppo<br />
schmückte. Das ins Jahr 1600 / 1601 zu datierende Berliner Exponat ist nicht nur das<br />
älteste, sondern auch das künstlerisch herausragendste Beispiel derartiger Täfelungen<br />
und weist qualitativ äußerst hochwertige Malereien auf, die neben höfischen Jagdszenen<br />
und literarischen Themen auch christliche Motive (Abendmahl, Opfer des<br />
Isaak, Mariendarstellungen) einschließen.<br />
Obwohl das Aleppo-Zimmer bereits verschiedentlich publiziert worden ist, hat<br />
die Wandtäfelung mit ihren ungewöhnlichen, sowohl osmanisch-türkischen als auch<br />
safawidisch-persisch beeinflussten Malereien immer wieder zu Diskussionen geführt.<br />
Da es an Vergleichsbeispielen mangelt, bestehen insbesondere zum Ursprung und zur<br />
Einordnung der Wandmalereien nach wie vor Forschungslücken. So ist bislang nicht<br />
abschließend geklärt, wie ausgerechnet ein zur religiösen Minderheit gehörender<br />
Kaufmann dazu kam, solch eine kostbare Innenausstattung in Auftrag zu geben. Weitere<br />
Fragen betreffen die Einzigartigkeit der Täfelung innerhalb der zeitgenössischen<br />
Innendekoration syrischer, türkischer und persischer Häuser, ihr Verhältnis zu anderen<br />
Kunstmedien dieser Zeit (Fliesendekor, Teppiche, Stoffe, Buchmalerei) sowie die<br />
Bedeutung der zahlreichen Inschriften. Diesen verschiedenen Aspekten der Wandmalerei<br />
des Aleppo-Zimmers widmete sich ein von Dr. Jens Kröger, Museum für Islamische<br />
Kunst, organisiertes und von der <strong>Stiftung</strong> gefördertes internationales Symposium, das<br />
vom 12. bis 14. April 2002 im Magnus-Haus in Berlin stattfand. Die anwesenden<br />
Experten aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, den Niederlanden,<br />
der Türkei, Syrien und dem Libanon widmeten sich Genese und Ikonographie des<br />
Aleppo-Zimmers, stellten Bezüge zur Miniaturmalerei und den dekorativen Künsten<br />
sowie zur osmanischen, persischen und syrisch-provinziellen Kunst her und diskutierten<br />
sowohl das Inschriftenprogramm als auch die Bedeutung der Wandtäfelung<br />
innerhalb der Gesamtarchitektur.<br />
Im Rahmen des Symposiums wurden erstmalig neueste Forschungsergebnisse<br />
zum Aleppo-Zimmer vorgestellt, die unter anderem die Struktur des Gesamtdekors,<br />
das christliche Motivrepertoire und die Bedeutung der Fabeltiere betrafen.<br />
Weitere Vorträge behandelten das gesellschaftliche Umfeld des christlichen<br />
Auftraggebers, der bei der Gestaltung des Bild- und Inschriftenprogramms in<br />
seinem Empfangszimmer Rücksicht auf muslimische und jüdische Geschäftspartner<br />
nehmen musste. Im Mittelpunkt standen darüber hinaus die architekturhistorische<br />
Diskussion und die Stellung des Aleppo-Zimmers innerhalb der<br />
osmanischen Kunst. Die auf Englisch, Französisch und Deutsch gehaltenen Vorträge<br />
wurden für die Druckfassung komplett überarbeitet und durch eine ausführliche<br />
Einleitung sowie weitere Beiträge ergänzt. Der in englischer Sprache<br />
herausgegebene Band wird im Sommer 2008 im Rhema-Verlag Münster erscheinen:<br />
Julia Gonnella, Jens Kröger (Hg.), Angels, Peonies, and Fabulous Creatures – The<br />
Aleppo Room in Berlin. International Symposium of the Museum für Islamische<br />
Kunst – Staatliche Museen zu Berlin 12. – 14. April 2002, Münster 2008<br />
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