JAHRESBERICHT - Gerda Henkel Stiftung
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Stimmen aus der Vergangenheit:<br />
Interviews mit Holocaust-<br />
Überlebenden. Die Boder-Interviews<br />
und DAS Archiv der Erinnerung,<br />
BERLIN, 7. bis 8. Juni 2007<br />
Leiter<br />
Institution<br />
Förderung<br />
Prof. Dr. Pascale Laborier, Dr. Florent Brayard<br />
Centre Marc Bloch, Berlin<br />
Tagung | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützte die Veranstaltung<br />
durch die Übernahme von Reisekosten der Referenten. | neu bewilligt<br />
Unter der Leitung von Prof. Dr. Pascale Laborier und Dr. Florent Brayard veranstaltete<br />
das Berliner Centre Marc Bloch vom 7. bis 8. Juni 2007 im Haus der Wannsee-<br />
Konferenz ein internationales Symposium, in dessen Mittelpunkt zwei sehr unterschiedliche<br />
Sammlungen von Interviews mit Überlebenden des Holocaust standen:<br />
die Tonaufzeichnungen des Boder-Archivs aus dem Jahr 1946 und die zwischen 1995<br />
und 1998 entstandenen Videoaufnahmen des »Archivs der Erinnerung«.<br />
David Boder, Professor für Psychologie am Illinois Institute of Technology, verbrachte<br />
1946 mehr als zwei Monate in Europa, um Displaced Persons in ca. zwölf<br />
Lagern und anderen Sammelpunkten in Frankreich, Deutschland, Italien und der<br />
Schweiz zu befragen. Sein Vorgehen war dabei in zweifacher Hinsicht einzigartig:<br />
Zum Einen überließ der polyglotte Boder seinen Zeitzeugen die Wahl der Sprache<br />
(Jiddisch, Deutsch, Russisch, Polnisch oder Englisch), zum Anderen wollte er möglichst<br />
authentische Berichte sammeln und entschied sich daher für eine Aufzeichnung<br />
auf Magnetbändern, der damals modernsten Aufnahmetechnik. Boder hinterließ insgesamt<br />
120 Interviews, die 200 Aufnahmestunden umfassen.<br />
Das Interview- und Forschungsprojekt »Archiv der Erinnerung. Interviews mit<br />
Überlebenden der Shoah« entstand 50 Jahre nach Kriegsende als internationale Kooperation<br />
zwischen dem Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien<br />
Potsdam und dem Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies an der<br />
amerikanischen Yale University in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte »Haus der<br />
Wannsee-Konferenz«. Rund 80 zumeist in der Region Berlin-Brandenburg lebende<br />
jüdische Zeitzeugen wurden befragt und die mehrstündigen lebensgeschichtlichen<br />
Interviews dabei mit der Videokamera aufgezeichnet. Die zwischen 1910 und 1942<br />
geborenen Zeitzeugen berichten nicht nur von ihren Erfahrungen während der Verfolgung,<br />
sondern – je nach Alter – auch über ihre davor liegende Kindheit und Jugend<br />
sowie über ihr Leben nach der Befreiung. Das zeitnah nach der Wende entstandene<br />
»Archiv der Erinnerung« ist damit wohl das einzige Projekt, welches einen Vergleich<br />
der Erzählformen und Schicksale jüdischer Überlebender in beiden Teilen Deutschlands<br />
ermöglicht.<br />
Interview mit Ilse R., Februar 1996, 42 Minuten.<br />
Das Interview dient als Beispiel für das Thema<br />
»Überleben im Versteck«. Ilse R., geboren 1918,<br />
blieb während der ganzen Zeit des Nationalsozialismus<br />
in Berlin. Ihre Lebensgeschichte zeigt<br />
die verschiedenen Phasen des Überlebens im<br />
Versteck: Die sich verschärfende Ausgrenzung aus<br />
einem eben noch geteilten Alltag, das Untertauchen<br />
und die Situation in der Illegalität sowie das<br />
Sich-wieder-Zurechtfinden in der Nachkriegszeit.<br />
Durch Ilse R.'s Erfahrungen wird auch das mögliche<br />
Handlungsspektrum nichtjüdischer Deutscher deutlich,<br />
welches von Denunziation bis zum mutigen<br />
Helfen reichte.<br />
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