JAHRESBERICHT - Gerda Henkel Stiftung
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Stipendiat<br />
Förderung<br />
Dr. Kerem Kayi, Berlin<br />
promotionsstipendium | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützte<br />
das Dissertationsvorhaben durch die Gewährung eines<br />
Promotionsstipendiums sowie die Übernahme von Reisekosten und<br />
stellte im Berichtsjahr einen Druckkostenzuschuss zur Veröffentlichung<br />
der Dissertation zur Verfügung.<br />
Bagdad,<br />
1831 – 1869<br />
Dr. Kerem Kayi hat sich in seiner Dissertation mit der historischen Entwicklung<br />
der Stadt Bagdad im mittleren Drittel des 19. Jahrhunderts beschäftigt. Im Mittelpunkt<br />
steht die Frage, ob die während dieser so genannten Reformära bzw. Tanẓimāt-<br />
Zeit im Osmanischen Reich eingeleiteten zahlreichen administrativen, militärischen<br />
und rechtlichen Reformen die entlegene Provinzhauptstadt Bagdad erreichten<br />
und inwieweit sich im Zuge der Reformbestrebungen erkennbare Entwicklungen<br />
abzeichneten.<br />
Auf der Grundlage des in europäischen Bibliotheken vorliegenden umfassenden<br />
Quellenmaterials (Reise-, Missionars- und Konsularberichte, archäologische Berichte,<br />
Memoiren), des in Istanbul zugänglichen osmanischen Archivmaterials sowie der arabischen<br />
Primär- und Sekundärliteratur hat sich Dr. Kayi mit Geographie, Topographie,<br />
Verwaltung, Bevölkerung und Baugeschichte Bagdads auseinandergesetzt. Ausgehend<br />
von einer Darstellung der geographischen und topographischen Verhältnisse der<br />
Stadt und der Veränderungen, denen sie zwischen 1830 und 1870 unterworfen war,<br />
hat er den osmanischen Verwaltungsapparat in den Bick genommen. Die in diesem<br />
Zusammenhang erarbeiteten Einzelporträts der aus Istanbul entsandten Provinzgouverneure<br />
bieten eine neue Sicht auf die ersten Auswirkungen der Reformära auf die<br />
arabischen Provinzen und belegen, dass Bagdad und der Irak im 19. Jahrhundert weit<br />
mehr als nur eine unbedeutende Provinz waren. Einen weiteren Themenschwerpunkt<br />
bildet das aus Muslimen, Juden und Christen zusammengesetzte Panorama der Bewohner<br />
der Stadt. Jede Glaubensgemeinschaft besaß ihre eigene Funktion und ihren<br />
eigenen Status im Gesamtsystem Bagdads, und insbesondere die jüdische Gemeinde<br />
und die diversen christlichen Gemeinden, aber auch die Sunniten und Schiiten werden<br />
im Rahmen der Studie ausführlich berücksichtigt. Abschließend geht es um die Bauten<br />
religiöser, militärischer und sozialer Bestimmung, mit denen sich die einzelnen Gruppen<br />
der Stadt repräsentierten. Hier konnte Dr. Kayi zeigen, dass trotz aller finanziellen<br />
und organisatorischen Zwänge in Bagdad eine rege Bautätigkeit vorherrschte. Insbesondere<br />
der Bau von Kirchen und Synagogen wurde wie in keinem Jahrhundert zuvor<br />
vorangetrieben, und auch Kasernen und Verwaltungsgebäude »europäischen« Stils<br />
waren im Bagdader Stadtbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts keine Seltenheit.<br />
In einem Anhang hat Dr. Kayi ein »bio-bibliographisches« Register erarbeitet, das<br />
auf der Basis aller zur Verfügung stehenden und zugänglichen Quellen etwa 300 Personen<br />
und Familien vorstellt, die sich im Untersuchungszeitraum in Bagdad aufhielten<br />
oder aus der Stadt stammten. Dabei handelt es sich um Angehörige der lokalen arabischen<br />
Bevölkerung, der osmanischen Elite sowie um Europäer. Während bisherige<br />
Studien zur Stadtgeschichte Bagdads entweder nur Teilaspekte berücksichtigen oder<br />
den erweiterten Kontext der Geschichte des Irak zugrunde legen, hat Dr. Kayi erstmals<br />
eine umfassende Monographie zur historischen Entwicklung der Stadt Bagdad<br />
im 19. Jahrhundert vorgelegt und damit zugleich auch einen wichtigen Beitrag zur<br />
Erforschung der Geschichte der Städte des Vorderen Orients in osmanischer Zeit geleistet.<br />
Die Dissertation ist im Berichtsjahr im Peter Lang Verlag Frankfurt am Main<br />
erschienen:<br />
Haydarhane Moschee in Bagdad, 1826 von<br />
Kölemen Davut Pascha in Auftrag gegeben<br />
Bagdad am Tigris, Blick nach Nordwesten im Jahre<br />
1908<br />
Kerem Kayi, Bagdad, 1831 – 1869. Untersuchungen zur städtischen Entwicklung einer<br />
osmanischen Provinzhauptstadt im 19. Jahrhundert, Frankfurt / M. u. a. 2007<br />
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