»Sasha Stone sieht noch mehr« – Ein photograph zwischen Kunst und Kommerz Stipendiatin Förderung Birgit Hammers, Aachen Promotionsstipendium | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt das Dissertationsvorhaben durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums und die Übernahme von Reise- und Sachkosten. | neu bewilligt Sasha Stone: Akt aus der Serie »Femmes«, 1933 Sasha Stone war einer der führenden Photographen der Weimarer Republik. 1895 in St. Petersburg als Aleksander Serge Steinsapir geboren, ging Stone zunächst nach New York und Paris, bevor er sich in den 1920er Jahren in Berlin niederließ und Anfang der 1930er Jahre ein Studio in Brüssel eröffnete. Am 6. August 1940 starb Sasha Stone, der jüdischer Herkunft war, im südfranzösischen Perpignan auf der Flucht vor den Nationalsozialisten. Während er in zeitgenössischen Publikationen stets in einem Atemzug mit Laszlo Moholy-Nagy, Man Ray, John Heartfield, Edward Steichen und anderen genannt und zu den Schlüsselfiguren der modernen Photographie und des »Neuen Sehens« gezählt wurde, taucht Stone in der aktuellen kunsthistorischen Forschung kaum mehr auf, und seine Arbeiten sind selbst in Fachkreisen weitgehend unbekannt. Sein Nachlass ist weltweit zerstreut, seine Biographie nur schwer rekonstruierbar, und viele seiner Werke gingen in den Kriegswirren verloren. Abgesehen von wenigen Arbeiten, die sich im Besitz seines Sohnes Serge erhalten haben, verteilt sich das bisher bekannte Œuvre von ca. 200 Originalphotographien auf verschiedene Archive, vornehmlich in Essen und Berlin. Wird Sasha Stone in der heutigen Forschung im Zusammenhang mit der Berliner Avantgarde erwähnt, so geschieht dies meist lediglich in Bezug auf seine Verdienste als Photojournalist und Werbephotograph. Während Stone zweifellos zu den gefragtesten Gebrauchsphotographen seiner Zeit zählte und hauptsächlich in fremdem Auftrag arbeitete, lassen sich seine Arbeiten jedoch nicht allein auf kommerzielle Interessen reduzieren: »Sasha Stone sieht noch mehr« lautete der Titel einer Anzeige in der Zeitschrift Gebrauchsgraphik aus dem Jahre 1930, mit der Stone für seine Arbeiten in den Bereichen »Reklame, Industrie, Illustration, Film, Bühne, Architektur, Schaufenster« wirbt. Im darunter abgebildeten Selbstporträt präsentiert er sich mit der Kamera wie ein Maler mit seiner Palette und stellt sich nicht nur als Photograph, sondern auch als Künstler dar. Ziel des Dissertationsvorhabens von Birgit Hammers ist es, das photographische Werk Sasha Stones erstmals in seiner gesamten Breite zwischen Kunst und Kommerz darzustellen und die Position Stones innerhalb der Avantgarde der Weimarer Republik näher zu bestimmen. Schwerpunkt wird die Architektur- bzw. Stadtphotographie sein, wobei sich Frau Hammers auch auf den sensationellen jüngsten Fund von lange verschollen geglaubten Originalabzügen zu Stones 1929 erschienenem Band »Berlin in Bildern« beziehen wird, die 2004 in Wien entdeckt und 2006 in der »Berlinischen Galerie« ausgestellt wurden. Dabei sollen einerseits die Auftraggeber Stones in den Blick genommen und andererseits seine Arbeiten mit denen von Zeitgenossen wie etwa der G-Gruppe um Hans Richter oder auch Man Ray, Laszlo Moholy-Nagy, Albert Renger-Patzsch, Germaine Krull, Alexander Rodtschenko und den Vorläufern der modernen Photographie, insbesondere Eugène Atget, verglichen werden. Um das Werk Sasha Stones so umfassend wie möglich zu dokumentieren, wird Frau Hammers zum Einen die bereits veröffentlichten Arbeiten des Photographen in die Untersuchung einbeziehen und zum Anderen in deutschen, französischen und belgischen Archiven nach bislang unbekannten Originalphotographien suchen. Als Grundlage für die vergleichende Analyse wird sie zunächst einen thematisch gegliederten Katalog der Werke Sasha Stones erstellen, der dabei helfen soll, die Entwicklung immer wiederkehrender Motive, wie zum Beispiel der Stadt, besser beurteilen zu können. Darüber hinaus werden Stones theoretische Äußerungen in die Untersuchung einfließen, wobei speziell seine Thesen zur Funktion der Photographie als Dokument Aufmerksamkeit verdienen, da sie auf den ersten Blick im Gegensatz zur häufigen Verwendung des Mittels der Photomontage stehen. Ziel der geplanten Studie ist es, den Künstler Sasha Stone dem Vergessen zu entreißen, seine Arbeiten in das Umfeld der Avantgardephotographie des frühen 20. Jahrhunderts einzubetten und offenzulegen, dass Sasha Stone nicht lediglich der Reklamephotograph war, als der er heute in der Regel dargestellt wird. 64
Sasha Stone: Berliner Dom, unveröffentlichte aufnahme zu »Berlin in Bildern«, vor 1929 65